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Kolumbien: Neue Beweise für tödliche Polizeigewalt gegen friedliche Demonstrierende
Bei regierungskritischen Protesten in der kolumbianischen Stadt Cali am 28. Mai 2021 wird ein Demonstrant, der mutmaßlich von kolumbianischen Sicherheitskräften verletzt wurde, in Sicherheit gebracht.
© IMAGO / Agencia EFE
Eine digitale Rekonstruktion der "Operation Siloé" in Cali von Amnesty International gemeinsam mit der Forschungsgruppe SITU Research liefert neue detaillierte Belege, wie kolumbianische Sicherheitskräfte während der landesweiten Proteste 2021 absichtlich unverhältnismäßig Gewalt gegen friedliche Protestierende ausübten. Bei dem gewaltsamen Angriff von Polizeikräften in Siloé, einem Stadtteil von Cali, am 3. Mai 2021 wurden drei junge Menschen erschossen.
Über Wochen gingen zwischen April und Juli 2021 in Cali und vielen anderen Städten Kolumbiens tausende Menschen auf die Straße, um für bessere Lebensbedingungen, soziale Gerechtigkeit, Frieden und den Schutz von Menschenrechten zu protestieren. Sicherheitskräfte gingen dabei oft mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen friedliche Protestierende vor.
Am Abend des 3. Mai 2021 attackierten Mitglieder der Nationalen Polizei sowie der beiden Polizei-Spezialeinheiten ESMAD (Escuadrón Móvil Antidisturbios) und GOES (Grupo de Operaciones Especiales de la Policía Nacional de Colombia) eine große Gruppe von Menschen, die am Kreisverkehr La Glorieta in Siloé, Cali, eine Mahnwache abhielten.
Während der sogenannten "Operation Siloé" wurden mehrere Menschen willkürlich verhaftet und hunderte weitere verletzt. Drei junge Menschen erlitten bei den Angriffen tödliche Schusswunden, darunter auch der 22-jährige aufstrebende Fußballspieler Kevin Agudelo.
Amnesty-Video über Polizeigewalt in Kolumbien:
Das Crisis Evidence Lab von Amnesty International und die interdisziplinäre Forschungsgruppe SITU Research haben die Ereignisse anhand von über 200 Mitschnitten und zahlreichen Interviews mit Augenzeug_innen minutiös rekonstruiert. Die Ergebnisse zeigen nicht nur, dass von den Protestierenden in Siloé keine unmittelbare gewaltsame Bedrohung für die Polizei ausging, sondern auch, dass die Polizei trotzdem, entgegen internationaler Menschenrechtsstandards, tödliche Waffen wie Tavor 5.56-Sturmgewehre gegen die Teilnehmenden der Mahnwache eingesetzt und gezielt mit scharfer Munition auf Protestierende geschossen hat.
"Unsere Analyse der Ereignisse in Siloé lässt keinen anderen Schluss zu, als dass die Polizei die Teilnehmenden der Mahnwache in Siloé in einem sorgfältig orchestrierten Angriff ganz gezielt angegriffen hat, um sie zu bestrafen, und dabei auch schwere Verletzungen und den Tod Protestierenden ganz bewusst einkalkuliert hat", sagt Matthias Schreiber, Experte für die Region Amerikas von Amnesty International in Deutschland. "Wir fordern die Behörden in Kolumbien auf, sämtliche Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der Operation Siloé und der landesweiten Proteste in Kolumbien insgesamt vollständig aufzuklären, und diejenigen die dafür Verantwortung tragen, vor ordentliche zivile Gerichte zu stellen. Es ist dringend notwendig, dass dabei auch mögliche Verantwortlichkeiten von Befehlshabenden in der Kommando-Hierarchie der Polizei untersucht werden."
Die vollständige digitale Rekonstruktion der Operation Siloé von Amnesty International und SITU Research ist hier zu finden.
Amnesty International hat den Fall auch im Bericht Cali: In the Epicenter of Repression dokumentiert. Im Bericht Shoot on Sight: Eye Trauma in the Context of the National Strike hat Amnesty International außerdem untersucht, wie der unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt der Spezialeinheit ESMAD der kolumbianischen Polizei zahlreichen Protestierenden ihr Augenlicht gekostet hat.