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Menschenrechtsschutz muss Vorrang haben vor Wirtschaftsinteressen
Reißende Fluten des Flusses Cauca, der das im Bau befindliche Wasserkraftwerk Hidroituango antreiben soll, haben in Kolumbien im Mai 2018 eine Brücke und mehrere Häuser zerstört
© Joaquín Sarmiento/AFP/Getty Images
Während Kolumbiens Außenminister Carlos Holmes Trujillo García in Deutschland für Wirtschaftsinvestitionen in seinem Heimatland wirbt, eskaliert dort weiter die Gewalt gegen die Zivilgesellschaft. 109 Menschenrechtsverteidiger fielen allein in diesem Jahr Anschlägen zum Opfer. Erst im September wurden erneut zwei Angehörige von Aktivisten getötet, die sich gegen das von der deutschen KfW-Ipex-Bank mitfinanzierte Wasserkraftwerk Hidroituango engagieren.
Kolumbiens Regierung muss die tödlichen Angriffe gegen friedliche Menschenrechtsverteidiger verhindern und sie beschützen, fordert Amnesty International anlässlich des Deutschland-Besuches von Carlos Holmes Trujillo García. Der kolumbianische Außenminister wird am Donnerstag, den 22.11., auf Einladung der Bundesregierung zu einer Wirtschaftskonferenz in Berlin erwartet. Am Rande wird er auch Bundesaußenminister Heiko Maas treffen.
"In den vergangenen drei Jahren sind fast 400 Aktivisten in Kolumbien getötet worden", sagt Matthias Schreiber, Kolumbien-Experte bei Amnesty International in Deutschland. "Viele der Anschläge richteten sich gegen Menschen, die sich friedlich gegen Wirtschaftsprojekte gewehrt haben, weil sie die ökonomische, soziale und kulturelle Existenz ganzer Gemeinschaften bedrohten.
In mehr als 90 Prozent der Fälle sind die Verantwortlichen straffrei davongekommen. Bundesaußenminister Heiko Maas muss seinem kolumbianischen Amtskollegen deutlich machen, dass Kolumbien international dazu verpflichtet ist, Menschenrechtsverteidiger zu schützen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen."
Seit im November 2016 die kolumbianische Regierung und die Guerilla-Gruppe FARC einen Friedensvertrag unterzeichneten, haben tödliche Angriffe auf Kolumbiens Zivilgesellschaft drastisch zugenommen. Dem Programa Somos Defensores zufolge, einem Zusammenschluss von kolumbianischen Menschenrechtsorganisationen, wurden allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres mindestens 109 Aktivisten ermordet.
Im gesamten Vorjahr waren es 106. Bisher hat die seit August 2018 amtierende Regierung von Präsident Iván Duque Márquez nicht genug unternommen, um der Gewalt in Kolumbien Einhalt zu gebieten.
In diesem Jahr wurden insgesamt sechs Mitglieder der Menschen- und Umweltrechtsbewegung Movimiento Ríos Vivos Antioquia beziehungsweise deren Angehörige getötet. Andere Mitglieder erhalten Todesdrohungen. Das Movimiento Ríos Vivos Antioquia engagiert sich seit Jahren gegen gravierende Menschenrechtsverstöße im Zusammenhang mit dem Bau des Wasserkraftwerkes Hidroituango im Departement Antioquia.
Dieses Projekt wird unter anderem von der deutschen KfW-Ipex-Bank, einer hundertprozentigen Tochter der staatlichen KfW, mit einem Kredit über 100 Millionen US-Dollar gefördert. Die Allianz, die Münchener Rück und die Hannover Rück sind mit Versicherungs- und Rückversicherungsdienstleistungen an Hidroituango ebenso beteiligt wie der französische Alstom-Konzern, der mit der Siemens-Transportsparte Siemens Mobility fusioniert.
"Die im Umfeld des Projektes begangenen Menschenrechtsverletzungen müssen von unabhängigen Stellen aufgearbeitet werden und die Betroffenen Wiedergutmachung erhalten", fordert Schreiber. "Nicht zuletzt sollten sich auch die an Hidroituango beteiligten deutschen Unternehmen für diese Anliegen einsetzen", sagt Schreiber.
"Die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen müssen gesetzlich festgeschrieben werden. Das Beispiel Hidroituango macht deutlich, dass es nicht ausreicht, es Unternehmen zu überlassen, freiwillig ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. So sieht es der im Dezember 2016 verabschiedete Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung vor", sagt Schreiber.