DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Artikel 15: Recht auf Staatsangehörigkeit
Wurden von Myanmars Militär systematisch vertrieben: Rohingya-Flüchtlinge bei der Überquerung des Flusses Naf an der Grenze zwischen Myanmar und Bangladesch im September 2017.
© Adam Dean/Panos
1. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Staatsangehörigkeit.
2. Niemandem darf die eigene Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen noch das Recht versagt werden, die Staatsangehörigkeit zu wechseln.*
Rohingya bereits seit Jahrzehnten systematisch diskriminiert und ausgegrenzt
Ein Amnesty-Bericht zeigt: Die Rohingya in Myanmar werden von den staatlichen Behörden seit Jahrzehnten aufgrund ihrer ethnischen Herkunft systematisch diskriminiert und ausgegrenzt. Dieses Vorgehen entspricht der Definition von Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die EU muss bei dem Außenministertreffen in Myanmar ein Ende der Diskriminierung und der Gewalt fordern.
Die anhaltende Krise in Myanmar, die im Sommer 2017 in ethnischen Säuberungen durch Myanmars Militär gipfelte und knapp 620.000 Menschen zur Flucht nach Bangladesch drängte, ist das Ergebnis jahrzehntelanger systematischer Diskriminierung und Ausgrenzung der Rohingya. Das zeigt der Amnesty-Bericht "'Caged without a roof’: Apartheid in Myanmar’s Rakhine State": Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden in Myanmar über 200 Interviews geführt. Außerdem wurden relevante Gesetze, Verordnungen und Berichte sowie Fotos und Videomaterial ausgewertet.
"Die Rohingya in Myanmar werden in allen Teilen ihres Lebens unterdrückt und zu Menschen zweiter Klasse gemacht. Myanmars Machthaber haben über drei Jahrzehnte ein System der institutionalisierten Diskriminierung und Segregation geschaffen, das es Angehörigen der Rohingya verbietet, sich frei zu bewegen und ihnen den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung verwehrt", sagt Anika Becher, Asien-Expertin bei Amnesty International in Deutschland.
Die meisten Rohingya sind staatenlos, da ein Gesetz ihnen seit 1982 aufgrund ihrer Ethnie die Staatsbürgerschaft verwehrt. Dies führt dazu, dass Angehörige der Rohingya zahlreiche weitere Grundrechte gar nicht oder nicht umfassend wahrnehmen können.
Aus Myanmar geflüchtete Rohingya auf einer Straße in der Nähe von Teknaf in Bangladesch im September 2017
© Amnesty International, Foto: Andrew Stanbridge
Der Bericht zeigt, dass Repressionen gegen die mehrheitlich muslimischen Rohingya seit 2012 drastisch zugenommen haben. "Der Bundesstaat Rakhine ist für die dort lebenden Rohingya wie ein Gefängnis unter freiem Himmel. Sie leben zusammengepfercht und von der Außenwelt abgeschnitten. Teilweise dürfen Rohingya ihren Wohnort nur mit Genehmigung verlassen oder ausschließlich andere muslimische Dörfer aufsuchen. Zum Teil sind ganze Straßen für sie gesperrt", sagt Becher.
"Auch von der Gesundheitsversorgung und dem Bildungssystem sind die Rohingya ausgeschlossen. Aufgrund der Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit können sie lokale Krankenhäuser oft nicht erreichen. Das beste Krankenhaus in Rakhine dürfen Rohingya nur in extremen Notfällen betreten. Sie werden dort in separaten Bereichen für Muslime behandelt und polizeilich bewacht. Seit 2012 dürfen viele Kinder zudem keine öffentlichen staatlichen Schulen besuchen. In den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Gebieten gibt es zu wenig Lehrer", so Becher weiter. "Auch von Handelsrouten und Märkten werden Rohingya ausgeschlossen und sind kaum noch in der Lage, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen – Unterernährung und ein Leben in Armut sind für sie zur Norm geworden."
"Das systematische Vorgehen von Myanmars Behörden gegen die Rohingya entspricht in allen Punkten der juristischen Definition von Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit", so Becher. "Myanmars Behörden müssen das System der Apartheid beenden, alle Gesetze aufheben, mit denen die Rohingya unterdrückt werden und Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen. Hilfsorganisationen müssen Zugang zu allen Gebieten im Bundesstaat Rakhine bekommen." Hinsichtlich der Außenministertagung des Asien-Europa-Treffens in Myanmar, die am Dienstag zu Ende geht, sagt Becher: "Die Vertreter der Europäischen Union müssen bei dem Treffen ein sofortiges Ende der Verbrechen gegen die Menschlichkeit fordern und klar zeigen, dass diese nicht folgenlos bleiben, indem sie gezielte finanzielle Sanktionen gegen Verantwortliche verhängen."
"Apartheid" wird in der Internationalen Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid und dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert. Dies umfasst eine Reihe von Handlungen, "die von einer [ethnischen] Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer anderer [ethnischer] Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten" (Römisches Statut, Artikel 7 (2) h)).
Spezifische Handlungen, die in diesem Kontext unter die Definition von Apartheid fallen und entsprechend verboten sind, reichen von Gewalttaten wie Mord, Vergewaltigung und Folter bis hin zu Gesetzen, Verwaltungshandeln und sonstigen Maßnahmen, "die geeignet sind, einer [ethnischen] Gruppe die Teilhabe am politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben des Landes zu verwehren" und ihnen "grundlegende Menschenrechte und Freiheiten" zu verweigern (Anti-Apartheid-Konvention, Artikel 2 (iii) c)). Ein eindeutiges Beispiel für gesetzgeberische und gewaltsame Maßnahmen seitens der Behörden im myanmarischen Bundesstaat Rakhine ist die erhebliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Rohingya, die als "schwerwiegende Beraubung der körperlichen Freiheit" gemäß dem Römischen Statut eingestuft werden kann.
Dieser Text wurde zunächst am 21. November 2017 auf www.amnesty.de veröffentlicht.
*Amnesty verwendet eine diskriminierungssensibel überarbeitete deutsche Übersetzung der Allgemeinen Erklärung. Den gesamten Text findest du hier.