Amnesty Journal 25. Juli 2025

Femizide: Die Ursachen bekämpfen

Frauenschuhe, manche hochhackig, über einen Kopfsteinplatz verteilt, stehen paarweise zusammen.

Wie sich geschlechtsspezifische Gewalt verhindern lässt.

Von Katharina Masoud

Was ist ein Femizid? Laut UN-Frauenrechtsausschuss handelt es sich dabei um tödliche "Gewalt, die sich gegen eine Frau richtet, weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft".

Obwohl weltweit die Mehrheit der ­Opfer von Tötungsdelikten Männer sind, betreffen bestimmte Formen von tödlicher Gewalt überwiegend Frauen, etwa nach sexualisierter Gewalt und/oder  im häuslichen bzw. familiären Bereich ­sowie überwiegend durch ihre (Ex-)Partner in heterosexuellen Beziehungen. Geschlechtsspezifische Gewalt richtet sich aber auch gegen Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht traditionellen ­Geschlechterrollen entsprechen.

Spektrum von Gewalt

Einem tödlichen Ende geht zumeist ein ganzes Spektrum an Gewalt voraus, das in patriarchale Machtverhältnisse und Denkmuster eingebettet ist. Dazu zählen laut UN-Frauenrechtsausschuss die Ideologie der Vorrechte von Männern und soziale Normen in Bezug auf Männlichkeit. Zudem nennt der Ausschuss die Bedürfnisse, männliche Kontrolle oder Macht durchzusetzen, Geschlechterrollen zu festigen oder als inakzeptabel geltendes Verhalten von Frauen zu verhindern, zu unterbinden oder zu bestrafen.

Um die tödliche Gewalt und die ihr zugrundeliegenden antifeministischen sozialen Normen anzugehen, gibt es in unterschiedlichen Weltregionen verbindliche Abkommen: Für die Staaten des amerikanischen Kontinents gilt die Konvention von Belém do Pará von 1994, in der Afrikanischen Union das Maputo-Protokoll von 2003 und in den Staaten des Europarats die Istanbul-Konvention von 2011.

Diese Menschenrechtsabkommen ­verweisen darauf, dass Gewalt nicht nur körperlicher, sondern auch seelischer, ­sexualisierter oder wirtschaftlicher Art sein kann. All diese Formen können auch im digitalen Raum stattfinden, was bisher noch zu wenig beachtet wird. "Im Internet werden – häufig ohne dass dies Konsequenzen für die Verbreitenden hat – verschiedene frauenfeindliche Aussagen geteilt. Vor allem die unzureichende Regulierung der Plattformen stellt ein großes Problem dar. Hier sind insbesondere die Tech-Konzerne aufgefordert, endlich zu handeln und ihre Regulierungsbemühungen deutlich zu intensivieren", sagt Anna Engelhard von der Amnesty-Themenkoordinationsgruppe Menschenrechtsverletzungen an Frauen.

Ermittlung und Strafverfolgung ungenügend

Nicht-tödliche Formen von Gewalt finden oft keinen Einzug in nationale Statistiken. Tötungsdelikte hingegen werden in fast allen Staaten erfasst. Allerdings kann aus diesen meist nicht herausgelesen werden, ob es sich um geschlechtsspezifische Gewalt handelt oder nicht. Verschiedene feministische Bewegungen fordern daher, Femizid als Straftatbestand einzuführen. Einige Staaten, insbesondere in Lateinamerika, haben das bereits umgesetzt.

Doch ein eigener Straftatbestand führt nicht automatisch zur besseren Strafverfolgung und dazu, dass die Täter vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden. Zum einen kommt es auf die Ausgestaltung des Straftatbestands an – zum Beispiel ob lediglich die individuelle Motivation des Täters oder auch Begleitumstände erfasst werden. Zum anderen ist es wichtig, dass ermittelnde Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte geschlechtsspezifische Tötungen als solche erkennen und entsprechend handeln. 

Ein Amnesty-Bericht von 2021 zeigte, dass in Mexiko, wo es bereits seit 2012 einen gesonderten Straftatbestand gibt, viele Ermittlungen von Frauenmorden weiterhin ungenügend sind.

Das Ziel sollte sein, dass es gar nicht erst zu tödlicher Gewalt kommt. Die Prävention darf dabei nicht erst bei speziellen Unterstützungsdiensten wie Frauenhäusern, Schutzanordnungen, Beratung oder Rechtshilfe ansetzen. Vorbeugung von geschlechtsspezifischer Gewalt muss bereits die Ursachen in den Blick nehmen: die Überordnung von Männern über andere Geschlechter, männliche Kontroll- und Besitzansprüche, patriarchale Rollenbilder und traditionelle Geschlechterstereotype sowie die Missachtung des Rechts auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung eines jeden Menschen – im analogen wie auch im digitalen Raum.

Die Autorin ist Fachreferentin für Geschlechtergerechtigkeit, Intersektionalität und Antirassismus von Amnesty International Deutschland.

Weitere Artikel