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Dr. Djalali droht weiter die Hinrichtung
© Amnesty International / privat
Dem iranisch-schwedischen Wissenschaftler Dr. Ahmadreza Djalali wurde am 24. November 2020 in iranischer Haft mitgeteilt, dass er wegen "Verdorbenheit auf Erden" noch in derselben Woche hingerichtet werde. Ende Dezember erfuhr seine Familie, dass die Hinrichtung um einen Monat verschoben wurde. Seit dem 24. November wird Dr. Djalali ohne Kontakt zur Außenwelt im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten.
Appell an
Head of the Judiciary of Iran
Ebrahim Raisi
c/o Embassy of the Islamic Republic of Iran
P.O. Box 6031
181 06 Lidingö
SCHWEDEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S.E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030 – 83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Ich bitte Sie eindringlich, die Pläne zur Hinrichtung von Ahmadreza Djalali zu verwerfen sowie Schuldspruch und Urteil aufzuheben. Gewähren Sie Ihm umgehend Kontakt zu seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen.
- Bitte kommen Sie den Forderungen der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen nach, Ahmadreza Djalali umgehend freizulassen und ihm ein einklagbares Recht auf Entschädigung zu gewähren.
- Stellen Sie bis zu seiner Freilassung sicher, dass Ahmadreza Djalali vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt wird. Ordnen Sie umgehend eine unabhängige, wirksame und unparteiische Untersuchung seiner Folter- und Misshandlungsvorwürfe an. Die Verantwortlichen müssen in fairen Gerichtsverfahren zur Rechenschaft gezogen werden. Greifen Sie dabei nicht auf die Todesstrafe zurück.
- Bitte verfügen Sie ein offizielles Hinrichtungsmoratorium mit dem Ziel, die Todesstrafe abzuschaffen.
Sachlage
Der von der Hinrichtung bedrohte Arzt Dr. Ahmadreza Djalali wird seit sieben Wochen ohne Kontakt zur Außenwelt im Evin-Gefängnis in Teheran in Haft gehalten. Nach der wiederholten Aufforderung, ihnen Kontakt zu ihrem Mandanten zu ermöglichen, übergab die Gefängnisverwaltung seinen Anwält_innen Ende Dezember 2020 einen undatierten Brief von Dr. Djalali. Darin schrieb er, dass er sich seit 33 Tagen in Einzelhaft befindet. Seiner Familie und seinen Anwält_innen wurde am 24. November 2020 gesagt, dass das Todesurteil von Dr. Djalali innerhalb einer Woche vollstreckt werde und sie nun die letzte Gelegenheit zu einem Videotelefonat hätten.
Die Nachricht der bevorstehenden Vollstreckung löste internationale Forderungen aus, seine Hinrichtung zu stoppen. Laut Amnesty International vorliegenden Informationen wurden nach den weltweiten Protesten die Hinrichtungspläne am 2. Dezember 2020 "auf Anweisung von oben" gestoppt. Am 8. Dezember 2020 erfuhr die Familie, dass seine Hinrichtung um eine Woche verschoben wurde und Ende Dezember hieß es, dass die Vollstreckungsbehörde die Hinrichtung erneut um einen Monat verschoben habe. Doch die Tatsache, dass sich Ahmadreza Djalali nach wie vor in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt befindet, gibt trotz der zwei Aufschübe großen Anlass zu der Befürchtung, dass er jederzeit hingerichtet werden könnte. Denn die iranischen Behörden pflegen Todeskandidat_innen im Geheimen hinzurichten, nachdem sie sie in Einzelhaft verlegt und ihnen darin den Kontakt zur Außenwelt verweigert haben.
Dr. Ahmadreza Djalali wurde im Oktober 2017 in einem grob unfairen Verfahren vor der Abteilung 15 des Teheraner Revolutionsgerichts wegen "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) zum Tode verurteilt. Das Gericht stützte sich dabei hauptsächlich auf "Geständnisse", die laut Ahmadreza Djalali durch Folter und andere Misshandlungen erzwungen worden waren. Er befand sich zu dieser Zeit in verlängerter Einzelhaft und hatte keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Die Behörden drohten ihm, ihn hinzurichten und seine in Schweden lebenden Kinder sowie seine im Iran lebende Mutter zu töten oder auf andere Art zu verletzen. Amnesty International vertritt die Auffassung, dass der Straftatbestand der "Verdorbenheit auf Erden" die strafrechtlichen Erfordernisse der Rechtsklarheit und Genauigkeit nicht erfüllt und zudem dem Legalitätsprinzip und dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwiderläuft. Am 9. Dezember 2018 erfuhren die Rechtsbeistände von Ahmadreza Djalali, dass sein Todesurteil vor Abteilung 1 des Obersten Gerichtshofs summarisch bestätigt worden war, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, Verteidigungsanträge im Namen ihres Mandanten einzureichen. Mindestens zwei Anträge auf eine gerichtliche Überprüfung seines Falls wurden abgelehnt.
