Student ohne Kontakt zur Außenwelt

Der ägyptische Student Ahmed Samir Santawy (Archivaufnahme)
© privat
*** Achtung: Ahmed Santawy wurde am 22. Juni zu vier Jahren Haft verurteilt. Bitte setzt euch weiter für ihn ein! *** Der Masterstudent Ahmed Samir Santawy wurde am 1. Februar festgenommen und fiel daraufhin fünf Tage lang dem Verschwindenlassen zum Opfer. In dieser Zeit wurde er von Sicherheitskräften geschlagen und zu seinen wissenschaftlichen Tätigkeiten und Aktivitäten in den Sozialen Medien befragt. Am 6. Februar nahm ihn die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit wegen terrorismusbezogener Anklagen in Untersuchungshaft. Der Student darf keinen Kontakt mit seiner Familie aufnehmen, und es besteht angesichts der Verbreitung des Coronavirus in den überbelegten und unhygienischen ägyptischen Gefängnissen Sorge um seine Gesundheit. Er muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
Appell an
Staatsanwalt
Hamada al-Sawi
Office of the Public Prosecutor
Madinat al-Rehab
Cairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S.E. Herrn Khaled Mohamed Galaleldin Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6 – 7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Ahmed Samir Santawy (Fallnummer 65/2021) bitte umgehend und bedingungslos frei und leiten Sie unverzüglich eine unabhängige, unparteiische und zielführende Untersuchung der Vorwürfe des Verschwindenlassens und der körperlichen Misshandlung ein.
- Sorgen Sie bitte dafür, dass er bis zu seiner Freilassung vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt ist und umgehend regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen erhält.
Sachlage
Der 29-jährige Forscher und Masterstudent Ahmed Samir Santawy wurde am 1. Februar im Büro der Abteilung für Innere Sicherheit (National Security Agency – NSA) in Neu-Kairo festgenommen. Er war einer Vorladung gefolgt, bei der NSA, einer Spezialeinheit der Polizei, vorstellig zu werden. Daraufhin wurde er fünf Tage lang Opfer des Verschwindenlassens, bis er am 6. Februar zum Verhör vor die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) gebracht wurde. Ahmed Samir Santawy sagte dem Staatsanwalt, dass er in dieser Zeit ohne Zugang zu seiner Familie oder seinem Rechtsbeistand an drei verschiedenen Orten festgehalten wurde. Während des Verhörs im Büro der NSA auf der Polizeiwache des Stadtteils Fifth Settlement in Neu-Kairo verband man ihm seinen Angaben zufolge die Augen und schlug ihm mit der Faust in den Kopf- und Magenbereich. Die Fragen der NSA-Angehörigen bezogen sich auf sein Studium und seine Verbindungen zu einer regierungskritischen Facebook-Seite. Der Staatsanwalt leitete keine Untersuchung seiner Vorwürfe über Verschwindenlassen und körperliche Misshandlung ein. Stattdessen wurde Ahmed Samir Santawy zu seinen akademischen Studien befragt und 15 Tage lang in Untersuchungshaft genommen. Die Vorwürfe gegen ihn lauten auf "Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe", "Verbreitung falscher Nachrichten" und "Nutzung eines Social-Media-Kontos zur Verbreitung falscher Nachrichten". Sein Fall hat die Nummer 65/2021. Die Vorwürfe der SSSP basieren auf einem Facebook-Beitrag, der als regierungskritisch betrachtet wird. Ahmed Samir Santawy streitet ab, dass der Beitrag von ihm stammt. Die NSA hat eine Fallakte für die Untersuchung zusammengestellt, die Ahmed Samir Santawy und seine Rechtsbeistände allerdings nicht einsehen dürfen.
