Aktuell China 21. Februar 2020

Nirgendwo in Sicherheit: Uigur_innen im Exil erzählen von Chinas Einschüchterungskampagne

Zeichnung eines Mannes in Grau- und Brauntönen. Um ihn herum ragen rote Hände, die erzieherische Gestiken machen. Sein Mund wird ebenfalls von einer roten Hand zugehalten, auf der die chinesische Flagge abgebildet ist.

Vor fast drei Jahren startete China eine beispiellose Kampagne in der nordwestlichen Autonomen Region Xinjiang auf dem Gebiet der Volksrepublik: Uigur_innen, Kasach_innen und Angehörige anderer größtenteils muslimischer ethnischer Gruppen wurden massenhaft festgenommen.

Seit dieser Zeit sind immer mehr Einzelheiten über die Behandlung von schätzungsweise mehr als einer Million Menschen an die Öffentlichkeit gedrungen, die in Einrichtungen zur "Umformung durch Erziehung" oder "Berufsausbildung" festgehalten werden. Aber was genau in Xinjiang geschieht und in welchem Umfang, bleibt im Verborgenen. 

Die chinesische Regierung hat die Existenz dieser "Umerziehungslager" zunächst bestritten. Später erklärte sie dann, dass es sich bei den Einrichtungen um "Berufsausbildungszentren" handele, die dazu dienten, Uigur_innen und andere von ihrem "extremistischen" Gedankengut zu befreien und ihnen eine Berufsausbildung zu ermöglichen – selbst hochgebildeten Intellektuellen, Geschäftsleuten und Rentner_innen.

Die chinesische Regierung hat Forderungen nach der Zulassung unabhängiger Beobachter_innen in der Region bisher stets abgelehnt und nur streng durchgeplante Besuche ausgewählter Journalist_innen und Diplomat_innen zugelassen. Währenddessen bleiben Freund_innen und Familienangehörige von Personen, die als inhaftiert gelten, ohne Informationen und wissen nicht, wo sich ihre Angehörigen befinden.

Alle zusammentreiben, die zusammengetrieben werden sollten.

Chen
Quanguo
Parteisekretär in der Autonomen Region Xinjiang

Ende 2019 offenbarten an die Öffentlichkeit geratene Dokumente nach Berichten der New York Times sowie vom Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten und 17 Partnerorganisationen neue Details zu Chinas Vorgehen in Xinjiang. Aus den Dokumenten geht hervor, dass die Kampagne zur Umformung des Denkens mit dem Aufruf des chinesischen Präsidenten Xi Jinping im Jahr 2014 zum "Kampf gegen Terrorismus, Infiltration und Separatismus" in Xinjiang ihren Anfang nahm. Die Dokumente zeigen auch, dass Chen Quanguo, der im August 2016 das Amt des Parteisekretärs in Xinjiang übernommen hatte, den örtlichen Beamt_innen befahl, "alle zusammenzutreiben, die zusammengetrieben werden sollten". In geheimen Anweisungen wurde sehr detailliert beschrieben, wie "Umerziehungslager" geführt werden sollten. Beamt_innen wurden darüber instruiert, was sie Kindern über ihre inhaftierten Eltern sagen sollen; dazu gehörten auch Warnungen, welche Konsequenzen es haben würde, offen über die Inhaftierungen zu reden.

IM AUSLAND LEBENDE UIGUR_INNEN IN ANGST

Außerhalb Chinas leben schätzungsweise 1 bis 1,6 Millionen Uigur_innen (nach Angaben des Weltkongresses der Uiguren, einem in Deutschland registrierten Verband uigurischer Exilgemeinschaften). Bedeutende diasporische Gemeinschaften aus Uigur_innen finden sich in den zentralasiatischen Ländern Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan. Kleinere Gruppen leben in anderen Ländern wie Afghanistan, Australien, Belgien, Kanada, Deutschland, Norwegen, Russland, Saudi-Arabien, Schweden, den Niederlanden, der Türkei und den Vereinigten Staaten.

Von September 2018 bis September 2019 trug Amnesty International Informationen von etwa 400 Uigur_innen, Kasach_innen, Usbek_innen und Angehörigen anderer ethnischer Gruppen zusammen, die in 22 Ländern auf fünf Kontinenten leben. Neben persönlichen Befragungen wurde ein Online-Fragebogen in einem geschlossenen Kreis aus vertrauenswürdigen uigurischen Kontakten verbreitet. Die Berichte offenbaren, welchen Schikanen und welcher Angst diese Gemeinschaften täglich ausgesetzt sind. In dieser Hinsicht stimmen die Berichte mit früheren Erkenntnissen zu den Erfahrungen von in den USA lebenden Uigur_innen überein, wie sie im August 2019 von der Menschenrechtsorganisation Uyghur Human Rights Project dokumentiert wurden.

