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Desinformation und Propaganda
Die autokratischen Regierungen von Russland und China nehmen auf sehr unterschiedliche Weise Einfluss auf afrikanische Medien. Die Zahl der Falschinformationen ist drastisch gestiegen.
Aus Nairobi von Bettina Rühl
Der malische Journalist und Faktenchecker Abdoulaye Guindo hat im Lauf der vergangenen Jahre viele Falschmeldungen in den Online-Netzwerken seines Landes gesehen. Zum Beispiel Videos von russischen Hubschraubern und Kampfpanzern, die angeblich in Mali unterwegs sind, um bewaffnete islamistische Gruppen zurückzudrängen. In dem westafrikanischen Land sind seit einigen Jahren mehrere islamistische Milizen aktiv, und die Regierung hat die Kontrolle über große Teile ihres Staatsgebiets verloren. Im August 2020 und im Mai 2021 putschte das Militär, brach mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und wählte Russland zu seinem neuen "Sicherheitspartner". Seit die Militärs an der Macht seien, habe die Zahl der Falschinformationen deutlich zugenommen, hat Guindo beobachtet. Seit Ende 2021 sind bewaffnete russische Kräfte im Land. Die militärische Übergangsregierung bezeichnete sie lange als Militärausbilder, während vor allem die USA schnell davon überzeugt waren, es handele sich um Söldner der mittlerweile aufgelösten Wagner-Truppe.
Die Bevölkerung nimmt Videos von russischem Kriegsgerät auf malischem Boden laut Guindo positiv auf: Die Menschen sehnen sich nach einem Ende des jahrelangen Terrors und sehen in den russischen Militärs willkommene Helfer an der Seite ihrer Armee, die sich der bewaffneten Islamisten allein nicht erwehren kann. Allerdings: Wie der Faktencheck durch Guindos Team ergab, waren die russischen Hubschrauber und Panzer in dem fraglichen Video nicht in Mali im Einsatz, sondern in der Ukraine.
Deep Fakes des französischen Botschafters
Ein anderes Video erkannte das malische Faktencheckteam als "deep fake". Darunter versteht man täuschend echt wirkende, aber manipulierte Foto-, Video- oder Sprachaufzeichnungen. Das Video, das laut Guindo in Mali kursiert, zeigt den französischen Botschafter in Kamerun. Während einer Feierlichkeit hielt er eine Rede, in der er vermeintlich sagte, dass Frankreich die Bevölkerung überall dort ausrotte, wo es sich durchsetzen wolle – eine Fälschung.
Guindo ist Koordinator der malischen Nachrichtenseite Benbere. Zusammen mit einigen Kolleg*innen hat er bereits 2018 Benbere Vérif gegründet, eine Abteilung, die vor allem Falschmeldungen überprüft. Verbreitet werden sie im Radio, in gedruckten Zeitungen, vor allem aber in den Online-Netzwerken. Was das malische Faktencheckteam nach seiner Prüfung sagen kann, ist, wem die falsche Nachricht nützt. Im oben angeführten Beispiel ist das Russland. Guindos Team sieht natürlich auch, wer die Falschmeldungen weiterleitet. "Was wir nicht nachweisen können ist, wer sie geschaffen hat", bedauert Guindo. Die dafür erforderliche Technik sei zu teuer.
Das US-amerikanische Africa Center for Strategic Studies kann sich die entsprechenden technischen Hilfsmittel leisten. Das Zentrum beschreibt sich selbst als "eine vom Kongress gegründete und finanzierte Einrichtung des US-Verteidigungsministeriums, die sich mit Sicherheitsfragen in Bezug auf Afrika befasst". Laut einer Studie über Falschinformationen in Afrika, die im März 2024 veröffentlicht wurde, ist deren Gesamtzahl drastisch gestiegen: 2023 habe das Zentrum 189 Desinformationskampagnen in afrikanischen Ländern dokumentiert, fast vier Mal so viele wie im Vorjahr 2022. Fast 60 Prozent dieser Kampagnen würden von ausländischen Staaten gesponsert, wobei Russland, China, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Saudi-Arabien und Katar die wichtigsten Geldgeber seien.
