Amnesty Report 15. Mai 2017

Gambia 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Restriktive Gesetze schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung 2016 nach wie vor stark ein. Friedliche Proteste wurden gewaltsam unterdrückt und Demonstrierende festgenommen, gefoltert und anderweitig misshandelt. Mindestens drei Regierungskritiker starben in Gewahrsam. Einer von ihnen wurde unmittelbar nach seiner Festnahme zu Tode gefoltert. Mindestens fünf Männer, die 2015 festgenommen worden waren, blieben weiterhin "verschwunden".

HINTERGRUND

Aus der Präsidentschaftswahl am 1. Dezember 2016 ging Adama Barrow, der Kandidat eines Oppositionsbündnisses, als Sieger hervor. Amtsinhaber Yahya Jammeh weigerte sich jedoch am 9. Dezember, das Wahlergebnis anzuerkennen. Am 13. Dezember stürmten Sicherheitskräfte das Gebäude der Unabhängigen Wahlkommission und zwangen den Vorsitzenden der Wahlkommission und seine Mitarbeiter, ihre Arbeitsplätze zu räumen. Am selben Tag erhob Jammehs Partei Allianz für Patriotische Reorientierung und Aufbau (Alliance for Patriotic Reorientation and Construction) beim Obersten Gericht Einspruch gegen das Wahlergebnis. Um eine Gerichtsentscheidung zu ermöglichen, wäre jedoch zuvor eine Ernennung neuer Richter durch Präsident Jammeh erforderlich gewesen, da das Oberste Gericht unterbesetzt war. Die Anwaltskammer Gambias bezeichnete den Einspruch daher als "massiv fehlerbehaftet". Die Weigerung des Präsidenten, seine Wahlniederlage zu akzeptieren, wurde auf internationaler Ebene allgemein verurteilt, u. a. vom UN-Sicherheitsrat, von der Afrikanischen Union und der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS).

RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUßERUNG

Restriktive Gesetze schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung weiterhin stark ein. Dazu zählten Gesetze, die Kritik an Regierungsvertretern untersagten und die Verbreitung von "Falschinformationen" verboten, sowie Gesetze aus der Kolonialzeit über staatsgefährdende Aktivitäten. Das harte Vorgehen der Behörden gegen Medienschaffende und Menschenrechtsverteidiger führte bei vielen Journalisten zu Selbstzensur.

Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen hatte im Dezember 2015 festgestellt, dass der Direktor des Radiosenders Teranga FM, Alagie Abdoulie Ceesay, der im Juli 2015 wegen staatsgefährdender Aktivitäten festgenommen worden war, willkürlich seiner Freiheit beraubt wurde. Die UN-Arbeitsgruppe hatte seine sofortige Freilassung, Entschädigung sowie eine Untersuchung des UN-Sonderberichterstatters über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe gefordert. Im April 2016 gelang Alagie Abdoulie Ceesay die Flucht aus dem Gewahrsam.

Am 8. November 2016 nahmen Mitarbeiter des Nationalen Geheimdienstes (National Intelligence Agency – NIA) den Direktor der gambischen Rundfunkanstalt (Gambia Radio and Television Services), Momodou Sabally, und den Journalisten Bakary Fatty fest, der für den Sender arbeitete. Bakary Fatty blieb ohne Anklageerhebung in Haft und hatte keinen Kontakt zu seiner Familie noch zu einem Rechtsbeistand. Momodou Sabally sah sich erneut mit einer Anklage wegen verschiedener Wirtschaftsdelikte konfrontiert, die 2015 bereits fallengelassen worden war. Der Sender hatte wenige Tage vor der Festnahme der beiden Männer einen Beitrag über die Nominierung eines oppositionellen Kandidaten ausgestrahlt.

Am 10. November 2016 wurden der freiberuflich tätige Fotograf Alhagie Manka und der Journalist Yunus Salieu von der gambischen Tageszeitung Daily Observer festgenommen, nachdem sie Aufnahmen von Anhängern des Präsidenten gemacht hatten. Die Behörden ließen Yunus Salieu am 11. November und Alhagie Manka am 16. November ohne Anklageerhebung frei.

Im Oktober 2016 fand vor dem ECOWAS-Gerichtshof eine Anhörung zu einer Klage statt, die der Afrikanische Journalistenverband (Federation of African Journalists) und vier im Exil lebende Journalisten aus Gambia gegen die drakonischen Pressegesetze im Land erhoben hatten. Die Kläger machten geltend, dass die Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Gesetze die Rechte von Journalisten verletzen, u. a. das Recht auf Freiheit von Folter.

