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Iran: Dr. Djalali weiter in Hinrichtungsgefahr
Der schwedisch-iranische Arzt Dr. Ahmadreza Djalali wurde im Iran zum Tode verurteilt.
© privat
*** Aktualisierung: Dr. Ahmadreza Djalali ist am 21. Mai nicht hingerichtet worden! Wir sind sehr erleichtert. Doch das Todesurteil könnte jederzeit vollstreckt werden. Bitte schreibt weiter! ***
Dr. Ahmedreza Djalali ist in unmittelbarer Gefahr, hingerichtet zu werden. Laut Berichten mehrerer staatlicher Medien im Iran soll das gegen ihn wegen "Verdorbenheit auf Erden" verhängte Todesurteil spätestens am 21. Mai 2022 vollstreckt werden. Der iranisch-schwedische Wissenschaftler wurde im Oktober 2017 in einem grob unfairen Verfahren zum Tode verurteilt. Das Gericht stützte sich dabei hauptsächlich auf unter Folter erpresste "Geständnisse". Die iranischen Behörden müssen die Hinrichtungspläne umgehend stoppen und Ahmadreza Djalali sofort freilassen.
Appell an
Oberste Justizautorität
Head of judiciary
Gholamhossein Mohseni Ejei
c/o Embassy of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt No. 15
1050 Bruxelles
BELGIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S.E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030 – 83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Ich bitte Sie eindringlich, die Pläne zur Hinrichtung von Ahmadreza Djalali zu verwerfen sowie Schuldspruch und Urteil aufzuheben.
- Bitte kommen Sie den Forderungen der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen nach, Ahmadreza Djalali umgehend freizulassen und ihm ein einklagbares Recht auf Entschädigung zu gewähren.
- Stellen Sie bis zu seiner Freilassung sicher, dass Ahmadreza Djalali vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird. Ordnen Sie umgehend eine unabhängige und unparteiische Untersuchung seiner Folter- und Misshandlungsvorwürfe an. Die Verantwortlichen müssen in fairen Gerichtsverfahren ohne Rückgriff auf die Todesstrafe zur Rechenschaft gezogen werden.
- Bitte verfügen Sie ein offizielles Hinrichtungsmoratorium mit dem Ziel, die Todesstrafe abzuschaffen.
Sachlage
Dem schwedisch-iranischen Wissenschaftler und Arzt Dr. Ahmadreza Djalali, der willkürlich im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten wird, droht die Hinrichtung, nachdem mehrere iranische Staatsmedien am 4. Mai 2022 berichtet hatten, dass sein Todesurteil noch vor Ende des iranischen Monats Ordibehesht 1401 (21. Mai 2022) vollstreckt werden soll. Bereits am 24. November 2020 war Ahmadreza Djalali mitgeteilt worden, dass seine Hinrichtung innerhalb einer Woche vollstreckt werden würde. Daraufhin wurden aus vielen Teilen der Welt Forderungen erhoben, die Hinrichtung zu stoppen. Nach diesen weltweiten Appellen setzten die iranischen Behörden am 2. Dezember 2020 die Hinrichtungspläne aus. Zwischen Ende November 2020 und Anfang April 2021 wurde Ahmadreza Djalali von Angehörigen des Geheimdienstministeriums gefoltert und anderweitig misshandelt, während er sich in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt befand. Er war damals in der Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses inhaftiert, die dem Geheimdienstministerium untersteht. Unter anderem brannte in seiner Zelle rund um die Uhr helles Licht, was ihm nach eigenen Angaben große psychische Probleme bereitete. Zudem musste er über fünf Monate lang auf einer dünnen Decke auf dem Boden schlafen.
