Amnesty Report 07. Juni 2016

Kongo (Republik) 2016

 

Sicherheitskräfte gingen mit unnötiger und exzessiver Gewalt gegen Demonstrierende vor, die gegen eine beabsichtigte Änderung der Verfassung auf die Straße gingen. Dabei kam es auch zu Todesfällen. Demonstrierende wurden willkürlich festgenommen, und das Recht auf freie Meinungsäußerung wurde eingeschränkt. Erneut wurden Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit abgeschoben, wobei gezielt Staatsbürger westafrikanischer Staaten ins Visier genommen wurden. Eine Untersuchung zu der Operation Mbata ya Bakolo, bei der 2014 mehr als 179 000 Menschen aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) abgeschoben worden waren, fand nicht statt. Der UN-Ausschuss gegen Folter äußerte sich besorgt darüber, dass Gefangene in den meisten Hafteinrichtungen Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt waren. Die Haftbedingungen waren weiterhin sehr schlecht.

Hintergrund

Am 25. Oktober 2015 wurde in einem Referendum über eine Änderung der Verfassung abgestimmt. Die Abstimmung wurde von dem wichtigsten Oppositionsbündnis boykottiert und war der Anlass für große Demonstrationen. Die Verfassungsänderung wurde dennoch am 27. Oktober verabschiedet und vom Verfassungsgericht am 6. November bestätigt. Sie ermöglichte es dem amtierenden Präsidenten Denis Sassou Nguesso, 2016 für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Die nächsten Präsidentschaftswahlen waren für den 20. März 2016 festgesetzt.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Das Recht auf freie Meinungsäußerung wurde eingeschränkt. Mitglieder von Oppositionsparteien, die sich gegen die vorgeschlagene Verfassungsänderung aussprachen, waren davon besonders betroffen. Von Juli bis Oktober 2015 wurden zahlreiche Oppositionspolitiker festgenommen, die gegen die Änderungen protestiert hatten.

Im Vorfeld der von der Opposition organisierten Proteste wurde im Oktober 2015 die Medienfreiheit in Brazzaville, der Hauptstadt des Landes, zeitweise willkürlich eingeschränkt: Das mobile Internet war nicht zugänglich, SMS-Dienste waren nicht erreichbar und die Signale einiger Radiosender unterbrochen.

Am 9. Oktober 2015 wurden sechs Mitglieder von Jugendorganisationen nach einer friedlichen Protestaktion festgenommen, die sie gegen die Volksabstimmung organisiert hatten. Man klagte sie wegen "der Teilnahme an einer nicht genehmigten Protestaktion" an.

Am 22. Oktober 2015 umstellten Sicherheitskräfte in Brazzaville das Haus des führenden Oppositionspolitikers Guy Brice Parfait Kolélas. Er wurde zusammen mit 25 weiteren Personen zwölf Tage lang unter De-facto-Hausarrest gestellt. Einen Gerichtsbeschluss, der die Sicherheitskräfte zu diesem Vorgehen berechtigt hätte, gab es nicht.

Am 23. November 2015 nahmen Polizisten Paulin Makaya, den Vorsitzenden der Partei Unis pour le Congo, im Büro des Staatsanwalts im Hohen Gericht von Brazzaville fest. Der Oppositionelle, der sich offen gegen die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen ausgesprochen hatte, war dort zusammen mit seinem Rechtsbeistand im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu einer Befragung erschienen. Er wurde vom 23. November bis zum 1. Dezember in der zentralen Polizeistation von Brazzaville festgehalten und in dieser Zeit weder einem Gericht vorgeführt noch angeklagt. Zudem verhörte man ihn mehrfach in Abwesenheit seines Rechtsbeistands. Ein Antrag auf Freilassung gegen Kaution, den sein Rechtsbeistand am 2. Dezember einreichte, wurde trotz einer schriftlichen Erinnerung am 11. Dezember nicht überprüft. Paulin Makaya befand sich Ende 2015 noch immer in Haft.

