Amnesty Report Mexiko 23. Mai 2018

Mexiko 2017/18

Report Cover 17/18

Überall in Mexiko war ein weiterer Anstieg der Gewalt zu verzeichnen. Militärangehörige übernahmen nach wie vor auch reguläre Polizeiaufgaben. Menschenrechtsverteidiger und Journalisten wurden bedroht, angegriffen und getötet; digitale Attacken und Überwachungsmaßnahmen waren besonders verbreitet. Massenhafte willkürliche Inhaftierungen führten nach wie vor zu Folter und anderen Misshandlungen, Verschwindenlassen und außergerichtlichen Hinrichtungen. Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtliche Verbrechen blieben straflos. In Mexiko gestellte Asylanträge stiegen auf eine Rekordzahl an; die meisten Anträge stellten Staatsangehörige von El Salvador, Honduras, Guatemala und Venezuela. Gewalt gegen Frauen gab weiterhin Anlass zu großer Besorgnis; neue Daten belegten, dass zwei Drittel der Frauen in ihrem Leben geschlechtsspezifische Gewalt erlebt hatten. Die Rechte auf Wohnen und Bildung wurden durch zwei größere Erdbeben beeinträchtigt.

Hintergrund

Anfang des Jahres 2017 führte eine Erhöhung der Benzin- und Gaspreise landesweit zu sozialen Unruhen wie Straßenblockaden, Plünderungen und Protesten. Dabei kam es zu Hunderten von Festnahmen und mehreren Todesfällen. Im Verlauf des Jahres führten die Sicherheitskräfte mehrere Aktionen durch, um gegen eine Welle von Erdöldiebstählen vorzugehen. Im Mai kam es bei mindestens einer dieser Sicherheitsoperationen zu einer mutmaßlich außergerichtlichen Hinrichtung durch Armeeangehörige. Die Nationale Menschenrechtskommission (Comisión Nacional de los Derechos Humanos – CNDH) zeigte sich besorgt über die mangelhaften Sicherheitsmaßnahmen in Gefängnissen, die die Rechte der Häftlinge beeinträchtigten. In Nuevo León, Guerrero und anderen Bundesstaaten kam es zu Gefängnisaufständen und im Bundesstaat Jalisco zu einem Hungerstreik im Hochsicherheitsgefängnis von Puente Grande.

Das seit Juni 2016 in vollem Ausmaß einsatzbereite adversatorische Strafrechtssystem wies immer noch Mängel des vorherigen inquisitorischen Systems auf. Dazu gehörten die Verletzung des rechtsstaatlichen Grundprinzips der Unschuldsvermutung sowie die Verwendung von "Beweismaterial" und anderen unzulässigen Beweisen, die unter Verletzung der Menschenrechte erlangt worden waren. Im Kongress wurden Gesetzesvorhaben eingebracht, die die Garantien für einen fairen Prozess schwächen und den Anwendungsbereich der zwingend vorgeschriebenen Untersuchungshaft ausweiten könnten, ohne dass von einem Richter Einzelfallentscheidungen getroffen würden. 

Der Kongress verabschiedete seit langem überfällige Gesetze gegen Folter und andere Misshandlungen sowie gegen Verbrechen des Verschwindenlassens durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure. Es wurde ein Gesetz verabschiedet, das den Gebrauch von Cannabis für medizinische Zwecke erlaubt. Im Verlauf des Jahres fanden anhaltende Debatten über die Umwandlung der für Justizverwaltung und Strafverfolgung zuständigen Generalstaatsanwaltschaft (Procuraduría General de la República) in eine unabhängige Institution statt. Im August 2017 stellten zivilgesellschaftliche Organisationen und Meinungsführer einen Vorschlag zur Konzeption dieser Institution vor.

Im Oktober 2017 entließ der stellvertretende Generalstaatsanwalt (Procurador General de la República suplente) den von unterschiedlichen politischen Akteuren als unabhängig angesehenen Sonderstaatsanwalt für Wahldelikte (Fiscal especial para Delitos Electorales), nachdem dieser öffentlich bekanntgemacht hatte, dass politischer Druck auf ihn ausgeübt worden war, um ihn dazu zu bewegen, keine Maßnahmen in einem hochbrisanten Korruptionsfall zu ergreifen.