Ahmed Samir Santawy studiert Anthropologie an der Central European University (CEU) in Wien. Seine Forschungsarbeit konzentriert sich auf Frauenrechte, unter anderem auf die Geschichte reproduktiver Rechte in Ägypten. Seit er sein Studium im September 2019 aufnahm, ursprünglich an der CEU in Budapest, ist er bei jeder Ein- und Ausreise am Internationalen Flughafen von Kairo von Sicherheitskräften zu den Gründen für seine Auslandsreisen und der Art seines Studiums befragt worden. Zuletzt wurde er bei seiner Einreise nach Ägypten Mitte Dezember 2020 befragt.
Ahmed Samir Santawy befindet sich derzeit im Liman-Tora-Gefängnis im Süden von Kairo und hat keinen Zugang zu seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen. Da er ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten wird, besteht Sorge um seine Gesundheit und sein Wohlergehen, insbesondere angesichts der Verbreitung des Coronavirus und der unzureichenden medizinischen Versorgung in den Gefängnissen. Er hat zudem in der Vergangenheit unter gesundheitlichen Problemen gelitten, die sich im Gefängnis wieder verschärfen könnten, da dort keine ausreichenden Dienste zum Erhalt der psychischen Gesundheit angeboten werden. Der Student ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur wegen seiner akademischen Arbeit zu Gender und Religion in Haft ist.
Hintergrundinformation
Laut einer Beschwerde, die von der Familie von Ahmed Samir Santawy bei der Staatsanwaltschaft eingereicht und von Amnesty International eingesehen wurde, und laut verschiedener anderer Quellen verschafften sich am 23. Januar sieben vermummte und bewaffnete Polizisten Zutritt zu dem Haus der Familie von Ahmed Samir Santawy. Er war an diesem Tag nicht zuhause. Die Sicherheitskräfte legten keinen Haft- oder Durchsuchungsbefehl vor, beschlagnahmten ein digitales Aufnahmegerät aus den Überwachungskameras des Hauses und ließen Ahmed Samir Santawy ausrichten, er solle bei der Abteilung für Innere Sicherheit (NSA) vorstellig werden. Gründe gaben sie jedoch keine an. Ahmed Samir Santawy erschien am 30. Januar im Büro der NSA auf der Polizeiwache in Neu-Kairo und wurde angewiesen, an einem anderen Tag wiederzukommen. Als er am 1. Februar erneut vorstellig wurde, nahm man ihn fest. Am 3. Februar wurde er auf eine andere Polizeistation in Neu-Kairo gebracht. Am 4. Februar brachten ihn Sicherheitskräfte an einen unbekannten Ort, wo er bis zum 6. Februar festgehalten wurde, als er vor der SSSP erschien. Seine Familie und Rechtsbeistände erhielten zwischen dem 1. und 6. Februar keinerlei Informationen über sein Schicksal und seinen Verbleib.
Die SSSP befragte Ahmed Samir Santawy zu seinem Studium und akademischen Hintergrund und verlangte Informationen über seine Forschungsergebnisse bezüglich Islam und Abtreibung. Der Staatsanwalt fragte ihn außerdem ausdrücklich, welche Fragen ihm die NSA gestellt habe. Ahmed Samir Santawy gab an, dass ihn die NSA-Angehörigen über sein Studium befragt hatten sowie über seine mutmaßlichen Verbindungen zu einer Facebook-Seite namens January 25 Revolutionaries, die sich kritisch über die Menschenrechtsbilanz der ägyptischen Behörden äußert. Er stritt jegliche Verbindungen ab. Der Staatsanwalt befragte ihn zudem zu einem Facebook-Beitrag über einen inhaftierten Journalisten, der misshandelt worden sein soll; Ahmed Samir Santawy stritt ab, der Verfasser des Beitrags zu sein. Sein Rechtsbeistand beantragte einen Termin bei der gerichtsmedizinischen Behörde, um die Verletzungen untersuchen zu lassen, die seinem Mandanten während der Inhaftierung durch die NSA zugefügt worden waren. Dies wurde jedoch abgelehnt.