Grafik einer Weltkarte, in die folgenden Länder gelb eingefärbt und benannt sind: Kanada, USA, Norwegen, Belgien, Niederlande, Frankreich, Schweiz, Schweden, Finnland, Großbritannien, Deutschland, Österreich, Ägypten, Türkei, Iran, Dubai, Saudi Arabien, Kasachstan, Russland, Japan, Australien und Neuseeland

Die Grafik zeigt die Aufenthaltslänger der 400 Uigur_innen, Kasach_innen und Angehörigen anderer ethnischer Gruppen, die Amnesty interviewt hat

 

In der ausländischen Diaspora lebende Uigur_innen sprechen allgemein nur sehr ungern über inhaftierte oder vermisste Angehörige in Xinjiang, da sie mögliche Vergeltungsmaßnahmen gegen sich selbst oder andere Angehörige in Xinjiang befürchten. Etwa zwei Drittel der Personen, mit denen Amnesty gesprochen hat, baten aus Angst vor Repressalien durch die Behörden darum, anonym zu bleiben. 

Mehrere im Ausland lebende uigurische Befragte erzählten, dass die lokalen Behörden in Xinjiang ihre Angehörigen ins Visier genommen hätten, um die Aktivitäten der im Ausland lebenden uigurischen Gemeinschaften zu unterbinden. Einzelne Personen berichteten, dass ihnen mit der Inhaftierung von Familienmitgliedern gedroht wurde, wenn sie nicht nach Xinjiang zurückkehren würden. Andere erzählten, dass sie gewarnt wurden, ihre Familien nicht wiedersehen zu können – es sei denn, sie würden Informationen über andere Uigur_innen aus ihrer Gemeinde liefern. 

Dieses Vorgehen hat zur Folge, dass in diasporischen Gemeinschaften lebende Uigur_innen häufig in Angst leben. Sie wollen weder über die Lage in Xinjiang sprechen noch über das, was sie über die Gefangenenlager wissen oder von Angehörigen in Xinjiang erfahren haben – auch dann nicht, wenn der Kontakt zu ihren Angehörigen in der Heimat abgebrochen ist.

China schikaniert Uigur_innen weltweit per Messaging

Zeichnung einer Hand, die ein Smartphone hält, auf der ein Nachrichtenaustausch in der App WeChat zwischen der Polizei Xinjang und Yonus Tohti zu sehen ist

Yunus Tohti war Student in Ägypten, als die chinesische Polizei über WeChat Kontakt mit ihm aufnahm. Er wurde gefragt, wann er nach Xinjiang zurückkehren werde, und aufgefordert, persönliche Angaben zu machen und unter anderem eine Kopie seines Reisepasses zur Verfügung zu stellen. Aus Angst, in Ägypten nicht länger sicher zu sein, floh Yunus Tohti in die Türkei und reiste später in die Niederlande. Einige Monate darauf rief die Polizei in Xinjiang den Bruder von Yunus an, der in Ägypten geblieben war. Die Polizeiangehörigen teilten ihm mit, dass sie sich gerade bei seinen Eltern befänden und forderten ihn auf, nach Xinjiang zurückkehren. Yunus und sein Bruder nahmen den Anruf als eine implizite Bedrohung der Sicherheit ihrer Eltern wahr. Danach hat Yunus den Kontakt zu seinen Angehörigen in Xinjiang verloren und ist in Sorge, dass sie inhaftiert sein könnten oder ihnen noch Schlimmeres zugestoßen ist.

Ein in einer Hand gehaltenes Smartphone, auf dessen Display WhatsApp geöffnet ist

Erkin (Name geändert), ein in den Vereinigten Staaten lebender Uigure, berichtete, Angehörige der chinesischen Staatssicherheit hätten ihn sogar auf WhatsApp kontaktiert. WhatsApp wird nur von wenigen Chines_innen genutzt, weil es von der chinesischen Firewall blockiert wird. Erkin wurde per WhatsApp ein Video geschickt, in dem sein Vater ihn bat, mit der Staatssicherheit zu kooperieren; sie würden dann seinen Eltern ihre Reisepässe aushändigen und sie ebenfalls in die USA ausreisen lassen. Die Sicherheitskräfte versuchten, eine Beziehung zu ihm aufzubauen, indem sie sich als Freund_innen seines Vaters ausgaben, die regelmäßige Video-Chats mit seinen Angehörigen arrangieren könnten, wenn er mit ihnen kooperieren würde.

