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Nach der Tortur
"Folter ist ein Abbild des Hasses." Ángel Amílcar Colón Queveodo
© Amnesty International
Fünf Jahre war Ángel Amílcar Colón Quevedo in Mexiko inhaftiert – ohne Prozess und unter katastrophalen Bedingungen: Er musste Folter und Rassismus erleiden. Jetzt ist er wieder frei, auch dank des Einsatzes von Amnesty. Bei aller Freude bleibt das Entsetzen über die Umstände, die sein Fall offenlegt.
Von Andreas Koob
Sein Kind hatte Krebs und er kein Geld für die Behandlung. Ángel Colón verließ Honduras und wollte in den USA Geld verdienen, um sein Kind zu retten. Dorthin ist er aber nie gelangt. Seine Reise endete im Norden Mexikos in der Stadt Tijuana. Was mit Zuversicht begann, wurde zu einem Albtraum, denn es folgte eine unvorstellbare Tortur.
Am 9. März 2009 wird Ángel Colón von der Polizei bei einer Razzia aufgegriffen und festgenommen. Er wird geschlagen, in die Rippen und in den Bauch getreten. Mexikanische Medien führen ihn als Kriminellen vor, sonst dringt nichts nach außen. Er selbst kann erst fünf Jahre später berichten, seine Augen verdunkeln sich, er weint hemmungslos. Man bringt ihn auf eine Militärbasis im westlichen Tepic, wo er weiter geschlagen wird, während er Schreie von Mitinhaftierten hört. Ihm wird eine Plastiktüte übergestülpt, bis er fast erstickt. Rassistische Beschimpfungen und Erniedrigungen folgen.
Colón geschah das, wovor sich einer Amnesty-Umfrage zufolge nahezu zwei Drittel der mexikanischen Bevölkerung fürchten, wenn sie in Kontakt mit der Polizei oder anderen Behörden kommen: Folter. Und die geht weiter, bis er ein Geständnis unterschreibt für etwas, das er nicht getan hat.
Der Albtraum war damit jedoch noch nicht beendet: Colón wurde bezichtigt, in das organisierte Verbrechen verwickelt zu sein. Er widerrief seine Aussage und wies auf die Folter hin – doch vergeblich. In seiner Akte gibt es nur eine Notiz, ernste Ermittlungen blieben aus. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten Experten dem Folterverdacht nachgehen müssen. So sieht es das Istanbul-Protokoll vor, dessen Anwendung die UNO allen Staaten empfiehlt. Aber der Vater blieb mehr als fünf Jahre hinter Gittern. Statt Geld schickte Colón Videonachrichten an seine Familie: Darin lächelt er und ist doch dem Verzweifeln nahe. Lange Zeit hatte er gar keinen Kontakt. Ab Juli 2014 setzt sich Amnesty für ihn ein. Im Oktober wurde Colón schließlich ohne weitere Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen.
Der Fall wirft viele Fragen auf, auf die es bisher keine Antworten gibt. Einiges deutet darauf hin, dass Rassismus im Spiel war. Amnesty geht davon aus, dass Colón als afro-honduranischer Migrant zur Zielscheibe wurde. Auch er grübelt über die Motive hinter den Erniedrigungen: "Folter ist ein Abbild des Hasses", sagt er. Zugleich lässt Colóns Blick niemanden an seiner überschäumenden Freude zweifeln. Er will mit dem Erlebten abschließen, allerdings erst, wenn die Verantwortlichen ermittelt und bestraft sind: "Niemand soll dasselbe erleben müssen wie ich." Sein Charisma verleiht der Forderung Nachdruck. Dass die Chancen dafür schlecht stehen, weiß er selbst nur zu gut.
Das zentrale Problem ist die Straflosigkeit, die in Mexiko gegenwärtig so weit verbreitet ist wie in kaum einem anderen Land. Wenn er stark ist, kann Ángel Colón in Honduras jetzt wieder der Umweltaktivist sein, der er einmal war, mit seinem jüngsten Kind spielen und mit seiner Partnerin zusammensein. Die Durchreise ist beendet. In die USA muss er nicht mehr, denn seinem ältesten, krebskranken Sohn kann er nicht mehr helfen: Er starb vor fünf Jahren, als Colón in Mexiko war.