RECHT AUF VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Friedliche Proteste wurden gewaltsam unterdrückt und Demonstrierende festgenommen.

Am 14. April 2016 demonstrierten Mitglieder der oppositionellen Vereinigten Demokratischen Partei (United Democratic Party – UDP) und Jugendorganisationen in Serekunda friedlich für eine Reform des Wahlrechts. Die Polizei trieb die Demonstrierenden unter Einsatz von Gewalt auseinander und nahm mehrere Personen fest. Einige der Festgenommenen wurden schwer verletzt. Der UDP-Parteisekretär Solo Sandeng starb kurz nach seiner Festnahme im Gewahrsam.

Von den Festgenommenen wurden 25 Personen schließlich angeklagt und im Gefängnis Mile 2 in der Hauptstadt Banjul inhaftiert. 13 von ihnen wurden später freigelassen, die übrigen zwölf wurden in das Gefängnis von Janjanbureh überstellt. Am 21. Juli 2016 wurden elf Frauen und Männer wegen Teilnahme an einer nichtgenehmigten Protestaktion und weiterer damit verbundener Straftaten zu drei Jahren Haft verurteilt. Sie wurden am 8. Dezember 2016 bis zum Rechtsmittelverfahren gegen Kaution freigelassen.

Am 16. April 2016 versammelten sich UDP-Mitglieder friedlich vor dem Haus des Parteivorsitzenden Ousainou Darboe in Banjul, um Gerechtigkeit für den Tod von Solo Sandeng und die Freilassung der inhaftierten UPD-Mitglieder zu fordern. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Demonstrierenden vor, schlug sie mit Schlagstöcken und nahm Ousainou Darboe, mehrere Vorstandsmitglieder der Partei, weitere Demonstrierende sowie unbeteiligte Passanten fest. Am 20. Juli 2016 wurde Ousainou Darboe zusammen mit 18 Frauen und Männern wegen Teilnahme an einer nichtgenehmigten Protestaktion und weiterer damit verbundener Straftaten zu drei Jahren Haft verurteilt. Am 5. Dezember wurden sie bis zum Rechtsmittelverfahren gegen Kaution freigelassen.

Am 9. Mai 2016 wurden nach der mündlichen Verhandlung gegen Ousainou Darboe und weitere Angeklagte etwa 40 Demonstrierende auf dem Weg nach Westfield, einem Vorort von Banjul, festgenommen. Die Demonstrierenden wurden von einer Sondereinsatztruppe der Polizei (Police Intervention Unit – PIU) gestoppt und geschlagen. Als Reaktion darauf warfen einige Demonstrierende mit Steinen, wodurch mehrere Menschen verletzt wurden, darunter ein Polizist der PIU. Ende 2016 war im Zusammenhang mit dieser Protestaktion ein Gerichtsverfahren gegen 14 Menschen anhängig. Zwei Frauen wurden noch im Mai gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt, die zwölf Männer kamen am 6. Dezember gegen Kaution frei. Während der offiziellen zweiwöchigen Wahlkampfzeit vor dem 30. November 2016 waren Wahlkampfveranstaltungen erlaubt, an denen Tausende Gambier friedlich teilnahmen.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Die bei den Demonstrationen im April 2016 festgenommenen Frauen und Männer wurden gefoltert und anderweitig misshandelt. Die Geschäftsfrau Nogoi Njie gab in einer eidesstattlichen Erklärung vor dem Hohen Gericht an, sie sei in der NIA-Zentrale in Banjul von Männern, die schwarze Kapuzen und Handschuhe trugen, mit Schläuchen und Schlagstöcken geschlagen worden, während man Wasser über sie goss. Außerdem erklärte sie, dass sie Solo Sandeng in der Geheimdienstzentrale gesehen habe. Sein Körper sei geschwollen gewesen, er habe geblutet, und sie habe befürchtet, dass er tot sei.

In einer Stellungnahme zu einem Haftprüfungsantrag räumten die Behörden am 13. Juni 2016 ein, Solo Sandeng sei während seiner Inhaftierung gestorben. Der Vorfall werde untersucht. Bis zum Jahresende wurden keine weiteren Informationen veröffentlicht.

