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Völkermord an OvaHerero & Nama in Namibia: Deutschlands unbewältigtes koloniales Erbe
Eine Gedenkstatue in Erinnerung an den Völkermord an den Ovaherero und Nama vor dem Unabhängigkeitsmuseum in der namibischen Hauptstadt Windhoek (26. März 2019).
© Christian Ender/Getty Images
Anfang des 20. Jahrhunderts verübten deutsche Kolonialtruppen im heutigen Namibia einen Völkermord an den OvaHerero und Nama. Mehr als ein Jahrhundert später sind die Verbrechen nicht aufgearbeitet. Die Nachfahren kämpfen weiterhin um Anerkennung, Gerechtigkeit und eine angemessene Entschädigung.
Am 2. Oktober 1904 erteilte General Lothar von Trotha der deutschen Kolonialmacht einen Vernichtungsbefehl gegen das indigene Volk der OvaHerero im heutigen Namibia. Sechs Monate danach, am 22. April 1905, ordnete er auch die völlige Vernichtung der indigenen Nama an. Mehr als ein Jahrhundert später hallt das Erbe des deutschen kolonialen Völkermords an den OvaHerero und Nama weiterhin nach und beeinträchtigt die Menschenrechte der Nachkommen.
Trotz jahrzehntelanger Forderungen der OvaHerero und der Nama nach Wiedergutmachung und Gerechtigkeit kommt Deutschland bis heute nicht seiner internationalen Verpflichtung nach, die Folgen seiner kolonialen Verbrechen anzuerkennen und die Nachkommen der Opfer umfassend und wirkungsvoll zu entschädigen sowie an den Gesprächen mit der namibischen Regierung oder über den Umgang mit dem Völkermord angemessen zu beteiligen.
Der Völkermord an OvaHerero und Nama: Ein historischer Überblick
Von 1904 bis 1908 verübten Streitkräfte der deutschen Kolonialmacht in Namibia einen Völkermord an den OvaHerero und Nama, indem sie den Widerstand der indigenen Bevölkerung gegen Landenteignungen mit militärischer Gewalt beantworteten. Männer, Frauen und Kinder der OvaHerero und Nama wurden von deutschen Truppen systematisch hingerichtet und viele in die Omaheke-Wüste gedrängt, wo Tausende verdursteten und verhungerten. In dieser Zeit wurden schätzungsweise 80 Prozent der OvaHerero und 50 Prozent der Nama getötet.
Jene, die die Massaker überlebten, wurden in todbringenden Konzentrationslagern inhaftiert, welche die deutsche Kolonialverwaltung in ganz Namibia hatte einrichten lassen. Aufgrund der unmenschlichen Bedingungen und der Folter und brutalen Zwangsarbeit, der die Menschen in diesen Konzentrationslagern ausgesetzt waren, starben Tausende an Krankheiten, Unterernährung und Erschöpfung. Frauen und Mädchen wurden zudem systematisch vergewaltigt und anderen Formen sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Die Schädel von Nama und OvaHerero, die in den Lagern gestorben waren, wurden an deutsche Universitäten und Museen geschickt, wo sie zu rassistischen und pseudowissenschaftlichen Forschungszwecken eingesetzt wurden und wo sich viele von ihnen auch heute noch befinden.
Das Erbe des Völkermords der deutschen Kolonialmacht wirkt in Namibia bis heute nach und beeinflusst auch weiterhin das historische Gedächtnis, die Identität und die politischen und sozioökonomischen Bedingungen, unter denen die Nama und OvaHerero heute leben.
"Die OvaHerero und Nama sind heutzutage in Namibia immer noch Minderheiten. Unsere geringe Zahl ist eine Konsequenz des damaligen Völkermords, und dies beeinträchtigt unser Leben auch heute noch", sagt Jephta Nguherimo, ein namibischer Aktivist und Gründer der OvaHerero People's Memorial & Reconstruction Foundation (OPMRF). "Wir haben nur wenig politischen Einfluss und kaum die Möglichkeit, die Richtung des Landes an den Wahlurnen mitzubestimmen. Daher zeigt sich die namibische Regierung auch gleichgültig gegenüber unserer Forderung, dass wir selbst an den Verhandlungen über uns teilnehmen möchten."
