Stiftungsmitarbeiterin inhaftiert

Karte des Iran
© Courtesy of the University of Texas Libraries
Nazanin Zaghari-Ratcliffe, britisch-iranische Mitarbeiterin einer gemeinnützigen Stiftung, befindet sich seit dem 3. April im südiranischen Kerman in Haft. In welcher Hafteinrichtung sie sich befindet, ist nicht bekannt. Sie hat keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand und nur eingeschränkten Kontakt zu ihrer Familie. Bis zum 18. Mai befand sie sich in Einzelhaft. Die Behörden verweigern ihr die Unterstützung durch das britische Konsulat.
Appell an
(bitte senden Sie Ihre Appelle über die Botschaft)
RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de
OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Sende eine Kopie an
PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 1. Juli 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty fordert:
E-MAILS, FAX UND BRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
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Lassen Sie Nazanin Zaghari-Ratcliffe bitte frei, sofern sie nicht unverzüglich einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in Überstimmung mit internationalen Standards für faire Verfahren vor Gericht gestellt wird.
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Erlauben Sie ihr regelmäßigen Kontakt mit einem unabhängigen Rechtsbeistand ihrer Wahl sowie Besuche und Telefonate von ihrer Familie, einschließlich ihrer Tochter.
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Stellen Sie bitte zudem sicher, dass sie vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt ist, jede erforderliche medizinische Versorgung erhält und dass alle Aussagen, die sie unter Zwang bzw. ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand gemacht hat, von einem möglichen Strafverfahren gegen sie ausgeschlossen werden.
- Bitte gestatten Sie ihr, mit den britischen Konsulatsbehörden zu kommunizieren.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
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Calling on the Iranian authorities to release Nazanin Zaghari Ratcliffe unless she is promptly charged with an internationally recognizable offence and tried in line with international fair trial standards.
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Urging them to allow her regular contact with an independent lawyer of her own choosing and visits and phone calls from her family, including her daughter.
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Calling on them to ensure that she is protected from torture and other ill-treatment, is granted any medical attention she may require, and that any statements extracted under duress or while she was denied access to a lawyer are excluded from any proceedings against her.
- Requesting the authorities to allow her to communicate with British consular officials.
Sachlage
Nazanin Zaghari-Ratcliffe, Projektleiterin der Thomson Reuters Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung zur Förderung von gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Fortschritt, unabhängigem Journalismus und Rechtsstaatlichkeit, wurde am 3. April am Teheraner Imam-Khomeini-Flughafen von mutmaßlichen Angehörigen der Revolutionsgarde festgenommen. Sie befand sich mit ihrer kleinen Tochter, Gabriella Ratcliffe, nach einem Besuch bei ihrer Familie in Teheran auf der Abreise nach Großbritannien. Bevor man sie abführte, durfte sie ihre Tochter an ihre Eltern übergeben, die sie zum Flughafen begleitet hatten. Der Reisepass ihrer Tochter, die britische Staatsbürgerin ist, wurde von den Behörden konfisziert.
Offensichtlich wurde Nazanin Zaghari-Ratcliffe etwa eine Woche lang in einer Haftanstalt in Teheran festgehalten, bevor sie in eine Hafteinrichtung im südiranischen Kerman gebracht wurde. Ihre Familie kehrte am Tag nach ihrer Festnahme an den Flughafen zurück, um nach ihrem Verbleib zu fragen, doch verweigerten die Behörden jegliche Information zu ihrer Festnahme und Inhaftierung. Nazanin Zaghari-Ratcliffe durfte in den ersten drei oder vier Tagen nach ihrer Festnahme nur einmal kurz mit ihrer Familie telefonieren. Über eine Woche nach ihrer Festnahme erhielt die Familie auf wiederholtes Nachfragen schließlich einen Anruf von einem unbekannten Beamten, dem zufolge Nazanin Zaghari-Ratcliffe in der Stadt Kerman inhaftiert sei. Wie die Familie später von einem weiteren unbekannten Beamten erfuhr, wurde sie aus "Gründen der nationalen Sicherheit" festgenommen, bisher allerdings anscheinend noch ohne offizielle Anklage. Seit ihrer Festnahme wird ihr der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert, und es wird befürchtet, dass sie zu "Geständnissen" gezwungen wurde. Am 11. Mai wurde Nazanin Zaghari-Ratcliffe erstmals ein Treffen mit ihrer Familie, darunter auch ihre Tochter, in einem Hotelzimmer in Kerman gestattet. Das mehr als zweistündige Treffen fand in Anwesenheit von Sicherheitskräften statt. Ihr wurden mehrere kurze Telefonate mit ihrer Familie im Iran gestattet, jedoch keines mit ihrem in Großbritannien lebenden Ehemann.
