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Impulsiv explosiv
Straße in Riad, Mai 2015
© Tomas Munita / The New York Times / Redux / laif
Handelspartner des Westens, politisches Schwergewicht im Nahen Osten, Menschenrechtsverletzer – Saudi-Arabien ist ein problematischer Verbündeter. Der Politikwissenschaftler Sebastian Sons stellt ein widersprüchliches Land vor.
Von Maik Söhler
Wegen Beleidigung des Islams wurde der saudische Blogger Raif Badawi 2014 zu zehn Jahren Haft, tausend Peitschenhieben und einer hohen Geldstrafe verurteilt. 153 Menschen sind allein 2016 öffentlich hingerichtet worden. Gewerkschaften und Parteien bleiben in der autoritären Monarchie verboten, Frauen werden systematisch benachteiligt. Im Nachbarland Jemen führen die Saudis Krieg. Für all das steht in diesen Tagen Saudi-Arabien.
Vorsichtig werden politische Reformen eingeleitet. Große Teile der Bevölkerung haben Teil an dem Wohlstand, der aus dem Öl- und Gasreichtum des arabischen Landes resultiert. Beim Klimaschutz und in der Nahostpolitik ist die Regierung ein weitgehend verlässlicher Partner des Westens. Auch für all das steht in diesen Tagen Saudi-Arabien.
"Saudi-Arabien ist keineswegs ein Land von Schwarz oder Weiß, von Gut oder Böse, von Rückständigkeit oder Moderne. Es ist immer beides." So formuliert es Sebastian Sons, Saudi-Arabien-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), in seinem neuen Buch "Auf Sand gebaut". Der Politikberater hält die Saudis für "problematische Verbündete", plädiert aber für eine konstruktive Zusammenarbeit, da ein vom Westen abgekoppeltes Saudi-Arabien "eine noch impulsivere und aggressivere Politik" wählen und "die Region vollends destabilisieren" könnte.
Sons’ Buch liefert eine Mischung aus Bericht und Analyse. Er schildert kenntnisreich die Geschichte, Religion und Gesellschaft des Landes am Golf, skizziert die Grundlagen der Außenpolitik, der Wirtschaft sowie der Rivalitäten innerhalb des Königshauses – und untersucht, was die Monarchie mit den USA und Europa verbindet.
Beschreibende gehen oftmals fließend in bewertende, einordnende Passagen über. Dem Buch ist anzumerken, dass ein Politikberater am Werk ist: "Der Westen hat es versäumt, eine klare Strategie im Umgang mit Saudi-Arabien zu entwickeln. Es wurden keine eindeutigen Interessen, Ziele und Erwartungen an eine Saudi-Arabien-Politik formuliert."
Interessanter als solche Allgemeinplätze sind die Analysen Sons’ zur Stellung Saudi-Arabiens in der arabischen Welt und im Nahen Osten. Das Land ist derzeit neben dem Iran die stärkste Regionalmacht, und diese Konkurrenz ist es auch, die in den vielen Kriegen und Konflikten der Region – von Syrien bis Bahrain – mal offen und mal verdeckt ausbricht.
Auch die Gemeinsamkeiten und Differenzen der in Saudi-Arabien vorherrschenden wahhabitischen Auslegung des Islams mit dem islamistischen Terror von al-Qaida und dem "Islamischen Staat" nimmt der Autor gekonnt in den Blick. Eine rigide Religionspolizei im Inneren sowie die finanzielle und ideologische Förderung islamistischer Bewegungen im Ausland gehören genauso zu Saudi-Arabien wie die Teilnahme am internationalen Kampf gegen den IS.
Sons arbeitet die Grundlagen und Widersprüche in der Politik Saudi-Arabiens gut heraus. Deutsche Exporte von Waffen und Sicherheitstechnologie an das Land sieht er dabei durchaus kritisch."Auf Sand gebaut" zielt darauf ab, realistische Einschätzungen für all jene zu liefern, die ökonomisch, politisch oder kulturell mit den Saudis zusammenarbeiten wollen: so gesehen ein ausgesprochen pragmatisches Buch.
Sebastian Sons: Auf Sand gebaut. Saudi-Arabien – Ein problematischer Verbündeter. Propyläen, Berlin 2016. 288 Seiten, 20 Euro.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe April/Mai 2017 des Amnesty Journals erschienen.