Im Zuge des Völkermords wurden die Nama und OvaHerero von ihrem angestammten Land vertrieben und ihres Kulturerbes beraubt, was über Generationen hinweg bleibende Schäden verursacht hat. Im Jahr 2023 stellten Sonderberichterstatter*innen der Vereinten Nationen fest, dass "viele OvaHerero und Nama seit Generationen dazu verdammt sind, in institutionalisierter Armut zu leben, da sie ihres ertragreichen Weidelands beraubt wurden, das die wirtschaftliche Grundlage ihrer Existenz bildete und einen Großteil ihres kulturellen Erbes verloren haben".
Langfristige Folgen: Wie der Genozid bis heute nachwirkt
Die OvaHerero und Nama haben bis heute keinen freien Zutritt allen Ländereien und heiligen Stätten, die ihnen von der deutschen Kolonialverwaltung weggenommen worden waren. So auch die ehemalige Nama-Siedlung ||Nâ‡gâs (heute bekannt als Hornkranz), wo 1893 unzählige Angehörige der |Khowesin-Nama (Witbooi-Nama) von deutschen Truppen brutal ermordet wurden. Die Siedlung ist heute Privateigentum und die Nachkommen der Opfer des Hornkranz-Massakers benötigen die Erlaubnis des Landeigentümers, um ihr angestammtes Land zu betreten und ihrer Vorfahren zu gedenken.
Indigene Völker sind in Namibia auch heute noch mit kolonialen Mustern konfrontiert: Wieder droht ihnen Enteignung, diesmal im Zusammenhang mit der Förderung natürlicher Ressourcen und dem Übergang zu erneuerbaren Energien. Im Jahr 2024 brachte der UN-Menschenrechtsausschuss seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass die indigenen Völker in Namibia nur unzureichend in die Frage über den Abbau natürlicher Ressourcen auf ihrem Land eingebunden würden und daher ihr Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung eingeschränkt werde.
Ein solches Beispiel ist ein geplantes Großprojekt zur Erzeugung erneuerbarer Energie auf dem Land der Nama im Nationalpark Tsau ||Khaeb. Britische und deutsche Unternehmen haben sich zusammengeschlossen, um grünen Wasserstoff für den Export nach Europa zu produzieren. In einer Eingabe an den UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte machen Sprecher*innen und Unterstützer*inn en der Nama sowie die Organisationen European Center for Constitutional and Human Rights, Forensic Architecture, Minority Rights Group und Gesellschaft für bedrohte Völker geltend, dass die Nama nicht angemessen in die Projektentwicklung eingebunden wurden, wodurch ihre Rechte auf Selbstbestimmung und auf freie, vorherige und informierte Zustimmung verletzt wurden.
Der Kampf um Anerkennung und Wiedergutmachung
Seit Jahrzehnten kämpfen die OvaHerero und Nama darum, dass Deutschland Wiedergutmachung leistet für das koloniale Unrecht, das ihren Vorfahren angetan wurde.
"Wir, die Nama Gaogu, werden weiterhin für Entschädigung und Gerechtigkeit kämpfen. Wie es der ehemalige Vorsitzende der Nama Traditional Leaders Association (NTLA), Gaob PSM Kooper, wortgewandt ausdrückte: 'Wir kämpfen bis zum Tod'", so die NTLA.
Vertreter*innen der Nama und OvaHerero fordern zudem den Erhalt der Grabstätten ihrer während des Völkermords getöteten Vorfahren. Derartige Grabstätten gibt es in ganz Namibia, insbesondere aber in der Umgebung der ehemaligen Konzentrationslager in Swakopmund, Lüderitz und auf der Haifischinsel. Die Stätten drohen zu verschwinden, da sie nicht instandgehalten und zunehmend als Bauflächen vereinnahmt werden.
Die Haifischinsel, wo sich einst das tödlichste Konzentrationslager des ehemaligen "Deutsch-Südwestafrika" befand, wurde in einen touristischen Zeltplatz umgewandelt, der bis Mitte 2025 in Betrieb war. Kaum etwas erinnerte an die Gräueltaten, die dort begangen wurden, noch wurde der tiefen Bedeutung des Ortes für die Nachfahren der dort getöteten Nama und OvaHerero Rechnung getragen. Darüber hinaus ergaben Recherchen, die Forensic Architecture gemeinsam mit führenden Vertreter*innen der OvaHerero und Nama vorgenommen hatte, dass die Pläne für eine Erweiterung des Hafens von Lüderitz weiter zur "Schändung und Ausradierung" der Insel beitragen könnten, da sie einen Ort von einmaliger historischer Bedeutung zerstören und die nicht markierten Grabstätten, in denen Tausende Angehörige der OvaHerero und Nama bestattet sind, verwüsten könnten.