Dr. Ahmadreza Djalali wurde im Oktober 2017 in einem grob unfairen Verfahren vor der Abteilung 15 des Teheraner Revolutionsgerichts wegen "Verdorbenheit auf Erden" (ifsad fil-arz) zum Tode verurteilt. Das Gericht stützte sich dabei hauptsächlich auf "Geständnisse", die laut Ahmadreza Djalali durch Folter und andere Misshandlungen erzwungen worden waren. Er befand sich zu dieser Zeit in verlängerter Einzelhaft und hatte keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Amnesty International vertritt die Auffassung, dass der Straftatbestand der "Verdorbenheit auf Erden" die strafrechtlichen Erfordernisse der Rechtsklarheit und Genauigkeit nicht erfüllt und zudem dem Legalitätsprinzip und dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwiderläuft. Am 9. Dezember 2018 erfuhren die Rechtsbeistände von Ahmadreza Djalali, dass sein Todesurteil vor Abteilung 1 des Obersten Gerichtshofs summarisch bestätigt worden war, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, Verteidigungsanträge im Namen ihres Mandanten einzureichen. Mindestens zwei Anträge auf eine gerichtliche Überprüfung seines Falls wurden abgelehnt. Ahmadreza Djalali leidet an mehreren gesundheitlichen Problemen, für die er keine angemessene medizinische Behandlung und Medikation erhält. Er wurde am 21. Januar 2022 wegen seiner chronischen Rückenschmerzen operiert, aber nur einen Tag später wieder ins Gefängnis verlegt, wo er erneut gezwungen ist, auf dem Boden zu schlafen, was zu einer Verschlimmerung der Rückenschmerzen führt.
Hintergrundinformation
Am 4. Mai 2022 veröffentlichten mehrere große staatliche Medien im Iran gleichlautende Artikel, in denen es hieß, dass "informierten Quellen zufolge das Todesurteil gegen Ahmadreza Djalali zur Vollstreckung vorgesehen sei und die Hinrichtung spätestens am Ende von Ordibehesht [21. Mai 2022] erfolgen soll." Wenige Tage zuvor hatte in Schweden im dortigen Verfahren gegen den ehemaligen iranischen Gefängnisbeamten Hamid Nouri die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft für den Angeklagten gefordert. Hamid Nouri wird die Beteiligung an den iranischen Gefängnismassakern von 1988 vorgeworfen, bei denen Tausende politische Aktivist_innen dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen sind und im Geheimen außergerichtlich hingerichtet wurden. In den Medien hieß es, dass die iranische Regierung mit der Vollstreckung des Urteils gegen Ahmadreza Djalali "nicht nur eine verbindliche gerichtliche Anordnung umsetzt, sondern auch die schwedische Regierung daran hindert, weitere Maßnahmen zu ergreifen, die mit der Inhaftierung von Hamid Nouri vergleichbar sind." Es ist allgemein bekannt, dass staatliche Medien im Iran Berichte über hochkarätige politische Fälle in enger Abstimmung mit der Justiz und dem Geheimdienst- und Sicherheitsapparat des Landes veröffentlichen.
Im November 2017 forderte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen den Iran auf, Dr. Ahmadreza Djalali unverzüglich freizulassen und ihm ein einklagbares Recht auf Entschädigung und andere Formen der Wiedergutmachung einzuräumen. Er war ohne Haftbefehl festgenommen worden, wurde erst zehn Monate nach seiner Festnahme angeklagt und war nach Meinung der Arbeitsgruppe "faktisch daran gehindert worden, sein Recht auf Anfechtung der Rechtmäßigkeit seiner Haft auszuüben". Die Arbeitsgruppe ist zudem der Ansicht, dass sein Recht auf ein faires Gerichtsverfahren so schwer verletzt wurde, dass der Freiheitsentzug als willkürlich bezeichnet werden kann.