Auf Erkins Frage, was sie von ihm wollten, gingen die Sicherheitskräfte nicht weiter ein. Er antwortete nicht mehr, und sie hörten nach zwei Tagen auf, ihn zu kontaktieren. "Ich habe immer noch keine Informationen über meine Familie und meine Angehörigen", berichtete er Amnesty International am 30. August 2019.

Telefonische Einschüchterungsversuche, um an persönliche Daten zu gelangen

Eine Frau mit schmerzverzehrtem Gesicht, hält sich die Ohren zu. Im Hintergrund sind rot leuchtende Smartphones mit Anrufsymbolen auf den Displays zu sehen.

Gulruy Asqar ist Lehrerin und lebt in den Vereinigten Staaten.

Seit 2018 erhält Gulruy Asqar häufig Anrufe vom chinesischen Konsulat in Houston. In einer aufgezeichneten Nachricht wurde sie darüber informiert, dass sie mit einem Konsulatsmitarbeiter über ein wichtiges vorzulegendes Dokument sprechen müsse. Jedes Mal wurde sie von einer chinesischen Person am anderen Ende der Leitung nach ihrem Namen, ihrem Geburtsdatum und anderen persönlichen Angaben gefragt. Jedes Mal verweigerte Gulruy Asqar diese Angaben und legte auf.

Schließlich konfrontierte sie den Mann am anderen Ende der Leitung damit, dass sie US-Bürgerin sei und das Dokument sie nicht interessieren würde. Die Anrufe hörten auf, doch dann wurde sie von einer chinesischen Postzustellfirma angerufen. Sie bezweifelte, dass ihre Angehörigen ihr irgendetwas aus Xinjiang schicken würden, da sie viel zu viel Angst hätten, sie zu kontaktieren. Sie ging davon aus, dass diese Anrufe, die laut Gulruy in der uigurischen Diaspora "recht häufig" zu sein scheinen, nur ein weiterer Versuch waren, an ihre persönlichen Daten zu kommen.

Eine Frau hält ein Plakat mit dem Foto eines Mannes, auf dem "#Free Husenjan Asqar" steht

Gulruys Bruder Husenjan Asqar lebt in Xinjiang. Er ist ein bekannter Linguist und hat ein uigurisch-chinesisches Wörterbuch veröffentlicht. Anfang 2019 hörte Gulruy von Freund_innen, dass ihr Bruder Husenjan möglicherweise in Xinjiang inhaftiert wurde. Bisher konnte sie keine weiteren Informationen über seine Situation oder seinen Aufenthaltsort erlangen.

Portätfoto von Dilnur Enwer

Dilnur Enwer aus Montreal berichtete ebenfalls, dass sie seit ihrem Eintreffen in Kanada im Januar 2019 wiederholt von der chinesischen Botschaft und von unbekannten Personen angerufen wurde. Dilnur hat Asyl beantragt und sagt, dass sie Angst habe, ein "wichtiges" Dokument von der chinesischen Botschaft abzuholen, wie es ihr aufgetragen worden sei. Sie war von einem Familienmitglied, das möglicherweise einige Informationen von der Polizei in Xinjiang erhalten hatte, gewarnt worden, dass die Botschaft sie "fassen" und zurück nach Xinjiang schicken würde, wenn sie nicht freiwillig zurückkäme. Mittlerweile hat sie mit ihren Angehörigen in Xinjiang keinen Kontakt mehr. Aus Angst um ihre eigene Sicherheit und die Sicherheit ihrer anderen Angehörigen in Xinjiang wagt Dilnur es nicht, von der Inhaftierung ihrer Eltern im April 2017 zu sprechen.

Uigurische Aktivist_innen sollen zum Schweigen gebracht werden

Auf einem Platz hält ein Mann in blauer Weste ein Schild, auf dem "To all human rights defenders please help us stop China's genocide of Uyghurs in East Turkestan" steht

Abdurehim Gheni, ein bekannter uigurischer Aktivist, der in den Niederlanden lebt, erzählte, dass er regelmäßig von unbekannten, chinesisch aussehenden Personen verfolgt und eingeschüchtert werde. Abdurehim sagte, er sei bei den friedlichen Ein-Mann-Demonstrationen, die er seit Juni 2018 wöchentlich am Dam-Platz in Amsterdam veranstaltet habe, fotografiert und bedroht worden. 

