Bürgerjournalistin verurteilt

 Profilaufnahme einer jungen Frau aus China in dunkler Kleidung.

Zhang Zhan

Die Bürgerjournalistin Zhang Zhan ist am 28. Dezember 2020 in Shanghai zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Die Verurteilung beruht auf der Anklage, "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben", weil sie aus Wuhan über Covid-19 berichtet hatte. Zhang Zhan hat ihren Hungerstreik unterbrochen, um weiteren Strafmaßnahmen im Gefängnis zu entgehen. Es besteht allerdings nach wie vor die Sorge, dass sie weiterer Folter oder Misshandlung ausgesetzt werden könnte.

Appell an

President of the People’s Republic of China

Xi Jinping

Zhongnanhai, Xichang’anjie


Xichengqu, Beijing Shi 100017

VOLKSREPUBLIK CHINA

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Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Ken Wu


Märkisches Ufer 54

10179 Berlin


Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

 

Amnesty fordert:

Sachlage

Am 28. Dezember 2020 wurde die Bürgerjournalistin Zhang Zhan vor dem Volksgericht des Bezirks Pudong in Shanghai zu vier Jahren Haft verurteilt. Ihr wird vorgeworfen, "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben" (寻衅滋事罪). Sie ist seit Mai 2020 willkürlich inhaftiert und wurde nun verurteilt, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt hat, das in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist. Sie ist in der Vergangenheit gefoltert und in anderer Weise misshandelt worden, daher besteht nach wie vor die Sorge, dass sie weiterer Folter oder Misshandlungen ausgesetzt sein könnte.

Zhang Zhan reiste im Februar 2020 nach Wuhan, um über den Ausbruch von Covid-19 zu berichten. Sie berichtete über die Inhaftierung unabhängiger Reporter_innen und die Schikane der Familienangehörigen der Betroffenen. Im Gefängnis trat sie in den Hungerstreik, um gegen ihre Inhaftierung zu protestieren. Daraufhin wurde sie Berichten zufolge zwangsernährt und musste mehr als drei Monate lang Tag und Nacht Hand- und Fußfesseln tragen.

Indem die Gefängnisbehörden Zhang Zhan für ihren Hungerstreik bestraften, verstießen sie gegen das in internationalen Menschenrechtsnormen festgeschriebene absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen, zu dessen Einhaltung China verpflichtet ist.

Zhang Zhan ist eine gewaltlose politische Gefangene, die lediglich aufgrund der Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurde. Am 28. Dezember 2020 begann sie, wieder Nahrung zu sich zu nehmen, um weiterer Bestrafung zu entgehen. Es besteht jedoch nach wie vor große Sorge um ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen. Amnesty International befürchtet, dass sie in der Haft erneut gefoltert und in anderer Weise misshandelt werden könnte. 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die ehemalige Anwältin Zhang Zhan ist eine Bürgerjournalistin und äußert sich zu politischen und menschenrechtlichen Belangen in China. Im Februar 2020 reiste sie nach Wuhan, damals das Zentrum des Covid-19-Ausbruchs in China. Sie berichtete auf Online-Plattformen wie WeChat, Twitter und YouTube über die Inhaftierung unabhängiger Reporter_innen und die Schikane der Familienangehörigen der Betroffenen.

Am 18. Dezember 2020 wurde der Rechtsbeistand von Zhang Zhan darüber informiert, dass das Verfahren gegen seine Mandantin am 28. Dezember vor dem Volksgericht des Bezirks Pudong in Shanghai stattfinden werde. Zhang Zhan erschien im Rollstuhl im Gerichtssaal. Sie wurde ab Beginn ihres Hungerstreiks im Juni 2020 von den Behörden zwangsernährt, weshalb Sorge um ihre Gesundheit besteht.

Vor Gericht wurde die Bürgerjournalistin beschuldigt, über die Sozialen Medien große Mengen an Falschinformationen verbreitet zu haben. Laut Angaben ihres Rechtsbeistands legte die Staatsanwaltschaft jedoch keine konkreten Beispiele für diese Anschuldigungen vor.

Zhang Zhan trat im Juni 2020 in den Hungerstreik, um gegen ihre Inhaftierung zu protestieren. Obwohl sie die Absicht hatte, den Hungerstreik fortzusetzen, sollen Gefängnisbeamt_innen ihr gegen ihren Willen über einen Schlauch Nahrung verabreicht haben. An der Zwangsernährung sollen auch ihre Mithäftlinge beteiligt gewesen sein. Ihr Rechtsbeistand berichtete, dass sie körperlich sehr schwach sei und an Magenschmerzen und Schwindel leide und kaum gehen könne. Zhang Zhan musste Berichten zufolge als Strafe für ihren Hungerstreik mehr als drei Monate lang Tag und Nacht Hand- und Fußfesseln tragen. Infolgedessen begann sie am 28. Dezember 2020 wieder Nahrung zu sich zu nehmen.

Bürgerjournalist_innen waren die erste, wenn nicht einzige Quelle für unzensierte Informationen aus erster Hand zum Covid-19-Ausbruch in China. Es gibt nicht viele Bürgerjournalist_innen, da sie keine offizielle Akkreditierung erhalten können, diese aber benötigt wird, um berichten zu dürfen. Bürgerjournalist_innen sind in China ständigen Schikanen und Repressionen ausgesetzt, weil sie Nachrichten und Informationen verbreiten, die von der Regierung zensiert worden sind. Es liegen zahlreiche Berichte darüber vor, dass unabhängige Journalist_innen und Aktivist_innen von den Behörden drangsaliert wurden, weil sie in den Sozialen Medien Informationen über Covid-19 gepostet hatten. Hierzu zählt auch der Rechtsanwalt und Bürgerjournalist Chen Qiushi, der über behördliche Schikane berichtete, nachdem er Aufnahmen aus Krankenhäusern in Wuhan ins Internet gestellt hatte. Ebenso Fang Bin aus Wuhan, der kurzzeitig von den Behörden festgehalten wurde, nachdem er ein Video geteilt hatte, in dem Personen zu sehen sind, die mutmaßlich an Covid-19 gestorben sind.

Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie in China sind zahlreiche Artikel über das Coronavirus zensiert worden, darunter auch Beiträge, die in Mainstream-Medien wie z. B. einem Ableger der Zeitung Beijing Youth Daily (北京青年报) und dem Magazin Caijing (财经) veröffentlicht wurden. Bestimmte Social-Media-Beiträge, politisch sensible Hashtags sowie Forderungen nach Meinungsfreiheit werden routinemäßig gelöscht bzw. zensiert.

Die Straftat "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben" (寻衅滋事罪) unter Paragraf 293 des chinesischen Strafrechts ist ein weit gefasster und vage formulierter Straftatbestand, der häufig eingesetzt wird, um gegen Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen vorzugehen. Diese Straftat fand ursprünglich nur Anwendung bei Störungen der öffentlichen Ordnung auf Plätzen, seit 2013 fallen darunter aber auch digitale Räume. Bei einem Schuldspruch drohen den Verurteilten bis zu fünf Jahre Haft.