Mitglieder der Herero- und Nama-Gemeinschaften versammeln sich am 30. März 2019 am Völkermord-Mahnmal in Swakopmund, Namibia, um die Opfer der deutschen Kolonialverbrechen zu ehren und Wiedergutmachung zu fordern.
© 2019 Christian Ender/Getty
Die Nama und OvaHerero fordern überdies, dass ihnen die sterblichen Überreste ihrer während des Völkermords getöteten Vorfahren übergeben werden und dass die gestohlenen Artefakte, die sich nach wie vor in deutschen Museen und Universitäten befinden, nach Namibia zurückgebracht werden.
Ein unzulängliches "Versöhnungsabkommen"
Im Jahr 2021 einigten sich die Regierungen von Namibia und Deutschland nach sechsjährigen Verhandlungen auf eine Gemeinsame Erklärung, in der die Bundesregierung anerkennt, "dass die in Phasen des Kolonialkrieges verübten abscheulichen Gräueltaten in Ereignissen gipfelten, die aus heutiger Perspektive als Völkermord bezeichnet würden."
Zwar hat sich Deutschland nun bereit erklärt, über einen Zeitraum von 30 Jahren etwa 1,1 Mrd. Euro für "Programme für Wiederaufbau und Entwicklung" an die namibische Regierung zu zahlen. Allerdings weist die deutsche Regierung eine rechtliche Entschädigungspflicht gegenüber den OvaHerero und Nama weiterhin von sich. In der Gemeinsamen Erklärung finden sich keine Verweise auf "Entschädigungen". Die deutschen Behörden machen geltend, dass "das heute geltende Verbot des Völkermords unter dem Völkerrecht 1904-1908 nicht existierte" und dass daher "keine völkerrechtliche Verbindlichkeit besteht, da die auf diese Verbrechen anwendbaren Rechtsinstrumente erst später geschaffen wurden."
Sprecher*innen der OvaHerero und Nama haben die Gemeinsame Erklärung mit Nachdruck abgelehnt, da sie an den Verhandlungen mit der deutschen Regierung nicht umfassend, wirksam und bedeutungsvoll teilnehmen konnten. Der UN-Ausschuss für die Beseitigung von rassistischer Diskriminierung und die UN-Sonderberichterstatterin über zeitgenössische Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, der Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz haben sich dieser Kritik angeschlossen und bekräftigt, dass die OvaHerero und Nama an diesem Prozess beteiligt werden müssen.
Die OvaHerero und Nama kritisieren zudem, dass Deutschland jede rechtliche Pflicht zur Entschädigung der Nachfahren der Opfer zurückweist und dass die gemeinsame Erklärung bilaterale Entwicklungszusammenarbeit vorsieht anstelle von Entschädigungen. Entwicklungszusammenarbeit ist kein Ersatz für umfassende, unverzügliche und wirksame Wiedergutmachung, wie sie gemäß internationaler Menschenrechtsnormen nötig wäre. Im Gegenteil: Wenn ehemalige Kolonialmächte mittels Entwicklungszusammenarbeit die Bedingungen für die Bereitstellung von Unterstützung an ehemalige Kolonien festlegen, besteht die Gefahr, dass das koloniale Erbe und die kolonialen Hierarchien aufrechterhalten und verstärkt werden, anstatt dieses Muster zu durchbrechen.
Im Jahr 2023 zogen Vertreter*innen der OvaHerero Traditional Authority (OTA), der NTLA und des Landless People's Movement vor den Oberen Gerichtshof in Namibia, um zu erreichen, dass die Gemeinsame Erklärung für rechtswidrig erklärt und ausgesetzt wird, da sie ihrer Ansicht nach gegen die namibische Verfassung und das Völkerrecht verstößt.
"Bei der Unrechtsaufarbeitung hat eine Entschädigung die Funktion, von Anfang an den Opfern direkt zugute zu kommen. Damit eine Maßnahme als Entschädigung gilt, muss sie mit der Anerkennung der Verantwortung einhergehen und darauf abzielen, den von den Opfern erlittenen Schaden wiedergutzumachen. Darüber hinaus muss die Maßnahme eine konkrete Verbindung mit Wahrheit, Gerechtigkeit und Garantien der Nichtwiederholung aufweisen", erklärte Patrick Kauta, einer der Rechtsbeistände für die Beschwerdeführer*innen.
