Im trockenen Hungerstreik

Ahmadreza Jalali

Ahmadreza Jalali

Der iranische Akademiker Dr. Ahmadreza Djalali hat seinen Hungerstreik wieder aufgenommen und mitgeteilt, dass er nun auch keine Flüssigkeiten mehr zu sich nehmen wird. Er protestiert damit gegen seine anhaltende Inhaftierung und die Weigerung der Behörden, ihm Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl zu gewähren. Er hat gesagt, er wolle lieber im Hungerstreik sterben, als aufgrund haltloser Anschuldigungen verurteilt zu werden.

Appell an

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT Ayatollah Sadegh Larijani c/o Public Relations Office Number 4, Deadend of 1 Azizi Above Pasteur Intersection, Vali Asr Street Tehran IRAN (Anrede: Your Excellency / Exzellenz)

RELIGIONSFÜHRER Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei Islamic Republic Street - End of Shahid Keshvar Doust Street Tehran IRAN (Anrede: Your Excellency / Exzellenz)

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT Hassan Rouhani The Presidency Pasteur Street, Pasteur Square Tehran IRAN

 

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN S. E. Herrn Ali Majedi Podbielskiallee 65-67 14195 Berlin Fax: 030–8435 3535 E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 13. April 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, TWITTER-NACHRICHTEN, E-MAILS UND FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Ahmadreza Djalali umgehend und bedingungslos frei, sofern er nicht einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt wird, und stellen Sie sicher, dass er nicht allein wegen der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zur Zielscheibe der Behörden wurde.

  • Garantieren Sie bitte den sofortigen Zugang zu qualifiziertem medizinischem Personal, das ihn in Übereinstimmung mit der medizinischen Ethik behandeln kann, dazu gehören Vertraulichkeit, Autonomie und informierte Zustimmung.

  • Ich bitte Sie, ihn bis zu seiner Freilassung vor jedweder Bestrafung für den Hungerstreik, wie z. B. lange Einzelhaft, die der Folter gleichkommen kann, zu schützen.

  • Bitte sorgen Sie für den regelmäßigen Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl, zu seiner Familie sowie zu Einrichtungen, um mit Angehörigen im Ausland zu kommunizieren, und gewähren Sie Angehörigen des schwedischen Konsulats Zugang zu ihm.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to release Ahmadreza Djalali unless he is charged with a recognizable criminal offence, in line with international law and standards, ensuring that he is not targeted for peacefully exercising his rights to freedom of expression, association and assembly.

  • Urging them to ensure he has access to a qualified health professional who can provide health care in compliance with medical ethics, including the principles of confidentiality, autonomy and informed consent.

  • Calling on them to ensure that, pending his release, he is protected from any punishment for his hunger strike, including prolonged solitary confinement, which may amount to torture.

  • Urging them to ensure that he has regular access to a lawyer of his choice and to his family, including facilities to communicate with those living abroad, and requesting he be granted Swedish consular access.

Sachlage

Der in Schweden lebende iranische Staatsangehörige und Arzt Dr. Ahmadreza Djalali ist derzeit im Evin-Gefängnis in Teheran inhaftiert und hat am 15. Februar seinen Hungerstreik wieder aufgenommen und am 24. Februar die Aufnahme von Flüssigkeiten eingestellt. Er trat in den Hungerstreik, nachdem er vor Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran gestellt wurde und die Vorsitzende Richterin ihm sagte, dass er zu der Anwältin seiner Wahl keinen Kontakt haben und sie ihn nicht vertreten dürfe. Der Anwältin war Ende Februar geraten worden, sich von dem Fall zurückzuziehen. Ahmadreza Djalali solle einen anderen Rechtsbeistand finden oder das Gericht werde ihm einen Pflichtverteidiger zuteilen. Die Behörden hatten bereits seinen ersten Rechtsbeistand abgelehnt. Ahmadreza Djalali teilte dem Gericht daraufhin mit: "Meine Anwältin ist seit Monaten meine Anwältin. Aber Sie gestatten ihr nicht, mich zu verteidigen. In diesem Fall liegt nichts gegen mich vor. Ich sterbe lieber im Hungerstreik, als solcher grundloser Anklagen beschuldigt und auf diese Weise verurteilt zu werden." Ahmadreza Djalali hatte seinen vorherigen Hungerstreik um den 12. Februar herum abgebrochen, als eine Angehörige des Geheimdienstministeriums ihn im Gefängnis besuchte und ihm mitteilte, in seinem Fall habe es einen Fehler gegeben, die Anklagen gegen ihn wären nicht korrekt und sein Fall würde zur weiteren Ermittlung an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen. Die mit den beiden Kindern in Schweden lebende Frau von Ahmadreza Djalali, Vida Mehrannia, durfte bisher keinen Kontakt zu ihrem Mann aufnehmen. Sie berichtete Amnesty International, dass sich seine geistige und physische Gesundheit in den letzten Wochen infolge des Hungerstreiks und der Menschenrechtsverletzungen durch die Behörden stark verschlechtert habe.

Ahmadreza Djalali hat an europäischen Universitäten gelehrt. Als er am 25. April 2016 festgenommen wurde, hielt er sich aus beruflichen Gründen im Iran auf. Er wurde drei Monate lang in Einzelhaft gehalten und hat gesagt, dass er in dieser Zeit gezwungen wurde, Aussagen ohne die Gegenwart eines Rechtsbeistands zu unterschreiben. Im Dezember 2016 hatten die Verhörenden intensiven Druck auf ihn ausgeübt, um ihn dazu zu bringen, eine Aussage zu unterschreiben, in der er "gesteht", der Spion einer "feindlichen Regierung" zu sein. Als er sich weigerte, drohten ihm die Verhörenden, ihn wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) anzuklagen. Darauf steht grundsätzlich die Todesstrafe.

