"Ich fürchtete mich"
Ist gegangen, bevor sie gegangen wurde. Katarzyna Janowska
© Albert Zawada/ Agencja Gazeta
Die rechtspopulistische Regierung Polens hat die Medienfreiheit stark eingeschränkt.
Ein Gespräch mit der ehemaligen Chefredakteurin des öffentlich-rechtlichen Senders "TVP Kultura" Katarzyna Janowska
Interview: Gabriele Lesser
Sie waren bis vor Kurzem Chefin des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders "TVP Kultura". Warum haben Sie gekündigt?
Einen Tag nach Weihnachten diskutierten die polnischen Abgeordneten über die öffentlich-rechtlichen Medien. Gegen den Widerstand der Opposition peitschte die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die die absolute Mehrheit hat, das "kleine Mediengesetz" durch die beiden Parlamentskammern Sejm und Senat. Dabei ging es nur um eines: die bisherigen Chefs gegen neue auszutauschen.
Hatten Sie etwas anderes erwartet?
Vor den Wahlen im Oktober 2015 klangen die Ankündigungen der PiS gar nicht so schlecht. Die öffentlich-rechtlichen Medien sollten in Kulturinstitute umgewandelt werden und eine feste Finanzierung erhalten. Das war bislang ein großes Problem. Ich musste 80 Prozent meiner Arbeitszeit damit verbringen, Drittmittel für unsere Programme einzuwerben. Das "kleine Mediengesetz" machte dann aber schnell klar, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen vollständig der Politik untergeordnet werden soll.
Wie muss man sich das vorstellen?
Natürlich waren die Medien nie ganz frei von Politik, aber jetzt ist es so, dass der Minister für Staatsvermögen den Fernsehintendanten beruft und auch jederzeit wieder abberufen kann, wenn er sich zum Beispiel parteipolitisch nicht bewährt. Denn der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wird nun nicht mehr von einem Gremium verschiedener politischer und gesellschaftlicher Gruppen definiert, sondern nur noch von einer Partei und ihrem Vorsitzenden, also von der PiS und Jaroslaw Kaczynski.
Wurde "TVP Kultura" für sein bisheriges Programm kritisiert?
Ja, das war bitter. Angeblich hätten wir Fernsehjournalisten in den vergangenen acht Jahren das schlechteste Fernsehen aller Zeiten gemacht. Das warfen uns die Politiker in eben jener stürmischen Sejm-Sitzung vor, in der das "kleine Mediengesetz" verabschiedet wurde. Damit war für mich klar, dass meine Mission beendet war. Ich wollte nicht gefeuert werden, also kündigte ich.
Was werden Sie nun machen?
Ich habe gekündigt, bis zum letzten Tag gearbeitet, bin dann in Urlaub gegangen und erst einmal krank geworden. Sobald es mir wieder besser geht, werde ich mich umsehen. Ich habe verschiedene Ideen und überlege sogar, mich als Filmproduzentin selbstständig zu machen. Es gibt auch erste Angebote, aber genau weiß ich es noch nicht.
Sie sagten, dass die öffentlich-rechtlichen Medien in Polen nie ganz frei von Politik waren. Haben Sie Anweisungen bekommen?
Nein, ganz und gar nicht. Es gab nie Telefonate oder direkte politische Eingriffe ins Programm. Ich habe unter dem Intendanten Juliusz Braun eine große Freiheit genossen und konnte mein Programm so realisieren, wie ich es mir vorstellte. Die einzige Einschränkung waren die stets viel zu knappen finanziellen Mittel. Dennoch gab es im Sender so etwas wie politische Einflusszonen. Intendant Braun galt als ein Mann der liberalen Bürgerplattform PO, seine Stellvertreter waren mit der Bauernpartei PSL und der Linksallianz SLD verbunden. Ich unterstand Braun, der für die Informationssendungen und die Spartenprogramme verantwortlich war. Wir trafen uns einmal in der Woche auf einer Konferenz und besprachen das Programm. Da ging es aber nie um politische Fragen. Es gab auch nie Vorgaben, welche Gäste wir einladen sollten. Das war ganz allein Sache der Redakteure.
Im Wahlkampf war zu hören, dass die öffentlich-rechtlichen Medien zu regierungsfreundlich waren.
Das war der Vorwurf, aber wir haben uns immer bemüht, das ganze politische Spektrum abzudecken. Die Statistiken haben später ja auch gezeigt, dass die Vorwürfe der PiS und des damaligen Präsidentschaftskandidaten Pawel Kukiz aus der Luft gegriffen waren. Sie waren in den Nachrichten wie auch in den Talkshows und publizistischen Programmen genauso vertreten wie die damaligen Regierungsparteien. Im Übrigen spricht ja auch das Wahlergebnis dafür, dass es hier keinerlei politische Diskriminierung gegeben hat.
