Amnesty 06. Juni 2025

Arbeitsgruppe Schwangerschaftsabbrüche: Einsatz für sexuelle Selbstbestimmung

Das Bild zeigt im Hintergrund viele Menschen, im Vordergrund ein Protestschild mit Aufschrift "§218 ersatzlos streichen"

Demonstration in Augsburg für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen anlässlich des Weltfrauentags am 8. März 2024

Seit 2021 gibt es bei Amnesty Deutschland die Arbeitsgruppe Schwangerschaftsabbrüche. Vorstandsmitglied Lisa Nöth erklärt, wie der Aufstieg rechter Parteien die Arbeit erschwert und warum der gesellschaftliche Trend dennoch positiv ist.

Warum wurde die Arbeitsgruppe Schwangerschaftsabbrüche gegründet?

Der Anlass war, dass uns eine Amnesty-Hochschulgruppe aus Passau schrieb, dass sie mit dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung zusammenarbeiten wolle. In Passau und in ganz Bayern ist die Versorgungslage sehr schlecht, was Schwangerschaftsabbrüche betrifft. Christliche und der Kirche verbundene Krankenhäuser nehmen den Eingriff in der Regel nicht vor. Auch deutschlandweit ist die Versorgung prekär, weil es nur wenig Frauenärzt*innen gibt, die Abbrüche vornehmen. Mehr als die Hälfte der öffentlichen Kliniken mit gynäkologischer Abteilung bieten keine Abtreibungen an. Auf internationaler Ebene fordert Amnesty International schon lange die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, es gab jedoch keine Position zur Lage in Deutschland. Deswegen haben wir unsere Arbeitsgruppe gegründet. Auf Basis der internationalen Policy haben wir unsere Position formuliert und arbeiten nun auf lokaler Ebene, wie in Passau, aber auch auf nationaler Ebene mit anderen Organisationen zusammen.

Was muss sich in Deutschland ändern?

Als wir 2021 mit unserer Arbeit anfingen, gab es im Strafgesetzbuch noch den Paragrafen 219a, der "Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft" unter Strafe stellte. Dieser wurde 2022 abgeschafft. Wir fordern aber auch die Abschaffung des Paragrafen 218, der Schwangerschaftsabbrüche als Straftat definiert, die nur unter bestimmten Bedingungen nicht verfolgt wird. Diese Kriminalisierung hat z. B. zur Folge, dass die Krankenkassen Schwangerschaftsabbrüche nur in Ausnahmefällen bezahlen. Manche Menschen können sich den Eingriff deshalb schlicht nicht leisten. Außerdem sind Schwangerschaftsabbrüche nicht verpflichtender Teil des Medizinstudiums. Dabei sind entsprechende medizinische Fähigkeiten nicht nur für Schwangerschaftsabbrüche wichtig, sondern auch für Fälle, in denen es zu einem ungewollten Abgang kommt. Die Einstufung als Straftat führt außerdem dazu, dass viele Ärzt*innen und Krankenhäuser diese Leistung nicht anbieten, obwohl die Bundesländer gesetzlich verpflichtet sind, ein "ausreichendes Angebot" sicherzustellen. Das heißt, dass es für ungewollt Schwangere möglich sein muss, mit öffentlichen Verkehrsmitteln an einem Tag den Hin- und Rückweg zu einer Einrichtung zurückzulegen, die den Abbruch vornehmen kann.

Amnestys Forderungen sind nicht nur Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren, sondern auch Maßnahmen zur flächendeckenden medizinischen Versorgung von Schwangerschaftsabbrüchen zu ergreifen und den Zugang zu umfassenden sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdiensten, Gütern und Informationen für alle zu ermöglichen.

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Wie sieht die Arbeit der AG konkret aus?

Wir haben gemeinsam mit Pro Familia und dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung viele Kampagnen und Aktionen organisiert, z. B. zum "Safe Abortion Day" am 28. September oder zum Internationalen Frauentag am 8. März. Außerdem arbeiten wir mit Influencerinnen zusammen, um in den sozialen Medien auf das Thema aufmerksam zu machen. Wir haben zwei Parlamentarische Frühstücke für Abgeordnete mitveranstaltet, um einen parteiübergreifenden Diskurs zu ermöglichen, und im Oktober 2024 gemeinsam mit vielen anderen Organisationen einen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs vorgelegt. Vor der Bundestagswahl im Februar 2025 haben wir Postkarten an die Abgeordneten geschickt und sie aufgefordert, sich für eine Streichung von Paragraf 218 und damit für eine gleichberechtigte Gesellschaft einzusetzen, in der ungewollt Schwangere nicht diskriminiert werden.

Was bedeutet der Aufstieg rechter Parteien weltweit für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung?

Wir sehen zum Beispiel in den USA, wie fragil das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist. Populistische Parteien nutzen das Thema und verbreiten falsche und verzerrende Informationen. Weltweit haben Initiativen von Abtreibungsgegner*innen Zulauf, die fortschrittliche gesetzliche Regelungen abschaffen und eine Verschlechterung der Versorgungslage durchsetzen wollen. Gleichzeitig sehen wir, dass die gesellschaftliche Mehrheit in vielen Ländern eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen befürwortet, auch in Deutschland. Es ist in dieser Situation besonders wichtig, dass wir uns auf nationaler und internationaler Ebene weiter dafür starkmachen. Es ist schön, dass die Demonstrationen, die eine Legalisierung fordern, größer geworden sind und immer mehr Menschen aus ganz unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft dafür auf die Straße gehen. Wir müssen laut und wehrhaft bleiben, vor allem angesichts der neuen Regierung, die das Thema nicht vorantreibt.

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