Polizei und Sicherheitskräfte

Die Anzahl der Tötungsdelikte stieg deutlich an. Mit 42583 von den Behörden landesweit registrierten Fällen wurde seit dem Beginn der Amtszeit des Präsidenten im Dezember 2012 eine neue Jahreshöchstzahl erreicht. Da einige Verbrechen nicht bei der Polizei angezeigt wurden und nicht alle angezeigten Fälle offizielle Maßnahmen auslösten, ist anzunehmen, dass die wirkliche Anzahl der Tötungsdelikte noch höher lag. 

Im Dezember 2017 verabschiedete der Kongress ein Gesetz über Innere Sicherheit (Ley de Seguridad Interior). Dieses erlaubt, dass die Streitkräfte für längere Zeiträume reguläre Polizeiaufgaben übernehmen. Wirksame Vorkehrungen zur Gewährleistung von Transparenz, Rechenschaftspflicht und ziviler Kontrolle sind nicht vorgesehen.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen waren weit verbreitet und führten häufig zu weiteren Menschenrechtsverletzungen wie Folter und anderen Misshandlungen, Verschwindenlassen und außergerichtlichen Hinrichtungen. Willkürliche Festnahmen waren häufig mit dem Unterschieben von "Beweismitteln" – üblicherweise Schusswaffen und unerlaubte Drogen – durch Ordnungskräfte verbunden. Die Behörden schienen insbesondere Personen ins Visier zu nehmen, die schon in der Vergangenheit diskriminiert worden waren, vor allem in Armut lebende junge Männer. 

Die Polizei missachtete regelmäßig ihre Pflichten während und nach einer Festnahme. In den meisten Fällen wurden die festgenommenen Personen nicht über die Gründe ihrer Festnahme und ihre Rechte – z. B. das Recht auf einen Rechtsbeistand und das Recht auf Kontakt zu ihren Familien – informiert. Ungerechtfertigte Verzögerungen waren üblich, bevor die Festgenommenen den zuständigen Behörden vorgeführt wurden, so dass es oftmals zu weiteren Menschenrechtsverletzungen kam. Die Polizeiberichte über Festnahmen enthielten oft gravierende Fehler, konstruierte Informationen und andere ernste Mängel wie Fehler beim Datum und dem Zeitpunkt der Festnahme. 

Die Gründe für willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen waren unterschiedlich. So wurden Personen festgenommen, um von ihnen Geld zu erpressen. Festnahmen erfolgten auch, weil dritte Parteien den Auftrag gegeben hatten, gegen Bezahlung eine bestimmte Person festzunehmen. Politische Motive waren ebenfalls ein Grund für Festnahmen. Außerdem wurden Personen wegen Bagatelldelikten, die sie üblicherweise gar nicht begangen hatten, festgenommen, um dann gegen sie Ermittlungen wegen einer anderen Straftat durchführen zu können. 

Es gab kein vereinheitlichtes und zugängliches Haftregister (Registro de Detenidos), das internationalen Menschenrechtsabkommen und -standards entsprach, die vorsehen, dass jede Ingewahrsamnahme durch Ordnungskräfte in Echtzeit dokumentiert werden muss.

Folter und andere Misshandlungen

Im Februar 2017 gab der UN-Sonderberichterstatter über Folter einen Nachfolgebericht zu seinem Mexiko-Besuch im Jahr 2014 heraus. Darin heißt es, dass Folter und andere Misshandlungen in Mexiko nach wie vor weit verbreitet seien. Insbesondere werde sexualisierte Gewalt als Foltermethode in einem alarmierenden Ausmaß angewandt. 

Im Juni 2017 trat ein neues Antifoltergesetz mit landesweiter Geltung (Ley General para Prevenir, Investigar y Sancionar la Tortura y otros Tratos o Penas Crueles, Inhumanos o Degradantes) in Kraft, das die bisherigen zentralstaatlichen und bundesstaatlichen Gesetze ersetzte. Zivilgesellschaftliche Organisationen begrüßten das Gesetz als Fortschritt, da es gegenüber der früheren Gesetzgebung die internationalen Standards besser berücksichtigte. Die Spezialeinheit zur Ermittlung in Fällen von Folter der Generalstaatsanwaltschaft (Unidad Especializada en Investigación del Delito de Tortura) gab bekannt, dass ihr landesweit 4390 Strafanzeigen wegen Folter zur Überprüfung vorlägen. Außerdem würden 777 Fälle auf der Grundlage des neuen adversatorischen Systems der Strafjustiz überprüft. Die Bundesbehörden berichteten aber weder über neu erhobene Anklagen gegen Beamte wegen mutmaßlicher Folter, noch veröffentlichten sie Informationen über Festnahmen wegen Folter. Im Bundesstaat Quintana Roo verurteilte ein Bundesrichter einen ehemaligen Polizisten wegen Folter zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. 

