Behörden gehen weiter gegen NGOs vor

Ägypten Karte

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Ein Gericht in Kairo hat eine Anfrage auf Einfrieren der Geldmittel des Al-Andalus Institute for Tolerance and anti-Violence Studies (Al-Andalus-Institut für Toleranz und Studien zur Gewaltbekämpfung) bestätigt. Auch die Geldmittel des Leiters des Instituts, Ahmed Samih, sollen eingefroren werden. Andere Menschenrechtsverteidiger_innen befinden sich im Zuge des "Verfahrens wegen Auslandsfinanzierung" ebenfalls im Visier der ägyptischen Behörden.

Appell an

SOZIALMINISTERIN
Her Excellency Ghada Waly
Ministry of Social Solidarity
19 Maraghi Street, Giza, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2 794 8257 oder
(00 202) 3 337 5390

STELLVERTRETENDE AUSSENMINISTERIN
Laila Bahaa El Din
Deputy Assistant Minister for Human Rights and NGO Affairs, Ministry of Foreign Affairs
Cornice al-Nil, Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2574 9713
E-Mail: contact.us@mfa.gov.eg
Twitter: @MfaEgypt

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DES NATIONALEN MENSCHENRECHTSRATS
Mohamed Fayek
69 Giza St. - next to the Embassy of Saudi Arabia
Cairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 3 762 4852

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. Juli 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Heben Sie bitte die Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger_innen und andere Mitarbeiter_innen von NGOs auf, die nur ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit wahrnehmen, und geben Sie die eingefrorenen Gelder wieder frei.

  • Bitte widerrufen Sie Ihre Entscheidung, die Menschenrechtsorganisation El Nadeem Center for Rehabilitation of Victims of Violence zu schließen.

  • Bitte kommen Sie Ihren eigenen Zusagen vom März 2015 im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung Ägyptens vor dem UN-Menschenrechtsrat nach, "die freie Tätigkeit von Menschenrechtsvereinigungen zu respektieren", sowie auch Ihren Verpflichtungen im Rahmen von Paragraf 75 der ägyptischen Verfassung und Artikel 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Ägypten gehört.

Sachlage

Am 15. Juni ordnete ein Gericht in Nord-Kairo an, die Vermögenswerte des Al-Andalus Institute for Tolerance and anti-Violence Studies und von dessen Leiter Ahmed Samih einzufrieren. Ahmed Samih hatte erst am 12. Juni über eine staatliche Zeitung von dem entsprechenden Antrag erfahren. In der Zeitung hieß es, der Antrag stamme von Richter_innen, die mit der Untersuchung der Registrierung und Finanzierung von NGOs im Rahmen von Verfahren 173 von 2011 betraut seien, welches in den Medien "Verfahren wegen Auslandsfinanzierung" genannt wird. Mohamed Zaree, der ägyptische Leiter des Cairo Institute for Human Rights (Kairoer Institut für Menschenrechtsstudien, CIHRS), erfuhr am 26. Mai am Kairoer Flughafen, dass ein Reiseverbot gegen ihn vorliegt. Mohamed Zaree weiß weder, durch welches Gericht noch im Rahmen welchen Verfahrens das Verbot angeordnet wurde, hält aber das "Verfahren wegen Auslandsfinanzierung" für die einzige mögliche Erklärung. Zu den weiteren Personen, die im Rahmen dieses Verfahrens einem Reiseverbot unterliegen, gehören Hossam Bahgat, Gründer der Menschenrechtsgruppe Egyptian Initiative for Personal Rights (Ägyptische Initiative für persönliche Rechte), und Gamal Eid, Gründer und Leiter der Organisation Arabic Network for Human Rights Information (Arabisches Netzwerk für Menschenrechtsinformationen, ANHRI). Am 26. Mai wurde auch die ANHRI-Anwältin Rawda Ahmed zu einer Befragung in dem Fall vorgeladen. Diese wurde auf den 2. Juni und dann erneut verlegt, ohne dass bisher jedoch ein anderer Termin genannt wurde.
Am 17. Juli überprüft das Kairoer Strafgericht eine gerichtliche Anordnung zum Einfrieren der Vermögenswerte von Bahey el-Din Hassan, dem Vorsitzenden des CIHRS, Angehörigen seiner Familie sowie einigen Mitarbeiter_innen des CIHRS.

Ebenfalls von der gerichtlichen Anordnung betroffen sind Mostafa al-Hassan, Vorsitzender des Anwaltsbüros Hisham Mubaak Law Center, und Abdel Hafez Tayel, Vorsitzender der Organisation Egyptian Center for the Right to Education (Ägyptisches Zentrum für das Recht auf Bildung), sowie Hossam Bahgat, Gamal Eid und dessen Frau und Tochter. Ein Antrag auf Einfrieren der Geldmittel des CIHRS liegt ebenfalls vor. Die Behörden haben außerdem wiederholt versucht, das El Nadeem Center for Rehabilitation of Victims of Violence (El-Nadeem-Zentrum für die Rehabilitation von Gewaltopfern) wegen nicht genehmigter Tätigkeit zu schließen, obwohl dieses bereits seit 1993 als medizinische Klinik registriert ist.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In Ägypten gehen die Behörden auf beispiellose Weise gegen Menschenrechtsorganisationen vor. Im Rahmen von anhaltenden strafrechtlichen Ermittlungen zu der Registrierung und Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen werden Menschenrechtsverteidiger_innen befragt und daran gehindert, ins Ausland zu reisen. Zu den Betroffenen gehört auch Mozn Hassan, Gründerin und Leiterin der Organisation Nazra for Feminist Studies.