Kampagnen von Russland
Russland sei nach wie vor der wichtigste Verbreiter von Desinformationen in Afrika. Der Studie zufolge hat es 80 dokumentierte Kampagnen finanziert, die sich gegen mehr als 22 Länder richten. Dies entspricht fast 40 Prozent aller Desinformationskampagnen in Afrika. Diese 80 Kampagnen mit mehr als Zehntausenden von koordinierten gefälschten Seiten und Beiträgen hätten viele Millionen Nutzer*innen erreicht. Russland habe der Studie zufolge seine Kampagnen gezielt durchgeführt, um die Demokratie in mindestens 19 afrikanischen Ländern zu untergraben.
Auch mit der Einflussnahme Chinas auf afrikanische Medien hat sich das Africa Center for Strategic Studies in einer Studie beschäftigt. Demnach nutzt Chinas Regierungspartei die Finanzierung afrikanischer Medien sowie den Austausch von Inhalten und die Ausbildung afrikanischer Journalist*innen, um chinesische Argumente und Sichtweisen, Politik und Normen auf dem Kontinent zu fördern. Deutlich wird, dass China die gewünschten Inhalte vor allem über klassische Medien verbreitet. So hat Xinhua, Chinas größtes Medienkonglomerat, in Afrika 37 Büros. Dies übertrifft alle anderen Nachrichtenagenturen – afrikanische und nicht-afrikanische. Und es ist ein drastischer Anstieg gegenüber der Präsenz noch vor zwei Jahrzehnten: Damals hatte die Nachrichtenagentur der chinesischen Regierung auf dem Kontinent nur eine Handvoll Vertretungen. Ein weiterer chinesischer Medienkonzern ist das Technologie- und Streamingunternehmen StarTimes. Mit nach eigenen Angaben mehr als 13 Millionen Digital-TV-Abonnent*innen und 20 Millionen Mobilfunkteilnehmenden ist StarTimes der Studie zufolge der zweitgrößte Anbieter von digitalen Fernsehkanälen in Afrika. Das chinesische Unternehmen hat Tochtergesellschaften in mehr als 30 afrikanischen Ländern, unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo, in Kenia und Südafrika.
Afrikanische Journalist*innen in China ausgebildet
Viele der jungen Journalist*innen Afrikas werden der US-amerikanischen Studie zufolge in China ausgebildet und von chinesischen Medienunternehmen bezahlt. Allein in Kenia sind demnach 500 Journalist*innen und einheimische Mitarbeitende bei chinesischen Medienagenturen angestellt, die monatlich 1.800 Nachrichten senden.
Hendrik Sittig, der das Medienprogramm Subsahara-Afrika der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung leitet, fasst die Unterschiede zwischen dem Einfluss Russlands und dem Chinas zusammen: "Das, was Russland macht, ist ganz klar die Verbreitung von Desinformationen", betont Sittig. Russland habe dafür ein "riesengroßes Budget" und das klare Ziel, seine weltweite, hybride Kriegsführung in Afrika fortzusetzen. "Und da setzt dann vor allem auch der russische Geheimdienst drauf und ist dort involviert." Bei der "hybriden Kriegsführung" werden militärische, wirtschaftliche, kulturelle und propagandistische Mittel kombiniert, um den Gegner zu bekämpfen. Desinformationskampagnen vor allem über das Internet und Online-Medien spielen dabei eine immer größere Rolle.
Dagegen versuche China, "über konventionelle Medien klassische Propaganda zu verbreiten". So werbe die chinesische Regierung für ihre wirtschaftlichen Projekte – beispielsweise die "Neue Seidenstraße" oder den Abbau seltener Erden und Rohstoffe. Im gleichen Atemzug lobe die Regierung das chinesische Modell, verbreite die Erzählung der erfolgreichen Supermacht, die den angeblich schwachen liberalen Demokratien überlegen sei.
Veröffentlichungen zu menschenrechtsrelevanten Themen gebe es "überhaupt nicht", hat Sittig beobachtet. Dafür sei Zensur noch nicht einmal "nötig". Denn es sind "letztlich Medien, die von China eingesetzt wurden" – seien es chinesische Staatsmedien, die ihre Außenstellen dort aufbauen, oder von China gegründete Agenturen, die vor Ort agieren.
Bettina Rühl ist freiberufliche Journalistin und arbeitet schwerpunktmäßig zu Afrika. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.