Hintergrundinformation
Nazanin Zaghari-Ratcliffes Familie kehrte erneut am 10. April, eine Woche nach ihrer Festnahme, an den Flughafen zurück, erhielt jedoch wieder keine Antworten auf ihre Fragen. Am nächsten Tag wurde ihnen von einem unbekannten Beamten telefonisch mitgeteilt, dass sich Nazanin Zaghari-Ratcliffe in der südiranischen Stadt Kerman befinde und es ihr gut ginge. Am 27. April erhielt die Familie einen weiteren Telefonanruf, diesmal offensichtlich vom Nachrichtendienst der Revolutionsgarde, dem zufolge Nazanin Zaghari-Ratcliffe aus "Gründen der nationalen Sicherheit" festgehalten werde, die nicht weiter ausgeführt wurden, und dass sie voraussichtlich weitere zwei bis drei Monate in Haft bleiben würde, bis die Untersuchungen abgeschlossen seien. Ihre Familie wurde aufgefordert, Kleidung und Geld für die Zeit ihrer Haft bereitzuhalten. Nazanin Zaghari-Ratcliffe durfte aus der Haft mehrfach mit Familienangehörigen telefonieren.
Die Verweigerung des Rechts von Häftlingen, mit der Außenwelt zu kommunizieren und Besuch zu erhalten, begünstigt Menschenrechtsverstöße in Haft, darunter Folter und andere Misshandlungen sowie das Verschwindenlassen, und verstößt gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Artikel 14 (3) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört, gewährleistet Inhaftierten das Recht auf ausreichend Zeit und angemessene Räumlichkeiten zur Vorbereitung ihrer Verteidigung und für die Kommunikation mit einem Rechtsbeistand ihrer Wahl. Dem UN-Menschenrechtsausschuss zufolge bedingt das Recht auf Kommunikation mit einem Rechtsbeistand, dass der Gefangene unverzüglich Zugang zu einem Rechtsbeistand erhält. Nach internationalem Recht ist eine Verzögerung des Zugangs zu Rechtshilfe nur unter außergewöhnlichen Umständen zulässig, die gesetzlich vorgeschrieben und auf Gelegenheiten beschränkt sein müssen, in denen die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung dies unerlässlich macht. Allerdings sollte auch in diesen seltenen Fällen der Zugang bis zu maximal 48 Stunden nach Festnahme bzw. Inhaftierung verzögert werden.
Gemäß Paragraf 49 der iranischen Strafprozessordnung von 2014, die im Juni 2015 in Kraft trat, können Personen, die einer Straftat angeklagt werden, mit Beginn der Inhaftierung die Anwesenheit eines Rechtsbeistands verlangen, und der Rechtsbeistand darf den Häftling unter Wahrung der Vertraulichkeit der Ermittlungen treffen. Allerdings gewährleistet die Strafprozessordnung entgegen dem Völkerrecht und internationalen Standards in bestimmten Fällen, zu denen auch solche gehören, die die nationale Sicherheit betreffen, nicht das Recht auf Zugang zu einem unabhängigen Rechtsbeistand eigener Wahl. In diesen Fällen können Beschuldigte ihren Rechtsbeistand lediglich aus einer Liste wählen, die von der Obersten Justizautorität genehmigt wurde.
Gemäß Paragraf 49 der Strafprozessordnung von 2014 sind die Eltern, Ehegatten, Kinder und Geschwister festgenommener Personen berechtigt, sich bei der lokalen Staatsanwaltschaft sowie der Staatsanwaltschaft und der obersten Justizautorität der jeweiligen Provinz nach diesen zu erkundigen. Wie es in dem Paragrafen heißt, müssen die Fragen dieser Personen beantwortet werden, sofern sie "nicht den sozialen oder familiären Status der Häftlinge verletzt". Des Weiteren sieht Paragraf 180 der Durchführungsbestimmungen für die Organisation von Staatsgefängnissen sowie Sicherheits- und Strafmaßnahmen vor, dass allen Gefangenen und Häftlingen der Kontakt mit Familienangehörigen und Bekannten in Form von Besuchen und Schriftverkehr erlaubt ist. Es wird jedoch weiter ausgeführt, dass dieser Kontakt unter der Aufsicht von Gefängnisbeamt_innen und in Übereinstimmung mit den Gefängnisvorschriften zu erfolgen hat.