Tschad: Diktatorenjäger unerwünscht
Der Menschenrechtsanwalt Reed Brody hat Tschads ehemaligen Machthaber Hissène Habré vor Gericht gebracht und ein Buch darüber geschrieben. Als er es im Tschad vorstellen wollte, flog er aus dem Land.
Aus N’Djamena von David Fischer
Im Herbst 2024 versammelten sich die Gäste einer Konferenz in N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad. Sie wollten über Entschädigungen für die Opfer des langjährigen Diktators Hissène Habré diskutieren und warteten auf den Anwalt Reed Brody. Er hatte fast 20 Jahre lang an dem Fall Habré gearbeitet und maßgeblich dazu beigetragen, dass dieser im Senegal verhaftet und später verurteilt wurde.
Aber Brody erschien nicht. Die Polizei hatte ihn auf dem Weg zur Konferenz abgefangen. Wenig später saß der Rechtsanwalt in einem Flugzeug und wurde des Landes verwiesen. Eine plausible Erklärung erhielt er bis heute nicht. "Entweder mögen sie mich nicht wegen meiner Arbeit im Fall Habré, oder sie wollen keine Diskussion über Habrés Rehabilitierung und das fehlende Geld für die Opfer", sagt Brody. Zuvor sei er zigmal in den Tschad gereist und habe sich nie bedroht gefühlt.
Zehntausende Menschen verschwanden
Die Opfer Habrés mussten lange für ihr Anliegen kämpfen. Von 1982 bis 1990 hatte der Diktator das Land brutal regiert. Zehntausende Menschen verschwanden in Foltergefängnissen und Todestrakten. Von vielen fehlte jahrzehntelang jede Spur, bis Brody und sein Team im Jahr 2001 auf Akten der Geheimpolizei stießen, in denen das Grauen dokumentiert war.
Brody arbeitete damals bei Human Rights Watch und war ein bekannter Menschenrechtsanwalt. Er hatte die Verbrechen der Contra-Milizen in Nicaragua untersucht und am Prozess gegen Chiles Machthaber Augusto Pinochet mitgewirkt. Medien nannten ihn "Diktatorenjäger", und ein Filmteam begleitete ihn bei seinem neuen Fall, der ihn für Jahre nicht mehr loslassen sollte: Hissène Habré.
Nachdem sich 1990 Idriss Déby im Tschad an die Macht geputscht hatte, war Habré in den Senegal geflohen. Erst 2016 verurteilte ihn dort ein Gericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Folter und Vergewaltigung zu einer lebenslangen Haftstrafe. Habré starb 2021 – wie auch sein Nachfolger Déby, der mehr als 30 Jahre lang autokratisch geherrscht hatte. Seither regiert dessen Sohn Mahamat Idriss Déby Itno als Präsident mit Hilfe des Militärs. Er will den Ruf Habrés aufpolieren – auf Kosten der Opfer.
Einen Diktator schnappen
Von den gerichtlich angeordneten Entschädigungen zahlte die Regierung nur einen Bruchteil an Betroffene und Hinterbliebene aus, Berichten zufolge je 1.400 Euro. Pläne für eine zentrale Gedenkstätte liegen offenbar auf Eis. "Was wir unter Déby Itno erleben, ist eine Verneinung der Vergangenheit", stellt Brody fest. "Das Paradoxe ist: Wenn man Habré rehabilitiert, gibt es dann auch ein Hissène-Habré-Stadion und die Habré-Straße? Und stellt man dort auch das Denkmal für seine Opfer auf?"
In seinem Buch "To Catch a Dictator" schildert der Anwalt die Gräueltaten Habrés, den langen Weg zum Prozess und den noch längeren Weg zum Urteil. Die französische Übersetzung seines Buchs wollte Brody auf der Konferenz in N’Djamena vorstellen. Der Rauswurf geriet zum Eklat – mit Ansage: Kaum war er in Paris gelandet, gab er Interviews im Radio und Fernsehen und schrieb Gastartikel für internationale Tageszeitungen. Die Entschädigungszahlungen für Habrés Opfer und die mangelhafte Vergangenheitsbewältigung prägten für kurze Zeit die Schlagzeilen.
Brody sagt, er wisse derzeit nicht, ob er noch einmal in den Tschad reisen wolle. Aber auch mit über 70 Jahren leistet er weiter Menschenrechtsarbeit – nicht nur zum Tschad: Er erstellte eine Petition zum Gaza-Krieg, leitet eine Kampagne für die Opfer des ehemaligen gambischen Machthabers Yahya Jammeh und arbeitet für den UN-Menschenrechtsrat als Experte für Nicaragua.