Hintergrundinformation
Am 24. November 2020 erfuhren Ahmadreza Djalali, seine Familie und sein Rechtsbeistand im Büro der Staatsanwaltschaft im Evin-Gefängnis, dass der Behörde für die Vollstreckung von Urteilen ein Hinrichtungsbefehl für Ahmadreza Djalali zugestellt worden sei. Die Beamt_innen im Büro der Staatsanwaltschaft nannten kein konkretes Datum für seine Hinrichtung, kündigten aber an, dass das Urteil innerhalb einer Woche und spätestens am 1. Dezember 2020 vollstreckt werde.
Der in Schweden ansässige iranische Arzt Dr. Ahmadreza Djalali hielt sich aus beruflichen Gründen im Iran auf, als er am 26. April 2016 festgenommen wurde. Er wurde sieben Monate lang in der dem Geheimdienstministerium unterstehenden Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses festgehalten und verbrachte drei Monate in Einzelhaft und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand. Seinen Angaben zufolge wurde er während dieser Zeit gefoltert und anderweitig misshandelt: Man habe ihn unter Druck gesetzt, ein "Geständnis" darüber abzulegen, dass er ein Spion sei. Er sei gezwungen worden, "Geständnisse" abzulegen, die auf Video aufgezeichnet wurden und bei denen er Stellungnahmen verlas, die von den Verhörbeamt_innen vorbereitet worden waren. Ahmadreza Djalali weist die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen als von den Behörden konstruiert zurück. Im August 2017 schrieb er einen Brief aus dem Evin-Gefängnis, in dem er angibt, von den iranischen Behörden nur deshalb inhaftiert worden zu sein, weil er sich geweigert habe, seine akademischen Beziehungen zu europäischen Institutionen dafür zu nutzen, für den Iran zu spionieren.
m 17. Dezember 2018 wurde das "Geständnis" von Dr. Ahmadreza Djalali von einem staatlichen Fernsehsender ausgestrahlt. In einem einschlägig aufbereiteten Programm mit dem Namen Axing the Root wurde er als "Spion" dargestellt. Die Sendung war mit dramatischer Musik, Grafiken und Ausschnitten aus internationalen Nachrichtensendungen unterlegt und dazwischen wurden seine auf Video aufgenommenen "Geständnisse" eingestreut. Durch die Erlangung und Ausstrahlung des erzwungenen "Geständnisses" von Ahmadreza Djalali haben die iranischen Behörden gegen die Unschuldsvermutung verstoßen sowie gegen sein Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen. Ahmadreza Djalali hat seither bestätigt, dass es sich bei dem ausgestrahlten "Geständnis" um die Angaben handelt, die er unter Zwang gemacht hat und die gefilmt wurden, als er ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand in Einzelhaft gehalten wurde.
Im November 2017 forderte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen den Iran auf, Dr. Ahmadreza Djalali unverzüglich freizulassen und ihm ein einklagbares Recht auf Entschädigung und andere Formen der Wiedergutmachung einzuräumen. Er war ohne Haftbefehl festgenommen worden, wurde erst zehn Monate nach seiner Festnahme angeklagt und war nach Meinung der Arbeitsgruppe "faktisch daran gehindert worden, sein Recht auf Anfechtung der Rechtmäßigkeit seiner Haft auszuüben". Die Arbeitsgruppe ist zudem der Ansicht, dass sein Recht auf ein faires Gerichtsverfahren so schwer verletzt wurde, dass der Freiheitsentzug als willkürlich bezeichnet werden kann.
Verlängerte Einzelhaft, d.h. Einzelhaft für die Dauer von mehr als 15 Tagen, verstößt gegen das absolute Verbot der Folter und anderer Formen der Misshandlung. Inhaftierungen ohne Kontakt zur Außenwelt leisten Folter und anderen Formen der Misshandlung sowie dem Verschwindenlassen Vorschub. In den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung der Gefangenen ist festgelegt: "Den Gefangenen ist zu gestatten, unter der notwendigen Aufsicht in regelmäßigen Abständen mit ihrer Familie und vertrauenswürdigen Freunden zu verkehren, sowohl durch Schriftwechsel als auch durch Empfang von Besuchen." Darüber hinaus dürfen die Haftbedingungen für Todeskandidat_innen nicht gegen das Recht jeder Person auf menschenwürdige Behandlung und nicht gegen das absolute Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verstoßen. Personen im Todestrakt darf der Kontakt zu anderen, wie ihren Familien, nicht verwehrt werden.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld der Person oder der Hinrichtungsmethode. Die Organisation betont seit langem, dass die Todesstrafe das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.