Amnesty Report Turkmenistan 09. Mai 2015

Turkmenistan 2015

 

Trotz Verbesserungen in der Gesetzgebung zur Regelung der Medien und der politischen Teilhabe drohten Oppositionellen, Journalisten und Menschenrechtsverteidigern nach wie vor Schikanen von staatlicher Seite. Die Unabhängigkeit der Justiz war nur begrenzt gewährleistet. Es gab keine wirksamen Rechtsbehelfsverfahren, und Freisprüche bei Strafverfahren waren selten. Anwälte, die unabhängig zu arbeiten versuchten, riskierten Berufsverbot. Folter und andere Misshandlungen waren nach wie vor weit verbreitet.

Hintergrund

Im September 2013 akzeptierte Turkmenistan die Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrats, mit den UN-Sonderverfahren zu kooperieren. Jedoch gewährten die Behörden den internationalen Kontrollorganen nur sehr begrenzten Zugang. Turkmenistan reagierte nicht auf Besuchsanfragen von Amnesty International, und zehn Besuchsanfragen von UN-Sonderberichterstattern blieben unbeantwortet.

Im Dezember 2013 gewann bei der ersten Mehrparteienwahl in der Geschichte des Landes die oppositionelle Partei der Industriellen und Unternehmer mehrere Sitze im Parlament. Beobachter berichteten jedoch, dass diese Partei keine echte Herausforderung für die politische Führung darstelle, sondern vielmehr ihre Loyalität gegenüber Präsident Gurbanguly Berdimuhammedow erklärt habe.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Seit am 4. Januar 2013 das Gesetz über Massenmedien verabschiedet wurde, sind Grundsätze der Unabhängigkeit der Medien und das Verbot staatlicher Einflussnahme auf die Medien gesetzlich verankert. In der Praxis war Zensur jedoch nach wie vor an der Tagesordnung, und die Zeitungen befanden sich im Besitz von Ministerien, die dem Präsidenten unterstanden.

Bis Ende 2014 waren unter dem neuen Gesetz keine wirklich unabhängigen Zeitungen registriert worden. In der Praxis war es den Bürgern verboten, ausländische Medien zu abonnieren. Der Zugang zum Internet wurde überwacht und eingeschränkt, Webseiten sozialer Netzwerke wurden regelmäßig blockiert.

Menschenrechtsverteidiger und Journalisten in Turkmenistan und im Exil waren Schikanen vonseiten der Behörden Turkmenistans ausgesetzt.

Recht auf Vereinigungsfreiheit

Unverhältnismäßige Eingriffe des Staates in die Aktivitäten öffentlicher Vereinigungen waren nach wie vor gang und gäbe. Laut einem im Januar 2013 in Kraft getretenen Präsidialerlass mussten sämtliche finanziellen Zuschüsse aus dem Ausland bei der Regierung registriert und von ihr genehmigt werden. Die Finanzierung von als "politisch" eingestuften Aktivitäten wurde verboten, ebenso wie die Mitgliedschaft in einer nicht registrierten Vereinigung.

Das Gesetz über öffentliche Vereinigungen trat im Mai 2014 in Kraft und untersagte staatliche Einflussnahme auf Vereinigungen, gestattete aber gleichzeitig umfassende Befugnisse für offizielle Kontrolle und Beaufsichtigung. Das Registrierungsverfahren für Vereinigungen blieb unvermindert kompliziert. In Turkmenistan gab es offiziell keine Organisationen, die sich mit unabhängiger Überwachung der Menschenrechte oder Beurteilung der sozialen oder politischen Lage befassten.

Folter und andere Misshandlungen

Es gab glaubhafte Berichte über Folter und andere Misshandlungen von Straftatverdächtigen durch Sicherheitskräfte. Zu den genannten Methoden gehörten das Ziehen mit Zangen an den Geschlechtsteilen sowie Elektroschocks und Schläge mit Stuhlbeinen und wassergefüllten Plastikflaschen.

In Berichten aus den Haftanstalten war die Rede davon, dass ein Inhaftierter unter Zwang Tabletten schlucken musste und mit Drohungen gegen seine Familie drangsaliert wurde. Weitere Meldungen sprachen von erzwungenen Vergewaltigungen unter Häftlingen und dem Fesseln von zu lebenslanger Haft verurteilten Gefängnisinsassen.

Im Januar 2014 wurden Geldy Kyarizov sowie seine Frau, seine Schwägerin und seine zwölfjährige Tochter von Sicherheitsbeamten angehalten, als sie auf dem Weg zu einer medizinischen Behandlung waren. Sie wurden in Haft genommen und verhört, misshandelt und gezwungen, ein Dokument zu unterzeichnen, mit dem sie sich verpflichteten, nicht offiziell Anzeige zu erstatten.

Der Aktivist Mansur Mingelov trat vom 19. Mai bis zum 8. Juni 2014 im Gefängnis in den Hungerstreik, um eine Neuverhandlung seines Falls durchzusetzen. Kurz nachdem er Informationen über Folter und Misshandlung der ethnischen Gemeinschaft der Belutschen in der Provinz Mary welaýaty im Jahr 2012 gesammelt und sowohl dem Generalstaatsanwalt als auch ausländischen Diplomaten hatte zukommen lassen, hatte man ihn in einem unfairen Verfahren zu 22 Jahren Haft verurteilt.

Verschwindenlassen

Im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat im Jahr 2013 wies Turkmenistan dessen Empfehlungen zurück, Informationen über den Aufenthaltsort von Inhaftierten bereitzustellen, die nach einem mutmaßlichen Mordanschlag auf den damaligen Staatspräsidenten Saparmurat Nijasow im November 2002 "verschwanden".

Nichtstaatliche Quellen gaben an, dass mindestens acht der Verurteilten in der Haft gestorben seien. Den Familien der Verschwundenen blieb seit über zehn Jahren jeder Kontakt zu ihren Angehörigen ebenso verwehrt wie jegliche offizielle Information über deren Schicksal oder deren Verbleib.

Recht auf Bewegungsfreiheit

Obwohl Turkmenistan im Jahr 2006 das System der Ausreisevisa abgeschafft hatte, galten für Personen, die bei den Behörden in Ungnade gefallen waren, in der Praxis nach wie vor willkürliche Beschränkungen des Rechts, ins Ausland zu reisen.

Am 10. April 2014 wurde Ruslan Tukhbatullin daran gehindert, Turkmenistan zu verlassen, um sich mit seinem Bruder Farid Tukhbatullin zu treffen. Man sagte ihm, dass er und sein neunjähriger Sohn auf einer schwarzen Liste von Personen stünden, denen Auslandsreisen verboten seien. Es wurde vermutet, dass dies eine Vergeltungsmaßnahme für Farid Tukhbatullins Einsatz für die Menschenrechte war.

Recht auf Religionsfreiheit

Religiöse Aktivitäten blieben strenger Kontrolle unterworfen. Religiöse Gruppierungen, die schiitische Muslime, Katholiken, Protestanten oder die Zeugen Jehovas repräsentierten, waren bei der Registrierung ihrer Organisationen mit Schwierigkeiten konfrontiert. Sechs Angehörige der Zeugen Jehovas, die sich wegen Wehrdienstverweigerung in Haft befunden hatten, wurden im Oktober 2014 im Rahmen einer Amnestie freigelassen.

Ein weiterer Angehöriger der Zeugen Jehovas blieb jedoch weiterhin wegen Kriegsdienstverweigerung inhaftiert. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, das im Januar 2014 in Kraft trat, sah Strafen für den Import, den Export und die Verbreitung religiöser Materialien vor.

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