Verschwindenlassen

Verschwindenlassen, in das sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure verwickelt waren, war weiterhin an der Tagesordnung. Die Täter genossen nach wie vor fast uneingeschränkte Straffreiheit. Laut dem Nationalen Register der vermissten und verschwundenen Personen (Registro Nacional de Datos de Personas Extraviadas o Desaparecidas) waren das Schicksal oder der Verbleib von 34656 Personen (25682 Männer und 8974 Frauen) noch nicht aufgeklärt. Die wirkliche Anzahl lag noch höher, da die offiziellen Angaben weder die Fälle auf Bundesebene aus den Jahren vor 2014 einschlossen noch die Fälle, die als andere Straftaten wie Geiselnahme und Menschenhandel klassifiziert worden waren.

Die Ermittlungen in Fällen vermisster Personen waren weiterhin fehlerhaft, und die Behörden nahmen die Suche nach Opfern in der Regel nicht sofort auf. Die Straflosigkeit für derartige Verbrechen setzte sich fort, auch im Fall der 43 Studierenden der Lehrerausbildungsstätte in Ayotzinapa, die im Jahr 2014 im Bundesstaat Guerrero Opfer des Verschwindenlassens geworden waren. Die Ermittlungen in diesem Fall kamen auch im Jahr 2017 nur schleppend voran. Im März 2017 wiederholten staatliche Repräsentanten bei einer Anhörung vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ein weiteres Mal die von der Regierung vertretene Version der Ereignisse, wonach die Studierenden auf einer lokalen Müllhalde getötet und verbrannt worden waren. Die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ernannte Interdisziplinäre Gruppe Unabhängiger Experten (Grupo Interdisciplinario de Expertos Independientes) hatte jedoch bereits zuvor nachgewiesen, dass diese Theorie über den Tathergang wissenschaftlich unhaltbar ist. 

Im Oktober 2017 verabschiedete der Kongress ein Allgemeines Gesetz über das Verschwindenlassen (Ley General en Materia de Desaparación Forzada de Personas, Desaparición Cometida por Particulares y del Sistema Nacional de Búsqueda de Personas), das die Straftat des Verschwindenlassens in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht definiert und Instrumente zur Verhinderung und strafrechtlichen Verfolgung enthält. Für die Umsetzung des Gesetzes wird es allerdings erforderlich sein, in den kommenden Jahren dafür ausreichende Geldmittel zur Verfügung zu stellen.

Außergerichtliche Hinrichtungen

Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen wurden nicht ordnungsgemäß untersucht, und die dafür Verantwortlichen blieben weiterhin straffrei. Im vierten Jahr in Folge veröffentlichten die Behörden keine Zahlen über die bei Zusammenstößen mit der Polizei und dem Militär getöteten oder verletzten Personen. Die Öffentlichkeit erhielt auch keine Informationen darüber, ob es in folgenden Fällen zu strafrechtlichen Konsequenzen gekommen war: im Fall von Tlatlaya (Bundesstaat México), wo 22 Personen im Jahr 2014 von Soldaten getötet wurden; im Fall von Apatzingán (Bundesstaat Michoacán), wo Angehörige der Bundespolizei und anderer Sicherheitskräfte 16 Personen im Jahr 2015 töteten, sowie im Fall von Tanhuato (Bundesstaat Michoacán), wo 2015 bei einem Einsatz der Sicherheitskräfte 43 Personen zu Tode kamen.

Am 3. Mai 2017 führten Militärangehörige in der Kleinstadt Palmarito Tochapan (Bundesstaat Puebla) Sicherheitsoperationen durch und berichteten anschließend, dass dabei sieben Personen getötet worden seien, darunter vier Soldaten. Einige Tage später wurden Videoaufzeichnungen von an diesem Ort installierten Sicherheitskameras im Internet veröffentlicht. Eines der Videos zeigte deutlich, wie eine Person in Militäruniform einen auf dem Boden liegenden Mann erschoss. Amnesty International führte eine unabhängige Untersuchung des Videos durch und kam zu dem Schluss, dass ausreichende Gründe für die Annahme vorlagen, dass es sich um eine außergerichtliche Hinrichtung handelte.