Warum hat die liberal-konservative Koalition aus PO und PSL die öffentlich-rechtlichen Medien nicht in Kulturinstitute umgewandelt und ihnen eine solide Finanzierung garantiert?
Ich weiß es nicht. Die PO-PSL-Regierung hat die Rolle der Medien vollkommen unterschätzt und sich weder für das Fernsehen noch für die Kultur interessiert. In den Reden von Premier Tusk und Präsident Komorowski ging es eigentlich immer nur um Politik und Wirtschaft. Kultur kam darin nur ganz selten vor.
Das wird unter der rechtspopulistischen PiS nun anders?
Zumindest hat die Partei das so angekündigt. Wie genau sich das Fernsehprogramm in den "nationalen Kulturinstituten" entwickeln wird, müssen wir abwarten. "Kultur, Geschichte, Patriotismus" – das sind die Schlüsselbegriffe der PiS.
Werden Ihre Sendungen den Machtwechsel überstehen?
Das ist schwer zu sagen. Wir hatten elf Sendungen entwickelt, die jede Woche oder jeden Monat wiederkehrten. Unser Flaggschiff war die Talkshow "Die Abflughalle", die ich gemeinsam mit Maks Cegielski moderierte. Diese Sendung, die gewissermaßen zu meinem Markenzeichen wurde, wird es nicht mehr geben. Vielleicht überlebt "Cappuccino mit einem Buch" oder die Sendung über die polarisierende Kunst Zbigniew Liberas, die wir im Abenteuer-Entdecker-Stil aufgezogen haben. Aber das wird sich alles erst zeigen. Noch wird vorproduziertes Programm gesendet.
Kennen Sie Ihren Nachfolger Mateusz Matyszkowicz?
Nein, wir sind uns noch nicht begegnet. Aber seine Freunde aus der rechten Hipster-Szene waren schon zu Gast in der "Abflughalle". Vermutlich wird er weniger Wert auf die aktuelle Kunstentwicklung in Europa und der Welt legen und das Programm mehr auf polnische Volks- und Sakralkultur fokussieren. Aber das sind Spekulationen. Wir müssen es abwarten.
Sie haben sich mit dem biblischen Spruch "Fürchtet Euch nicht!" auf Ihrer Facebook-Seite von Ihren bisherigen Zuschauern verabschiedet.
Ja, mit einem Foto von der neuesten Theaterinszenierung von Jan Klata in Krakau – eine hervorragende Aufführung von Henrik Ibsens "Volksfeind", in dem es um die moralisch korrumpierte politische Macht geht. Wie wir alle wissen, muss ja auch Jan Klata fürchten, seine Stelle als Theaterregisseur zu verlieren. Ich selbst habe mich auch gefürchtet, so wie viele andere Menschen in Polen sich derzeit vor der Zukunft fürchten. Mehr als 800 Menschen haben dieses "Fürchtet Euch nicht!" geteilt. Dabei stand es nur auf meiner privaten Facebook-Seite.
Ministerpräsidentin Beata Szydło spricht vom "guten Wandel", den die PiS-Regierung den Polen bringe. Wie passen die Ängste vieler Polen dazu und die ständigen Proteste im ganzen Land?
Wenn ich für das Fernsehen spreche, ist die Sache völlig klar: Noch nie stand an der TVP-Spitze ein so klar profilierter Parteipolitiker wie der rechtsnationale Jacek Kurski. Er selbst hat sich den Spitznamen "Bullterrier Kaczynskis" gegeben. Das sagt doch alles. Man muss sich keinerlei Illusionen hingeben: Unter Kurski wird sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen in ein Partei-Fernsehen verwandeln.
Können die beinahe wöchentlichen Demonstrationen des "Komitees zur Verteidigung der Demokratie" die neue Regierung aufhalten oder zum Umdenken bewegen?
Nein, das glaube ich nicht. Mehr noch: Ich befürchte, dass mit der Zeit immer weniger Leute protestieren werden. Noch gibt es ja die privaten Medien. Noch gibt es das Verfassungsgericht, auch wenn es kaum noch arbeiten kann. Aber wenn zu der Scheinnormalität unseres Alltags noch Angst kommt – die Angst vor den Fremden, den Flüchtlingen, den Russen – dann kommen die Proteste womöglich vollends zum Erliegen. Das Komitee müsste eine neue positive Vision entwickeln, die eine Antwort auf die uns seit Jahren umtreibende Frage gibt: Wer wollen wir eigentlich sein in Zukunft?
Katarzyna Janowska war vier Jahre Direktorin des öffentlich-rechtlichen Kultursenders "TVP Kultura". Zum Fernsehen kam die Journalistin 1995. Einen Namen hat sie sich mit dem Interviewzyklus "Gespräche zum Ende des Jahrhunderts" gemacht. Der Zyklus ist auch in Buchform erschienen und gilt als Klassiker der Interviewkunst.