Pressemitteilung Aktuell 08. Dezember 2020

Ältere Menschen leiden besonders unter Konflikt mit Boko Haram

Eine ältere Frau und ein Mädchen sitzen auf einem Teppich im Sand. Hinter ihnen sind Wellblechwände zu sehen.

Binnenvertriebene in einem Flüchtlingscamp in Borno im Nordosten Nigeria, die sich vor Kämpfern der islamistischen Miliz Boko Haram in Sicherheit gebracht haben (Oktober 2020)

Im Norden Nigerias begehen Boko Haram und das nigerianische Militär Gräueltaten und Kriegsverbrechen gegen ältere Menschen, für die niemand zur Rechenschaft gezogen wird. Zu diesen Ergebnissen kommt Amnesty International im Bericht "My heart is in pain: Older people’s experience of conflict, displacement, and detention in Northeast Nigeria"

"Beide Konfliktparteien begehen Kriegsverbrechen und hoffen, dass diese niemand bemerkt, weil ältere Menschen bislang innerhalb des Konflikts nicht beachtet wurden. Die nigerianische Regierung muss ältere Menschen anhören und in humanitäre Strategien einbeziehen. Die rechtswidrige unmenschliche Praxis der Inhaftierung ist beschämend und muss unverzüglich beendet werden", so Franziska Ulm-Düsterhöft, Afrikareferentin bei Amnesty International in Deutschland. 

Ältere Menschen schaffen es oftmals nicht, vor Boko Haram zu fliehen. Sie werden auf brutale Weise erniedrigt, gefoltert und getötet. Boko Haram zwingt Eltern und Großeltern zudem, bei der Tötung eigener Kinder und Enkelkinder zuzuschauen. Durch Diebstahl und Zerstörung von Feldern verhungern viele ältere Menschen.

Überbelegung, permanenter Mangel an Wasser und Nahrung sowie Parasitenbefall sorgen für unmenschliche Bedingung und eine absolute Entwürdigung älterer Menschen unter Aufsicht des nigerianischen Militärs.

Franziska
Ulm-Düsterhöft
Afrikareferentin bei Amnesty International in Deutschland

Anderseits sterben ältere Menschen aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität durch Kugeln des nigerianischen Militärs, das im Kampf gegen Boko Haram häufig willkürlich das Feuer eröffnet. Mehrere ältere Personen sind zudem in ihren Häusern lebendig verbrannt, nachdem das Militär Häuser vermuteter Anhängerinnen und Anhänger von Boko Haram in Brand setzte. Bei den willkürlichen Verhaftungen mutmaßlicher Boko-Haram-Angehöriger werden auch ältere Menschen inhaftiert und häufig in die berüchtigte Militärkaserne Giwa Barracks verbracht. 

"Überbelegung, permanenter Mangel an Wasser und Nahrung sowie Parasitenbefall sorgen für unmenschliche Bedingung und eine absolute Entwürdigung älterer Menschen unter Aufsicht des nigerianischen Militärs. Durch fehlende Sanitärversorgung sind ältere Menschen beispielsweise häufig gezwungen, auf sich selbst zu urinieren. Diese Zustände sind unhaltbar und führen zu hunderten Toten", so Ulm-Düsterhöft.

Hintergrund

Bezogen auf den Nordosten Nigerias bezeichnet Amnesty International Menschen über 50 Jahre als ältere Personen. Für diesen Bericht sprach Amnesty International mit 62 älteren Frauen und 71 älteren Männern, die vom Konflikt mit Boko Haram betroffen sind. Amnesty International schätzt, dass seit dem Jahr 2011 über 10.000 Menschen in Militärgewahrsam gestorben sind. Es ist davon auszugehen, dass 15 bis 25 Prozent von ihnen ältere Männer sind, obwohl sie nur 4 Prozent der Gesamtbevölkerung im Nordosten Nigerias ausmachen.

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