Rechte von Flüchtlingen und Migranten

Zwischen Januar und August 2017 wurden insgesamt 8703 Asylanträge gestellt, was etwa den Antragszahlen im gesamten Jahr 2016 entspricht. Der Prozentsatz erfolgreicher Anträge auf Gewährung des Flüchtlingsstatus sank von 35 % im Jahr 2016 auf 12 % im Jahr 2017. Die Mehrzahl der Asylanträge wurde von honduranischen und venezolanischen Staatsangehörigen gestellt, wobei die Anzahl Letzterer zum ersten Mal die der aus El Salvador und Guatemala stammenden Flüchtlinge und Asylsuchenden überstieg. 

Zwischen Januar und November 2017 wurden 88741 Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus festgenommen und 74604 abgeschoben. In den meisten Fällen erhielten sie keine Möglichkeit, gegen ihre Abschiebung Einspruch einzulegen. 94 % der Abgeschobenen kamen aus Honduras, Guatemala und El Salvador, Ländern in denen in den vergangenen Jahren Mordraten registriert wurden, die zu den höchsten weltweit gehörten. 20 % der in diese Länder Abgeschobenen waren Minderjährige. Im Februar 2017 kündigte der Außenminister von Mexiko an, dass sein Land keine ausländischen Staatsangehörigen aufnehmen werde, die auf Grundlage des von US-Präsident Donald Trump am 25. Januar beschlossenen Exekutiverlasses über Grenzkontrollen aus den USA abgeschoben werden.

Im Juni 2017 traf die mexikanische Regierung mit anderen Regierungen der nord- und zentralamerikanischen Staaten zusammen, Angaben zufolge um über Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen für die regionale Flüchtlingskrise zu beraten. Eine Veröffentlichung einer Vereinbarung, die auf dem Treffen erzielt werden konnte, erfolgte jedoch nicht.

Die Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft für die Ermittlung von Verbrechen gegen Migranten (Unidad de Investigación de Delitos para Personas Migrantes) hatte zwar bereits vor zwei Jahren ihre Tätigkeit aufgenommen, doch wurde ihre Arbeit noch immer durch institutionelle Mängel und Probleme bei der Koordinierung mit anderen Behörden beeinträchtigt. Aufgrund dieser Probleme kamen strafrechtliche Ermittlungen nicht voran, so dass Straftaten wie Massaker an Migranten weiterhin straflos blieben.

Im August 2017 veröffentlichte ein Bürgerberatungsgremium eine Studie, die die Beteiligung des Nationalen Migrationsinstituts (Instituto Nacional de Migración) an einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen nachwies. Davon betroffen waren Personen, die in den von diesem Institut betriebenen Hafteinrichtungen für Migranten festgehalten wurden. Zu diesen Menschenrechtsverletzungen zählten Überbelegung, fehlender Zugang zu medizinischer Versorgung, Einzelhaft als Strafmaßnahme sowie mutmaßlich von Mitarbeitern des Instituts verübte Fälle von Folter und anderen Misshandlungen. Die Behörden leugneten, dass Mitarbeiter des Instituts für Folter verantwortlich seien, obwohl die Nationale Menschenrechtskommission schon bei früheren Gelegenheiten bestätigt hatte, dass Beweise für Folter vorlagen.

Menschenrechtsverteidiger und Journalisten

Menschenrechtsverteidiger und Journalisten wurden weiterhin bedroht, drangsaliert, angegriffen oder getötet. 