TOD IN GEWAHRSAM

Am 21. Februar 2016 starb der Generalsekretär der Transportgewerkschaft (Gambian National Transport Control Association – GNTCA), Sheriff Dibba, in einer medizinischen Einrichtung in Banjul. Der Gewerkschaftsführer war im Polizeigewahrsam erkrankt und nicht rechtzeitig medizinisch behandelt worden. Nach Angaben der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) waren Sheriff Dibba und acht weitere führende GNTCA-Vertreter festgenommen worden, nachdem die Gewerkschaft die Regierung aufgefordert hatte, die Preise für Kraftstoff zu senken. Wegen des Todes von Sheriff Dibba und wegen "Strafmaßnahmen", die gegen die GNTCA verhängt wurden, reichte die ITF bei der Internationalen Arbeitsorganisation Beschwerde gegen die Regierung Gambias ein. Der Staatspräsident hatte der Gewerkschaft per Dekret sämtliche Aktivitäten verboten. Ende 2016 hatten die Behörde weder Ermittlungen zum Tod des Gewerkschaftsführers eingeleitet noch seinen Angehörigen das Ergebnis der Autopsie mitgeteilt.

Am 21. August 2016 starb Ebrima Solo Krummah, ein führendes Mitglied der UDP, nach einer Operation im Krankenhaus. Er war am 9. Mai 2016 festgenommen und im Gefängnis Mile 2 inhaftiert worden. Es wurde vermutet, dass man ihm in der Haft die medizinische Behandlung verweigert hatte. Bis zum Jahresende hatten die Behörden weder Informationen über seine Todesursache bekannt gegeben noch eine entsprechende Untersuchung angekündigt.

VERSCHWINDENLASSEN, WILLKÜRLICHE INHAFTIERUNGEN UND HAFT OHNE KONTAKT ZUR AUßENWELT

Drei im Jahr 2015 festgenommene Imame waren weiterhin Opfer des Verschwindenlassens. Der Imam von Kanifing South, Alhagi Ousman Sawaneh, war am 18. Oktober 2015 von Männern in Zivil festgenommen worden. Er soll inhaftiert worden sein, weil er den Staatspräsidenten gebeten hatte, den Vorsitzenden der Reisbauernkooperative, Haruna Gassama, freizulassen, der sich zum damaligen Zeitpunkt bereits seit sechs Monaten ohne Anklageerhebung im Gewahrsam des Geheimdienstes befand. Die beiden Imame Sheikh Omar Colley und Imam Gassama waren im Oktober bzw. November 2015 festgenommen worden, dem Vernehmen nach aus demselben Grund.

Es wurde vermutet, dass die drei Imame im Gefängnis von Janjanbureh ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert waren. Trotz mehrfacher Bitten ihrer Angehörigen machten die Behörden keine Angaben über den Aufenthaltsort der Männer. Am 21. März 2016 ordnete das Hohe Gericht in Banjul nach einer richterlichen Haftprüfung die Freilassung von Imam Alhagi Ousman Sawaneh an, die Gerichtsentscheidung wurde jedoch ignoriert.

Der frühere stellvertretende Landwirtschaftsminister Ousman Jammeh blieb ebenfalls "verschwunden". Er war im Oktober 2015 seines Amtes enthoben und festgenommen worden. Er soll zunächst mehrere Tage lang in der NIA-Zentrale inhaftiert und dann in das Gefängnis Mile 2 überstellt worden sein. Seine Familie und sein Rechtsbeistand hatten jedoch keinen Kontakt zu ihm, und die Behörden äußerten sich weder über seinen Aufenthaltsort noch zu den Gründen für seine Festnahme.

Der Geschäftsmann und Oppositionsanhänger Omar Malleh Jabang wurde am 10. November 2016 von Männern in Zivil mitgenommen und wurde seither nicht mehr gesehen. Entsprechende Anfragen an die Behörden blieben unbeantwortet.

Am 1. September 2016 wurde der stellvertretende Außenminister Sarjo Jallow seines Amtes enthoben. Seit dem 2. September hatten weder seine Familie noch seine Rechtsbeistände Kontakt zu ihm. Sie erfuhren auf inoffiziellem Weg, dass er in der NIA-Zentrale inhaftiert sei. Seine Frau war eine aktive Unterstützerin der UDP. Am 10. Oktober 2016 beantragten seine Rechtsbeistände, ihn aus dem Gewahrsam des Geheimdienstes zu entlassen. Ende 2016 war dies jedoch noch nicht geschehen.

KINDERRECHTE

Im Juli 2016 wurde ein Gesetz angenommen, das Ehen verbietet, in denen mindestens einer der beiden Ehepartner unter 18 Jahre alt ist. Erwachsene, die am Zustandekommen von Kinderehen beteiligt sind, müssen mit Haftstrafen von bis zu 20 Jahren rechnen. Dies gilt auch für den Ehemann und die Eltern des Mädchens. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Gambia 40 % der Frauen im Alter von 20 bis 49 Jahren vor Erreichen ihres 18. Lebensjahres und 16 % sogar vor Erreichen ihres 15. Lebensjahres verheiratet worden.

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