NGOs weiter im Visier der Behörden

Graffito an einer Häuserwand in  der Mohamed-Mahmoud-Straße in Kairo

Graffito an einer Häuserwand in der Mohamed-Mahmoud-Straße in Kairo

Ein Gerichtsverfahren gegen ägyptische Menschenrechtsverteidiger_innen wurde nun auf drei weitere Menschenrechtsorganisationen ausgeweitet.

Appell an

SOZIALMINISTERIN
Her Excellency Ghada Waly
Ministry of Social Solidarity
19 Maraghi Street, Giza, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2 794 8257 oder
(00 202) 3 337 5390

STELLVERTRETENDE AUSSENMINISTERIN
Mahy Hassan Abdel Latif
Deputy Assistant Minister for Human Rights and NGO Affairs, Ministry of Foreign Affairs
Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2574 9713
E-Mail: contact.us@mfa.gov.eg

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DES NATIONALEN MENSCHENRECHTSRATS
Mohamed Fayek
69 Giza St. - next to the Embassy of Saudi Arabia
Cairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 3 762 4852

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Juni 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Heben Sie bitte die Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger_innen und andere Mitarbeiter_innen von NGOs auf, die nur ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit wahrnehmen, und geben Sie die eingefrorenen Gelder wieder frei.

  • Bitte widerrufen Sie Ihre Entscheidung, die Menschenrechtsorganisation El Nadeem Center for Rehabilitation of Victims of Violence zu schließen.

  • Bitte verabschieden Sie ein neues Vereinigungsgesetz, das sowohl internationalen Standards als auch der ägyptischen Verfassung entspricht, und gewähren Sie NGOs eine angemessene Frist, um sich unter dem neuen Gesetz zu registrieren.

Sachlage

Am 20. April nannte ein Gericht in Kairo in einem Fall gegen ägyptische Menschenrechtsverteidiger_innen und deren Familien sieben neue Angeklagte, darunter die Vorsitzenden von drei Menschenrechtsgruppen. Der nächste Gerichtstermin soll am 23. Mai stattfinden.

Bei den neu genannten Angeklagten handelt es sich um: Bahey el-Din Hassan, Vorsitzender des Cairo Institute for Human Rights ("Kairoer Instituts für Menschenrechtsstudien", CIHRS) zwei seiner Angehörigen und zwei Personen, die für das CIHRS gearbeitet haben; Mostafa al-Hassan, Vorsitzender des Anwaltsbüros Hisham Mubaak Law Center und Abdel Hafez Tayel, Vorsitzender der Organisation Egyptian Center for the Right to Education ("Ägyptischen Zentrums für das Recht auf Bildung").

Sie stehen nun gemeinsam mit Hossam Bahgat, Investigativjournalist und Gründer der Menschenrechtsgruppe Egyptian Initiative for Personal Rights (Ägyptische Initiative für persönliche Rechte), und Gamal Eid, Gründer und Leiter der Organisation Arabic Network for Human Rights Information (Arabisches Netzwerk für Menschenrechtsinformationen), sowie dessen Frau und Tochter vor Gericht.
Das Strafgericht überprüft eine gerichtliche Anordnung zum Einfrieren der Geldmittel der Angeklagten, die im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zur Finanzierung von NGOs ergangen war. Die ägyptischen Behörden gehen derzeit auf beispiellose Weise gegen Menschenrechtsorganisationen vor, und Menschenrechtsverteidiger_innen befürchten, unter repressiven Gesetzen zu ausländischer Finanzierung zu Haftstrafen von bis zu 25 Jahren angeklagt und verurteilt zu werden.

Das Gerichtsverfahren findet vor dem Hintergrund zunehmender Ermittlungen der Behörden gegen Menschenrechtsgruppen statt. Die Mitarbeiter_innen der Organisationen werden befragt und zum Teil daran gehindert, ins Ausland zu reisen. Die Regierung hat zudem die Schließung der bekannten Menschenrechtsorganisation El Nadeem Center for Rehabilitation of Victims of Violence (El-Nadeem-Zentrum für die Rehabilitation von Gewaltopfern) angeordnet.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In Ägypten gehen die Behörden auf beispiellose Weise gegen Menschenrechtsorganisationen vor. Im Rahmen von anhaltenden strafrechtlichen Ermittlungen zu der Registrierung und Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen werden Menschenrechtsverteidiger_innen befragt und daran gehindert, ins Ausland zu reisen.

