Amnesty Report Kuba 18. Mai 2017

Kuba 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Ungeachtet der vorgeblichen politischen Offenheit waren die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Freizügigkeit noch immer stark eingeschränkt. Vor Ort aktive zivilgesellschaftliche und oppositionelle Gruppen berichteten über eine gestiegene Zahl politisch motivierter Festnahmen und Schikanen gegen Regierungskritiker.

HINTERGRUND

Die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen den USA und Kuba im Jahr 2015 führte 2016 zu einem Anstieg des Handels und des Tourismus zwischen den beiden Ländern. So gab es zum ersten Mal seit über 50 Jahren wieder kommerzielle Flüge zwischen den USA und Kuba.

Im März 2016 stattete Barack Obama dem Land einen Besuch ab. Er wurde von Präsident Raúl Castro empfangen. Es war der erste Besuch eines US-Präsidenten seit fast einem Jahrhundert. Im November starb der ehemalige Staats- und Regierungschef Fidel Castro.

Millionen Urlauber, zumeist aus den USA und Europa, reisten 2016 nach Kuba und ließen die Tourismusbranche des Landes kräftig wachsen.

Weiterhin emigrierten Kubaner nach Süd- und Mittelamerika und reisten auf dem Landweg nach Norden weiter, um die USA zu erreichen. Zwischen Oktober 2015 und Juli 2016 trafen mehr als 46000 Kubaner in den USA ein. Dies ist laut dem Meinungsforschungsinstitut Pew Research Centre ein leichter Anstieg gegenüber 2015 und eine Verdoppelung gegenüber 2014.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission zeigte sich besorgt über die Situation kubanischer Migranten, die die USA zu erreichen versuchten. Im August 2016 waren mehr als 1000 Kubaner in Kolumbien an der Grenze zu Panama gestrandet. Die Kommission äußerte die Befürchtung, dass diese Menschen keinen Zugang zu Nahrungsmitteln hatten und dem Risiko ausgesetzt waren, in die Hände von Schleppern zu geraten. Im Juli wurden 121 Kubaner aus Ecuador abgeschoben, Berichten zufolge ohne angemessene vorherige Information oder die Möglichkeit, rechtlich gegen diese Entscheidung vorzugehen.

Ende 2016 hatte Kuba weder den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte noch den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ratifiziert, obwohl beide Übereinkommen bereits im Februar 2008 unterzeichnet worden waren. Die Ratifizierung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs stand ebenfalls noch aus. Auch die Zuständigkeit des UN-Ausschusses gegen Folter und des UN-Ausschusses über das Verschwindenlassen für die Entgegennahme und Prüfung von Individualbeschwerden oder Beschwerden eines Vertragsstaates wird von Kuba bisher nicht anerkannt.

RECHTE AUF MEINUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT

Trotz der 2015 eingeleiteten Wiederherstellung der Beziehungen mit den USA bediente sich die Regierung weiterhin der Rhetorik des Kalten Krieges und brandmarkte politisch engagierte Personen und Menschenrechtsverteidiger als "anti-kubanische Söldner", als "anti-revolutionär" und "subversiv".

Das Justizsystem blieb 2016 unter politischer Kontrolle. Politisch motivierte Strafverfolgungsmaßnahmen stützten sich auf Gesetze, in denen "Störung der öffentlichen Ordnung", "Missachtung", "Respektlosigkeit", "Gefährlichkeit" und "Aggressivität" unter Strafe gestellt werden.

Regierungskritiker mussten auch 2016 mit Schikanen rechnen; dazu gehörten u. a. repressive Aktionen von Anhängern der Regierung (actos de repudio), die von Angehörigen der Staatssicherheit unterstützt wurden.

Die Regierung zensierte weiterhin das Internet, um den Zugang zu Informationen und die freie Meinungsäußerung zu beschränken. Nur ein Viertel der Bevölkerung hatte Zugang zum Netz, und lediglich 5 % verfügten zu Hause über einen Internetanschluss. Berichten zufolge gab es im August 2016 im gesamten Land 178 öffentliche WLAN-Hotspots, die jedoch oft nicht störungsfrei funktionierten. Die Regierung ließ nach wie vor Webseiten blockieren oder filtern, um den Zugang zu Informationen einzuschränken und Kritik am Staat zu verhindern.

WILLKÜRLICHE FESTNAHMEN UND INHAFTIERUNGEN

Auch 2016 trafen immer wieder Berichte ein, wonach Regierungskritiker und andere engagierte Bürgerinnen und Bürger wie die Damen in Weiß (Damas de Blanco) willkürlich festgenommen und für kurze Zeit in Haft gehalten wurden, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und auf Bewegungsfreiheit wahrgenommen hatten.

Die Behörden lieferten sich eine Art Katz-und-Maus-Spiel mit Aktivisten, indem sie sie oft mehrmals im Monat aufgriffen, acht bis 30 Stunden lang festhielten und dann ohne Anklageerhebung wieder auf freien Fuß setzten.

Zwischen Januar und November 2016 dokumentierte die Kubanische Kommission für Menschenrechte und Nationale Versöhnung (Comisión Cubana de Derechos Humanos y Reconciliación Nacional) im Durchschnitt 862 willkürliche Festnahmen pro Monat, was einen Anstieg gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum bedeutete.

Auch gegen Personen, die länger in Untersuchungshaft bleiben mussten, wurde oft keine Anklage erhoben, und die Verwandten erhielten nur selten schriftliche Informationen über den Grund der Inhaftierung.

Im Juli und August 2016 begannen Guillermo Fariñas Hernández, Sacharow-Preisträger von 2010, und andere politisch engagierte Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung Patriotische Union Kubas (Unión Patriótica de Cuba) mit einem Hungerstreik, um gegen die zunehmend gewalttätige Unterdrückung von Dissidenten und Aktivisten zu protestieren.

Ende 2016 befand sich Danilo Maldonado Machado, der als Graffitikünstler unter dem Namen El Sexto bekannt ist, im Hochsicherheitsgefängnis El Combinado del Este am Stadtrand von Havanna in Haft. Der Künstler war am 26. November bei sich zu Hause festgenommen worden, kurz nach der Bekanntgabe des Todes von Fidel Castro. Am selben Tag meldete die kubanische Tageszeitung 14ymedio, Danilo Maldonado Machado habe ein Graffito mit dem Text "Se fue" (Er ist gegangen) an eine Wand in Havanna gesprüht.

INTERNATIONALE KONTROLLE

Unabhängige Menschenrechtsorganisationen und -institutionen hatten keinen Zugang zum Land, gleiches galt für die UN-Sonderberichterstatter.

Unabhängige Beobachter erhielten keinen Zugang zu den Gefängnissen des Landes. Kuba war nach wie vor der einzige Staat des amerikanischen Kontinents, der Amnesty International die Einreise verweigerte.

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