Bei einer dieser Demonstrationen im Oktober 2018 seien drei chinesische Männer und eine Frau vor Ort aufgetaucht und hätten begonnen, den Leuten in der Nähe zuzurufen, dass Abdurehim Gheni "falsche Informationen verbreite" und "den Tod verdiene", weil er "Chinas Ruf schädigen" würde. Sie sollen ihn gewarnt haben, dass er "bald vernichtet sein" würde, sollte er die Demonstrationen fortsetzen. Er wurde auch telefonisch mit dem Tod bedroht.

Auch wenn nicht klar ist, ob die Gruppe im Namen der chinesischen Behörden handelte, haben diese Drohungen Abdurehim dazu gebracht, die niederländische Polizei um Hilfe zu bitten. Diese stellte daraufhin ein Polizeifahrzeug in der Nähe des Demonstrationsortes ab und nannte ihm eine direkte Kontaktnummer, die er anrufen konnte, falls er sich in Gefahr fühlte.

Eine Frau steht vor dem Kapitol in Washington auf einer Wiese und hält ein Plakat mit dem Foto einer Frau, auf dem "Where is my sister? She was a doctor, no need for vocational Training"

Rushan Abbas berichtete Amnesty, dass ihr Leben auf den Kopf gestellt wurde, nachdem ihre Schwester Gulshan im September 2018 in Xinjiang entführt wurde. "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht über diese entsetzliche Gräueltat spreche", sagte Rushan Abbas. Sie ist uigurische Aktivistin in den Vereinigten Staaten und auch Geschäftsführerin der gemeinnützigen Interessenvertretung Campaign for Uyghurs, die ihren Sitz in den USA hat. 

Rushan Abbas glaubt, dass die Entführung ihrer Schwester, einer Ärztin im Ruhestand, nur wenige Tage nach einer Rede von Rushan Abbas über die Masseninhaftierung von Uigur_innen in Xinjiang erfolgte. "Mit dieser Taktik will Peking mich zum Schweigen bringen und meinem legalen Aktivismus in den USA ein Ende setzen", sagte sie.

Seitdem wird Rushan Abbas von offiziellen chinesischen Medien wie der Global Times angegriffen. Diese bezeichnete sie als "Separatistin" und warf ihr vor, Gerüchte über die Inhaftierung von Uigur_innen in Xinjiang zu verbreiten.

Rekrutierung von Informant_innen sorgt für Klima des Misstrauens

Illustration von einer Frau, die in einer Menschenmenge nervös um sich blickt, drei umstehende Menschen sind rot eingefärbt und haben den Blick auf sie gerichtet

Chinesische Sicherheitsbeamt_innen bemühen sich außerdem, Informant_innen zu rekrutieren, um andere Angehörige der uigurischer Gemeinschaften im Ausland auszuspionieren. Die Unwissenheit, wer von ihnen den chinesischen Behörden möglicherweise Bericht erstattet, fördert Misstrauen und Argwohn, die das Gefühl der Isolation und Angst weiter verschlimmern. Die Allgegenwärtigkeit dieser Gefühle trägt zu einer verstärkten Verzweiflung und Depression in den Diasporagemeinschaften bei.

Porträtfoto von Ismayil Osman in einem Garten

Ismayil Osman, ein derzeit in den Niederlanden lebender uigurischer Fabrikarbeiter, sagte dazu: "Die chinesische Polizei fragte meinen Bruder [in Xinjiang] nach meiner Telefonnummer. Im November 2014 trat [die chinesische Polizei] an meinen Bruder heran und zwang ihn, mich anzurufen. Sie übernahmen das Telefonat und sagten mir, dass ich Informationen über andere Uigur_innen in den Niederlanden liefern [spionieren] müsse. Sonst würden sie meinen Bruder mitnehmen."

Foto einer Hand, die ein Smartphone hält, auf dem 12:00 angezeigt wird

Der ebenfalls in den Niederlanden lebende Musajan (Name geändert) berichtete, dass er von einem ehemaligen Mitschüler über WeChat kontaktiert wurde, der jetzt für die chinesische Sicherheitspolizei arbeitet. Der Mann forderte ihn auf, Informationen zu anderen in den Niederlanden lebenden Uigur_innen zu sammeln und ihm zukommen zu lassen. Musajan sagte, dass er die Anfrage so einschüchternd fand, dass er WeChat von seinem Mobiltelefon entfernt habe.