In dieser Woche wird der Obere Gerichtshof von Namibia die Argumente der Beschwerdeführer*innen zu der Frage anhören, warum die Bundesrepublik Deutschland dem Verfahren als Beklagte hinzugefügt werden sollte.
Rechenschaftspflicht sicherstellen
Staaten, die an kolonialen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren, sind gemäß internationaler Menschenrechtsnormen verpflichtet, Wiedergutmachung zu leisten. Deutschland muss seine rechtliche Verantwortung für den Völkermord und andere koloniale Grausamkeiten in Namibia vollständig anerkennen und die Nachkommen der Opfer umgehend umfassend und wirkungsvoll entschädigen.
Die Opfer und betroffenen Gemeinschaften sollten im Mittelpunkt aller Prozesse zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes stehen. Wie der UN-Sonderberichterstatter zur Förderung von Wahrheit, Gerechtigkeit, Rehabilitierung und Garantie der Nichtwiederholung betont hat, ist es "nicht möglich, die gewaltsame Vergangenheit auf wirklich gerechte Weise aufzuarbeiten, wenn die betroffenen Gemeinschaften sich nicht einbezogen fühlen und nicht Teil des Verhandlungsprozesses sind. Sie auszuschließen kommt einer erneuten Viktimisierung gleich."
Namibia und Deutschland sind unter dem Völkerrecht verpflichtet, aktiv dafür zu sorgen, dass die Vertreter*innen der betroffenen Gemeinschaften bei den Entschädigungsprozessen wirkungsvoll eingebunden und konsultiert werden. Als indigene Völker haben die OvaHerero und die Nama auch das Recht, vor der Verabschiedung und Umsetzung von gesetzlichen, verwaltungstechnischen oder anderen Maßnahmen, die ihre Rechte berühren könnten, in Kenntnis gesetzt zu werden und durch ihre eigenen Vertreter*innen ihre freie und informierte Zustimmung zu geben.
Empfehlungen von Amnesty International:
- Deutschland und Namibia sollten gewährleisten, dass die OvaHerero und Nama an allen Entschädigungsprozessen bzw. -mechanismen für vergangenes koloniales Unrecht und daraus entstandene Folgen umfassend, wirksam und bedeutungsvoll beteiligt werden. Hierzu gehört auch, dass sie bei den Verhandlungen über die Ausarbeitung der Entschädigungsmaßnahmen sinnvoll eingebunden werden und dass die Wirksamkeit ihrer Beteiligung überprüft wird.
- Deutschland muss vergangene und gegenwärtige Schäden in vollem Umfang anerkennen und sich uneingeschränkt zu seiner Verantwortung für begangenes Unrecht bekennen. Maßnahmen zur Wiedergutmachung wie z. B. Entschuldigungen, die nicht die volle Verantwortung für begangenes Unrecht einräumen, stellen keine umfassende oder wirksame Wiedergutmachung dar.
- Entschädigungsprozesse sollten koloniale Muster, Machtasymmetrien und strukturelle Ungleichheiten zwischen oder innerhalb von Staaten nicht noch verstärken oder zementieren. Aus diesem Grund ist humanitäre Hilfe bzw. Entwicklungszusammenarbeit keine umfassende und wirksame Entschädigung, da diese Art von Unterstützung die kolonialen Muster häufig fortschreibt, anstatt sie zu berichtigen.
- Teil von Entschädigungsprozessen sollte die Anpassung rechtlicher, institutioneller und kultureller Standards, Strukturen und Prozesse sein, die Diskriminierung, Ungleichheit und die Ausgrenzung der OvaHerero und der Nama verstärken oder zementieren.
Hintergrund
Von 1884 bis 1915 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im heutigen Namibia. In dieser Zeit wurden die indigenen Völker in Namibia, darunter die OvaHerero, Nama, SOvaHereromara (ǂNūkhoen) von der deutschen Kolonialverwaltung und deutschen Siedler*innen von ihrem angestammten Land vertrieben.
Um sich gegen die Vertreibung von ihrem Land und den Diebstahl ihres Viehs zu wehren, begannen die OvaHerero und Nama im Jahr 1904, Widerstand gegen die Kolonialmacht Deutschland zu leisten. Von 1904 bis 1908 schlugen deutsche Truppen diese Aufstände brutal nieder. Dies gipfelte in dem, was von der UN-Arbeitsgruppe von Sachverständigen für Menschen afrikanischer Abstammung und von anderen Expert*innen mittlerweile als "der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts" bezeichnet wird.