Hintergrundinformation

Hintergrund

[img_assist|nid=33426|title=Ahmadreza Djalali und Familie|desc=© privat|link=none|align=left|width=220|height=130] Ahmadreza Djalali ist Doktor der Medizin, Dozent und seit 1999 Forscher in Katastrophenmedizin. Er verließ den Iran 2009, um seinen Doktor am Karolinska-Institut in Schweden zu machen. Zudem hat er als Dozent an der Università degli Studi del Piemonte Orientale (CRIMEDIM) im italienischen Vercelli und an der Vrije Universiteit Brüssel in Belgien gearbeitet.

Im April 2016 reiste Ahmadreza Djalali auf Einladung der Universität Teheran und der Universität Shiraz in den Iran, um an Workshops zu Katastrophenmedizin teilzunehmen. Seine früheren Reisen in den Iran waren ohne Zwischenfälle verlaufen. Er war zwei Wochen im Iran und sollte am 28. April 2016 zurückfliegen. Drei Tage vor der Abreise, am 25. April, wurde er festgenommen, als er mit dem Auto von Teheran nach Karadsch, einer Stadt nordwestlich der Hauptstadt, fuhr. Seine Familie wusste zehn Tage lang nicht, wo er sich aufhielt, dann erst durfte Ahmadreza Djalali sie kurz anrufen.

Er wurde die erste Woche an einem unbekannten Ort festgehalten, dann in die Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses, die dem Geheimdienstministerium untersteht, gebracht und dort sieben Monate lang festgehalten, drei davon in Einzelhaft. Ahmadreza Djalali sagte, dass er in dieser Zeit intensiven Verhören unterzogen wurde und man ihn mit großem emotionalem und psychologischem Druck zwang, Aussagen zu unterschreiben, deren Einzelheiten Amnesty International nicht bekannt sind. Trotz wiederholter Verhöre durfte er in den sieben Monate bis zu seiner Verlegung in die Abteilung 7 des Evin-Gefängnisses keine Besuche seines Rechtsbeistands erhalten. Nach seiner Verlegung gestatteten ihm die Behörden unregelmäßigen Kontakt zu seinem Rechtsbeistand. Anfang Februar 2017 untersagten die Behörden den Kontakt zu beiden Rechtsbeiständen. In den vergangenen Monaten ist Ahmadreza Djalali wiederholt zwischen dem Normalvollzug in der Abteilung 7 und den Abteilungen 209 und 240, die beide dem Geheimdienstministerium unterstehen, verlegt worden.

Am 31. Januar wurde Ahmadreza Djalali vor Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran gestellt, ohne dass sein Rechtsbeistand anwesend war. Die Vorsitzende Richterin teilte ihm mit, dass er wegen "Spionage" angeklagt sei und ihm die Todesstrafe drohen könne. Der erste von ihm bestimmte Rechtsbeistand sagte Amnesty International im Februar, dass die Behörden erst noch eine Anklage (keyfarkhast) veröffentlichen und ein Verfahren anberaumen müssten. Die Strafverfolgungsbehörden hätten ihm mitgeteilt, dass er Ahmadreza Djalalis Fall nicht übernehmen könne und hatten sich geweigert, ihm Akteneinsicht zu gewähren. In der letzten Februarwoche wandte sich die zweite Anwältin von Ahmadreza Djalali an die Vorsitzende Richterin in der Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran und dort wurde ihr gesagt, dass sie sich von dem Fall zurückziehen solle. Nachdem die Behörden beide Rechtsbeistände "entlassen" haben, ist Ahmadreza Djalali praktisch ohne rechtliche Vertretung.

Ahmadreza Djalalis Gesundheitszustand hat sich in der Haft erheblich verschlechtert und wird zusätzlich durch die zahlreichen Hungerstreiks belastet, die er durchgeführt hat. Er hat seit Beginn der Haft etwa 20 kg an Gewicht verloren. Er ist bereits zwei Mal zusammengebrochen, sein Blutdruck fällt immer wieder ab und er hat Nierenschmerzen.

Ahmadreza Djalali hat gesagt, dass seine Verhörenden ihn in Einzelhaft beschimpften, bedrohten und ihm unter anderem ankündigten, ihn in das Raja’i Shahr-Gefängnis in Karadsch zu bringen, wo man ihn unter extrem schlechten Haftbedingungen mit Todeskandidaten zusammenlegen würde. Amnesty International hat die unmenschlichen Haftbedingungen im Raja’i-Shahr-Gefängnis bereits dokumentiert. Die häufigsten Beschwerden von Insass_innen sind die absichtliche Gleichgültigkeit der Gefängnisangestellten gegenüber den medizinischen Erfordernissen der Gefangenen; ihre Weigerung, schwerkranke Gefangene in Krankenhäuser außerhalb des Gefängnisses zu verlegen; lange Phasen ohne warmes Wasser zum Waschen; Platzmangel; schlechte Lüftung; unhygienische Bedingungen; Insektenplagen in Küchennähe; mangelnde Bereitstellung von Putzutensilien und zu kleine Portionen von zu schlechtem Essen. Diese Bedingungen können zu Infektionen und verschiedenen Haut- und Atemwegserkrankungen bei den Gefangenen führen. Berichte aus dem Gefängnis weisen auch darauf hin, dass Gefängniswärter_innen politische Gefangene routinemäßig schlagen, beschimpfen und sexuell belästigen, insbesondere bei Transporten zu Krankenhäusern und Gerichten.