Viele der ins Visier geratenen Gruppen haben eine Genehmigung als NGO, Anwaltsfirma oder medizinische Einrichtung. Einige haben ihre Mitarbeiter_innen jedoch ins Ausland versetzt oder ihre Tätigkeit eingeschränkt, um sich nicht unter den Auflagen des Vereinigungsgesetzes aus der Zeit der Präsidentschaft von Hosni Mubarak registrieren lassen zu müssen. Das Gesetz ermöglicht es der Regierung, Gruppen willkürlich aufzulösen, Vermögenswerte einzufrieren, Eigentum zu beschlagnahmen und Kandidat_innen für das Leitungsgremium abzulehnen. Doch auch gegen registrierte Gruppen wurde ermittelt: So wurde die Organisation Egyptian Democratic Academy (Ägyptische Demokratische Akademie, EDA) im Januar 2015, Nazra 2007 erfolgreich registriert.

Gegen vier aktuelle und ehemalige Mitarbeiter_innen der EDA wurde ein Reiseverbot ausgesprochen, und zwar gegen die politische Aktivistin Esraa Abdel Fattah sowie gegen Hossameldin Ali, Ahmed Ghonim und Bassim Samir. Auch viele andere Menschenrechtsverteidiger_innen wurden von Gerichten, Staatsanwält_innen und Sicherheitsbehörden mit einem Reiseverbot belegt. Am 19. April 2016 veröffentlichte das Büro des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon eine Erklärung, in der die Lage der Menschenrechtsgruppen in Ägypten thematisiert wird und die Behörden aufgerufen werden, den Angeklagten ein "ordentliches und faires Verfahren" zu gewähren. Im März 2016 hat der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte seine "große Besorgnis" über das Vorgehen gegen ägyptische Menschenrechtsorganisationen geäußert.

Die ägyptische Militärregierung geht bereits seit Mitte 2011 strafrechtlich gegen Menschenrechtsgruppen vor. Im Dezember 2011 wurden fünf internationale NGOs und zwei ägyptische Menschenrechtsorganisationen von Angehörigen der Staatsanwaltschaft und der Sicherheitskräfte durchsucht. 2012 lief ein Verfahren gegen 43 Mitarbeiter_innen internationaler NGOs, denen vorgeworfen wurde, für nicht-registrierte NGOs zu arbeiten und illegale Finanzmittel erhalten zu haben. Im Juni 2013 wurden sie zu Haftstrafen zwischen einem Jahr und fünf Jahren verurteilt. Die Haftstrafen wurden alle entweder zur Bewährung ausgesetzt oder in Abwesenheit der Angeklagten verhängt.

Die Annahme von Finanzmitteln aus dem Ausland ohne die Genehmigung der Regierung wird sowohl durch das Vereinigungsgesetz als auch durch das Strafgesetzbuch kriminalisiert. Die ägyptische Regierung hat 2014 angeordnet, dass sich alle NGOs unter dem Vereinigungsgesetz registrieren müssen, und drohte damit, alle zur "Verantwortung zu ziehen", die dieser Anordnung nicht Folge leisten. Die ägyptischen Gesetze, mit denen der Zugang zu Geldern aus dem Ausland eingeschränkt wird, wurden bereits wiederholt von UN-Gremien kritisiert, die beobachten, ob Ägypten seine Verpflichtungen gemäß internationalen Menschenrechtsabkommen einhält. Am 19. April 2016 urteilte ein ägyptisches Verwaltungsgericht, dass NGOs das Recht haben, Geldmittel aus dem Ausland zu erhalten, solange die "öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Moral" dadurch nicht gefährdet seien. In der Praxis wurden diese Gründe von den Behörden häufig als Vorwand genutzt, um die Finanzierung ägyptischer Menschenrechtsgruppen willkürlich zu blockieren. Gemäß Paragraf 78 des Strafgesetzbuches können Personen zu einer Haftstrafe von 25 Jahren und einer Geldstrafe von 500.000 Ägyptischen Pfund (ca. 50.000 Euro) verurteilt werden, wenn sie Geld oder Materialien aus dem Ausland erhalten und damit die "nationalen Interessen" Ägyptens verletzen, die "territoriale Integrität" des Landes untergraben oder "den öffentlichen Frieden" stören. Das Recht auf Vereinigungsfreiheit ist in Paragraf 75 der ägyptischen Verfassung und in Artikel 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte festgelegt, zu dessen Vertragsstaaten Ägypten gehört.