Der in Schweden ansässige iranische Arzt Dr. Ahmadreza Djalali hielt sich aus beruflichen Gründen im Iran auf, als er am 26. April 2016 festgenommen wurde. Er wurde sieben Monate lang in der dem Geheimdienstministerium unterstehenden Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses festgehalten und verbrachte drei Monate in Einzelhaft und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand. Seinen Angaben zufolge wurde er während dieser Zeit gefoltert und anderweitig misshandelt: Man habe ihn unter Druck gesetzt, ein "Geständnis" darüber abzulegen, dass er ein Spion sei. Die Behörden hätten ihm gedroht, ihn hinzurichten und seine in Schweden lebenden Kinder sowie seine im Iran lebende Mutter (die 2021 gestorben ist) zu töten oder auf andere Art zu verletzen. Er sei gezwungen worden, "Geständnisse" abzulegen, die auf Video aufgezeichnet wurden und bei denen er Stellungnahmen verlas, die von den Verhörbeamt_innen vorbereitet worden waren. Ahmadreza Djalali weist die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen als von den Behörden konstruiert zurück. Im August 2017 schrieb er einen Brief aus dem Evin-Gefängnis, in dem er angibt, von den iranischen Behörden nur deshalb inhaftiert worden zu sein, weil er sich geweigert habe, seine akademischen Beziehungen zu europäischen Institutionen dafür zu nutzen, für den Iran zu spionieren.
Am 17. Dezember 2018 wurde das "Geständnis" von Dr. Ahmadreza Djalali von einem staatlichen Fernsehsender ausgestrahlt. In einem aufbereiteten Programm mit dem Namen Axing the Root wurde er als "Spion" dargestellt. Die Sendung war mit dramatischer Musik, Grafiken und Ausschnitten aus internationalen Nachrichtensendungen unterlegt und dazwischen wurden seine auf Video aufgenommenen "Geständnisse" eingestreut. Durch die Erlangung und Ausstrahlung des erzwungenen "Geständnisses" von Ahmadreza Djalali haben die iranischen Behörden gegen die Unschuldsvermutung verstoßen sowie gegen sein Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen. Ahmadreza Djalali hat seither bestätigt, dass es sich bei dem ausgestrahlten "Geständnis" um die Angaben handelt, die er unter Zwang gemacht hat und die gefilmt wurden, als er ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand in Einzelhaft gehalten wurde.
Amnesty International hat dokumentiert, wie die iranischen Behörden die Standards für ordnungsgemäße Gerichtsverfahren systematisch verletzen – vom Zeitpunkt der Festnahme bis die Angeklagten vor Gericht gestellt werden. Die Betroffenen werden oftmals ohne Haftbefehl festgenommen und an unbekannten Orten ohne Kontakt zu ihren Familien in verlängerter Einzelhaft gehalten. Personen, die im Iran inhaftiert, zu Verhören vorgeladen oder strafrechtlich verfolgt werden, sind oftmals grob unfairen juristischen Verfahren ausgesetzt. Dies betrifft insbesondere aus politischen Gründen beschuldigte Menschen. Die Strafverfolgungsbehörden sowie Vernehmungsbeamt_innen von Sicherheits- und Geheimdienstinstitutionen, wie dem Geheimdienstministerium, verweigern Inhaftierten systematisch den Zugang zu einem Rechtsbeistand – ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme und während der ganzen Dauer der Ermittlungen. Folter und andere Misshandlungen werden systematisch eingesetzt, insbesondere während der Verhöre. Beispielsweise werden Gefangene in verlängerter Einzelhaft gehalten, geschlagen, ausgepeitscht, an den Gliedmaßen aufgehängt, ihnen werden chemische Substanzen und Elektroschocks verabreicht oder sie erfahren sexualisierte Gewalt. Amnesty International hat auch dokumentiert, wie Gefängnis- und Strafverfolgungsbehörden Gefangenen absichtlich den Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung verweigern und das Recht auf Leben verletzen, indem sie kranken Gefangenen absichtlich lebensrettende medizinische Versorgung vorenthalten und sich weigern, Todesfälle in der Haft zu untersuchen und die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld der Person oder der Hinrichtungsmethode. Die Organisation betont seit langem, dass die Todesstrafe das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.