Im März 2016 ordneten die für die Ermittlungen zuständigen Richter_innen an, dass die Vermögenswerte von Hossam Bahgat und Gamal Eid eingefroren werden. Diese Anordnung wird nun von einem Kairoer Strafgericht überprüft. Die Richter_innen laden im Rahmen der Ermittlungen weiter Menschenrechtsverteidiger_innen für Befragungen vor. Unter anderem mussten die bekannte Menschenrechtsverteidiger Mozn Hassan, Gründerin und Leiterin von Nazra for Feminist Studies, vor Gericht erscheinen.

Mehrere Menschenrechtsverteidiger_innen sind zudem von Gerichten, Staatsanwält_innen und Sicherheitsbehörden mit Reiseverboten belegt worden.

Am 19. April 2016 veröffentlichte das Büro des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon eine Erklärung, in der die Lage der Menschenrechtsgruppen in Ägypten thematisiert wird und die Behörden aufgerufen werden, den Angeklagten ein "ordentliches und faires Verfahren" zu gewähren. Im März 2016 hat der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte seine "große Besorgnis" über das Vorgehen gegen ägyptische Menschenrechtsorganisationen geäußert.

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Menschenrechtsgruppen läuft bereits seit Mitte 2011. Im Dezember 2011 wurden fünf internationale NGOs und zwei ägyptische Menschenrechtsorganisationen von Angehörigen der Staatsanwaltschaft und Sicherheitskräfte durchsucht. 2012 lief ein Verfahren gegen 43 Mitarbeiter_innen internationaler NGOs, denen vorgeworfen wurde, für nicht-registrierte NGOs zu arbeiten und illegale Finanzmittel erhalten zu haben. Im Juni 2013 wurden sie zu Haftstrafen zwischen einem Jahr und fünf Jahren verurteilt. Die Haftstrafen wurden alle entweder zur Bewährung ausgesetzt oder in Abwesenheit der Angeklagten verhängt.

Die Annahme von Finanzmitteln aus dem Ausland ohne die Genehmigung der Regierung wird sowohl durch das Vereinigungsgesetz als auch durch das Strafgesetzbuch kriminalisiert. 2014 ordnete die Regierung an, dass sich alle NGOs unter dem Vereinigungsgesetz registrieren müssen und drohte diejenigen, die sich dem widersetzen, "zur Verantwortung zu ziehen". Das Gesetz gibt den Behörden weitreichende Befugnisse, die Vermögenswerte von registrierten Gruppen einzufrieren und Gruppen aufzulösen, weil die eine Bedrohung für die "nationale Einheit" darstellen.

Die ägyptischen Gesetze, mit denen der Zugang zu Geldern aus dem Ausland eingeschränkt wird, wurden bereits wiederholt von UN-Gremien kritisiert, die beobachten, ob Ägypten seine Verpflichtungen gemäß internationalen Menschenrechtsabkommen einhält. Am 19. April entschied ein ägyptisches Verwaltungsgericht, dass NGOs das Recht haben, Finanzmittel von internationalen Quellen zu erhalten, solange dies nicht die "öffentliche Ordnung, Sicherheit und Moral" bedrohe. In der Praxis nutzen die Behörden solche Gründe häufig, um die Finanzierung ägyptischer Menschenrechtsgruppen willkürlich zu blockieren.

Gemäß Paragraf 78 des Strafgesetzbuches können Personen zu einer Haftstrafe von 25 Jahren und einer Geldstrafe von 500.000 Ägyptischen Pfund (ca. 50.000 Euro) verurteilt werden, wenn sie Geld oder Materialien aus dem Ausland erhalten und damit die "nationalen Interessen" Ägyptens verletzen, die "territoriale Integrität" des Landes untergraben oder "den öffentlichen Frieden" stören.

Das Recht auf Vereinigungsfreiheit ist in Paragraf 75 der ägyptischen Verfassung und in Artikel 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte festgelegt, zu dessen Vertragsstaaten Ägypten gehört.