Staaten müssen Uigur_innen vor drohender Abschiebung schützen

Uigur_innen haben Angst davor, dass die chinesischen Behörden so viel über ihren Aufenthaltsort im Ausland wissen. Das liegt unter anderem auch daran, dass andere Regierungen von China unter Druck gesetzt wurden, Uigur_innen, die China verlassen haben, zurückzuschicken. Beispielsweise hat Thailand 2015 mehr als 100 Uigur_innen, die Zuflucht im Land gesucht hatten, nach China abgeschoben. Ägypten hat 2017 auf Geheiß der chinesischen Behörden 16 Studierende abgeschoben, darunter Yiliyasijiang Reheman. Im Ausland lebende chinesische Uigur_innen befürchten, im Falle einer Abschiebung unweigerlich in den "Umerziehungslagern" von Xinjiang inhaftiert zu werden. Uigur_innen, die auf ihren Asylbescheid warten, bereitet die Angst vor einer Abschiebung enormen Stress und große Sorge, vor allem, wenn sie zusätzlich befürchten müssen, von anderen in ihren Gemeinschaften bespitzelt zu werden.

Die diplomatischen Vertretungen Chinas teilten im Ausland lebenden Uighur_innen mit, dass sie ihre chinesischen Reisepässe nur erneuern können, wenn sie nach Xinjiang zurückkehren. Dadurch verstärken sich ihre Befürchtungen und das nicht unbegründet. Laut einem der kürzlich an die Öffentlichkeit gelangten Dokumente, dem "Bulletin No. 2", unterziehen chinesische Botschaften und Konsulate Uigur_innen und andere überwiegend muslimische ethnische Gruppen einer individuellen Überprüfung, wenn sie eine Verlängerung ihres chinesischen Reisepasses oder ein Visum für die Rückkehr nach China beantragen. Ihre Angaben werden von den Behörden in Xinjiang anhand einer "integrierten Plattform" aus Daten überprüft, die durch eine umfassende Massenüberwachung gewonnen wurden. Sollten die Behörden bei dieser Überprüfung zu dem Schluss kommen, dass "ein Terrorismusverdacht nicht ausgeräumt werden kann", werden die betreffenden Personen höchstwahrscheinlich festgenommen oder zur "Umerziehung" geschickt.

Alle Staaten sind völkerrechtlich dem Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) verpflichtet: Sie müssen dafür sorgen, dass Personen weder direkt noch indirekt in ein Land abgeschoben werden, in dem sie einem ernstzunehmenden Risiko schwerer Menschenrechtsverletzungen oder -verstöße ausgesetzt sind.

Deutschland und Schweden haben sich 2018 offiziell verpflichtet, keine Uigur_innen oder Angehörige anderer vorwiegend muslimischer ethnischer Gruppen aus Xinjiang nach China abzuschieben. 

Ein Mann hält ein großes Plakat mit Fotos von mehreren Personen, auf dem "I ask the Chinese government: My parents and relatives! Are they alive or dead? In prison or in concentration camps? Please God, help me to save my family, make our sorrows and voice to be heard by the people of peace and love around the world." steht

Der in den Niederlanden lebende uigurische Aktivist Abdurehim Gheni 

Eine Entschließung des Europäischen Parlaments (2019/2945[RSP]) zu der Lage der Uigur_innen in China wurde am 19. Dezember 2019 mit überwältigender Mehrheit verabschiedet. Das Europäische Parlament äußerte tiefe Besorgnis angesichts der Berichte über die Schikanierung im Ausland lebender Uigur_innen durch die chinesischen Behörden. In der Entschließung wird die EU aufgefordert, ihre Bemühungen zu verstärken, um uigurische Einwohner_innen und EU-Bürger_innen in den EU-Mitgliedstaaten vor Schikanierung und Einschüchterungen durch die chinesischen Behörden zu schützen. Außerdem werden die chinesischen Behörden aufgefordert, dem anhaltenden harten Vorgehen ein Ende zu setzen.

Auch in den USA wird die Einschüchterung von Uigur_innen und chinesischen Staatsbürger_innen durch die chinesische Regierung mit Sorge betrachtet. Am 3. Dezember 2019 wurde ein Gesetz über die Menschenrechte der Uigur_innen (UIGHUR Act) im US-Repräsentantenhaus mit 407 zu 1 Stimmen verabschiedet. Das Gesetz enthält auch die Situation der Uiguri_innen und chinesischen Staatsbürger_innen in den USA.

Wichtig ist nun, dass alle Länder, die Menschen aus der uigurischen Diaspora aufnehmen, Maßnahmen ergreifen, um diese vor einer drohenden Abschiebung nach China zu schützen. Denn dort besteht die Gefahr, dass sie in ein Internierungslager in Xinjiang geschickt werden.

 

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