Am 5. Juni 2015 kam es in den Städten Brazzaville, Pointe-Noire und Dolisie zu Protesten von Schülern, weil die Abschlussprüfungen der weiterführenden Schulen (Baccalauréat) wegen massiven Betrugs und gravierender Unregelmäßigkeiten für ungültig erklärt worden waren. Bei gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei wurden zahlreiche Schüler verletzt; es kam auch zu Festnahmen.

Exzessive Gewaltanwendung

Bei einer Demonstration gegen die Volksabstimmung verletzte ein Polizist in Zivilkleidung am 17. Oktober 2015 in Pointe-Noire 13 Menschen, als er mit scharfer Munition in die Menge schoss.

Am 20. Oktober gingen Sicherheitskräfte mit Tränengas und scharfer Munition gegen Menschen in Brazzaville vor, die gegen die Änderung der Verfassung demonstrierten. Dabei sollen Berichten zufolge sechs Menschen getötet worden sein.

Oppositionsgruppen berichteten am selben Tag, dass in Pointe-Noire bei Protesten mindestens zwölf Demonstrierende und Passanten von Angehörigen der Militärpolizei getötet und mehrere Menschen verletzt worden seien. Bis zum Jahresende war noch keine Untersuchung dieser Vorfälle eingeleitet worden.

Rechte von Flüchtlingen und Migranten

Die gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die kongolesische Sicherheitskräfte und andere Personen im Jahr 2014 während der ersten Phase der Operation Mbata ya Bakolo begangen hatten, wurden nicht untersucht. Bei der Operation waren mehr als 179 000 Menschen aus der DR Kongo, unter ihnen auch Flüchtlinge und Asylsuchende, von der Polizei festgenommen, willkürlich inhaftiert und abgeschoben worden. Regierungsbehörden stellten die Operation der Sicherheitskräfte als eine Reaktion auf die zunehmende Kriminalität dar, die ihrer Ansicht nach auf organisierte kriminelle Banden (Kuluna) aus der DR Kongo zurückzuführen war.

Am 14. Mai 2015 begann in Pointe-Noire die zweite Phase der Operation, die von Festnahmen, Inhaftierungen und Abschiebungen von Menschen aus Westafrika, unter ihnen Staatsangehörige aus dem Senegal, Mali und Côte d’Ivoire, geprägt war. Die Polizei riegelte bestimmte Stadtviertel ab und führte dort Razzien durch, bei denen es zu willkürlichen Festnahmen kam. Die festgenommenen Personen wurden in Hafteinrichtungen festgehalten, in denen es kein fließendes Wasser, keine ausreichende Versorgung mit Essen und nicht genug Schlaf- und Waschgelegenheiten oder sanitäre Einrichtungen gab. NGOs erhielten keinen Zugang zu den Einrichtungen. Offizielle Angaben zur Anzahl der Personen, die im Rahmen der Operation festgenommen und abgeschoben wurden, lagen Ende 2015 nicht vor.

Internationale Kontrolle

Am 7. Mai 2015 äußerte der UN-Ausschuss gegen Folter tiefe Besorgnis angesichts zahlreicher Berichte, denen zufolge Gefangene in den meisten Hafteinrichtungen Folter und anderer Misshandlung ausgesetzt waren. Der Ausschuss kritisierte die systematische Anwendung von Untersuchungshaft und das Versagen der Behörden, die gesetzlichen Bestimmungen für die Verhängung von Untersuchungshaft zu beachten sowie das Recht der Inhaftierten auf einen Rechtsbeistand und auf die Benachrichtigung ihrer Angehörigen zu respektieren.

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen waren weiterhin katastrophal. Unter anderem waren die Gefängnisse chronisch überfüllt, und es gab weder genug zu essen noch genügend Trinkwasser. Außerdem war die medizinische Versorgung in materieller und personeller Hinsicht eingeschränkt, und die hygienischen Zustände und sanitären Einrichtungen entsprachen nicht dem erforderlichen Standard. Im April 2015 starben drei Männer, die in der zentralen Polizeistation von Pointe-Noire in Gewahrsam gehalten worden waren. Einer der drei Männer, Batola Régis, war in einer kleinen, überfüllten Zelle festgehalten worden und starb an Mangelernährung. Bis Ende 2015 hatten keine Untersuchungen zu den Todesfällen stattgefunden.

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