Am 2. Oktober 1904 erließ Generalleutnant Lothar von Trotha einen Vernichtungsbefehl gegen die OvaHerero. Sechs Monate später, am 22. April 1905, ordnete von Trotha die völlige Vernichtung der Nama an.
Es wird geschätzt, dass zwischen 1904 und 1908 mehr als 75.000 OvaHerero und Nama getötet wurden. Hinzu kommen Tausende weitere Angehörige anderer indigener Völker wie die der San und Damara.
Im Jahr 2006 nahm das namibische Parlament einstimmig einen Antrag an, der vom Ombara Otjitambi (Paramount Chief) der OvaHerero eingereicht worden war,in dem anerkannt wurde, dass die von 1904 bis 1908 begangenen Gräueltaten als Völkermord zu betrachten waren und dass die Nama und OvaHerero das Recht haben, von der deutschen Regierung Wiedergutmachung zu verlangen.
Vertreter*innen der OvaHerero und der Nama reichten 2017 an einem Bundesbezirksgericht in New York eine Sammelklage gegen Deutschland ein. Sie forderten, für den Völkermord und die Enteignung ihrer Ländereien durch die deutsche Kolonialmacht entschädigt zu werden. Die Klage wurde 2020 vor einem US-Gericht wegen mangelnder Zuständigkeit abgewiesen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Völkermord in Namibia
Zwischen 1904 und 1908 verübten deutsche Kolonialtruppen in Namibia (damals vom deutschen Kaiserreich "Deutsch-Südwestafrika" genannt) einen Völkermord. Auf Befehl von General Lothar von Trotha wurden zehntausende Angehörige der Völker der OvaHerero und Nama getötet, in die Wüste getrieben oder in Konzentrationslagern interniert, wo sie an Hunger und Krankheiten starben. Dieses Ereignis gilt als der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts.
Die Folgen des Völkermords sind für die Nachfahren der Opfer bis heute spürbar. Der massive Verlust von Land, Vieh und Menschenleben führte zu einer tiefgreifenden sozialen und wirtschaftlichen Zerrüttung, die bis heute in Form von Armut und struktureller Benachteiligung nachwirkt. Die betroffenen Gemeinschaften kämpfen daher weiterhin um die Anerkennung ihres Leids und um Gerechtigkeit.
Die zentralen Forderungen der Opfergruppen sind:
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Anerkennung: Eine formelle und uneingeschränkte Anerkennung des Völkermords durch Deutschland, verbunden mit einer aufrichtigen Entschuldigung.
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Reparationen: Direkte finanzielle Entschädigungen (Reparationen), die an die Nachfahren der Opfer gezahlt werden, und nicht nur Entwicklungszusammenarbeit, die über die Regierung abgewickelt wird.
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Einbeziehung: Direkte Einbeziehung der gewählten Vertreter*innen der Nachkommen der Opfer des Völkermordes bei den Verhandlungen der deutschen Regierung mit der Namibischen Regierung.
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Rückgabe: Die Rückgabe von Land, von Kulturgütern sowie menschlichen Überresten, die während der Kolonialzeit gestohlen wurden.
Deutschland hat die Ereignisse inzwischen politisch als Völkermord "aus heutiger Perspektive" bezeichnet. In einer 2021 beschlossenen, aber noch nicht unterschriebenen Gemeinsamen Erklärung mit der namibischen Regierung hat Deutschland zugesagt, über 30 Jahre hinweg 1,1 Milliarden Euro in Projekte für "Aussöhnung und Wiederaufbau" zu investieren. Die deutsche Regierung vermeidet jedoch bewusst die Begriffe "Reparationen" oder "Entschädigung", um keinen rechtlichen Präzedenzfall für andere ehemalige Kolonien zu schaffen.
Die Vertreter*innen der OvaHerero und Nama lehnen das Abkommen vehement ab. Die Hauptkritikpunkte sind, dass sie von den Verhandlungen weitgehend ausgeschlossen waren und das Ergebnis ihren Forderungen nicht gerecht wird. Sie argumentieren, dass Entwicklungszusammenarbeit keine Wiedergutmachung für einen Völkermord sei und dass die Verhandlungen über ihre Köpfe hinweg geführt wurden.