Mit mindestens zwölf im Jahr 2017 getöteten Journalisten wurde ein neuer Jahreshöchststand seit dem Jahr 2000 erreicht. Zu den Opfern gehörte der Träger des Internationalen Preises für Pressefreiheit des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) und Gründer der Zeitung Ríodoce, Javier Valdez, der am 15. Mai 2017 im Bundesstaat Sinaloa getötet wurde. Viele der an Journalisten verübten Morde fanden am helllichten Tag auf öffentlichen Plätzen statt. Die Behörden machten bei der Aufklärung dieser Tötungen keine nennenswerten Fortschritte. Die Sondereinheit der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Straftaten gegen das Recht auf Meinungsfreiheit (Fiscalia Especial para la Atención de Delitos contra la Libertad de Expresión) ließ den Inhalt der Arbeit der Journalisten als mögliches Motiv in der Mehrzahl der Fälle unberücksichtigt. Der Mechanismus zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten (Mecanismo de Protección para Personas Defensoras de Derechos Humanos y Periodistas), der der mexikanischen Regierung untersteht, gewährte Menschenrechtsverteidigern und Journalisten nur unzureichenden Schutz.

Isidro Baldenegro López, der mit dem Goldman-Preis für Umweltschutz ausgezeichnet worden war, und Juan Ontiveros Ramos, zwei der indigenen Bevölkerungsgruppe der Rarámuri (Tarahumara) angehörende Menschenrechtsverteidiger, wurden im Januar bzw. Februar 2017 getötet. Im Mai wurde die Menschenrechtsverteidigerin Miriam Rodríguez ermordet. Sie hatte die Suche nach ihrer Tochter und anderen im Bundesstaat Tamaulipas "verschwundenen" Personen angeführt. Im Juli brachen Unbekannte in das Haus von Mario Luna Romero ein und setzten das Auto seiner Partnerin in Brand. Dem Sprecher der indigenen Gemeinschaft der Yaqui im Bundesstaat Sonora waren Schutzmaßnahmen im Rahmen des Mechanismus zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten zuerkannt worden.

Im Januar 2017 wurde bekannt, dass ein Netzwerk von Personen das Internet dazu benutzte, um Menschenrechtsverteidiger und Journalisten in allen Teilen Mexikos zu schikanieren und zu bedrohen. Im Juni tauchten Beweise dafür auf, dass Journalisten und Menschenrechtsverteidiger mit Software überwacht wurden, die bekanntermaßen von der Regierung gekauft worden war. Der Mechanismus zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten verfügte über keine Strategie, um Personen, denen Schutzmaßnahmen zuerkannt worden waren, vor digitalen Angriffen und rechtswidriger Überwachung zu schützen.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen war weit verbreitet. Die meisten Fälle wurden nur unzureichend untersucht, und die Täter genossen Straffreiheit. Ausreichende und aktuelle Daten über geschlechtsspezifische Tötungen standen nicht zur Verfügung. Offizielle Daten, die für das Jahr 2016 veröffentlicht wurden, zeigten jedoch, dass 2668 Frauen – vorbehaltlich weiterer Untersuchungen – als Opfer von Tötungsdelikten galten. 

Im August 2017 veröffentlichte das Nationale Institut für Statistik und Geographie (Instituto Nacional de Estadística y Geografía) eine Studie, der zufolge 66,1 % der Mädchen und Frauen über 15 Jahren zumindest einmal im Leben geschlechtsspezifische Gewalt erfahren hatten und 43,9 % der Frauen durch ihre Partner geschlechtsspezifische Gewalt erleben mussten.

In zwölf Bundesstaaten waren die Mechanismen für Notfallmaßnahmen in Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen (Alerta de Violencia de Género contra las Mujeres) aktiviert. Die mit dem Allgemeinen Gesetz über den Zugang der Frauen zu einem Leben ohne Gewalt (Ley General de Acceso de las Mujeres a una Vida Libre de Violencia) eingerichteten Mechanismen basierten auf koordinierten Anstrengungen, Gewalt gegen Frauen und Mädchen entgegenzutreten und sie zu beseitigen. Allerdings musste am Jahresende konstatiert werden, dass kein Nachweis dafür vorlag, dass die Mechanismen bei der Reduzierung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen erfolgreich waren.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

Gleichgeschlechtliche Paare konnten in Mexiko-Stadt und elf Bundesstaaten heiraten, ohne gerichtliche Schritte einleiten zu müssen. In Bundesstaaten, in denen Gesetze oder die Verwaltungspraxis gleichgeschlechtliche Eheschließungen nicht erlaubten, mussten Paare Verfassungsbeschwerde (amparo) bei Bundesgerichten einlegen, damit ihre Fälle überprüft und ihre Rechte anerkannt wurden. 

Urteile des Obersten Gerichtshofs (Suprema Corte de Justicia de la Nación) bestätigten weiterhin das Recht gleichgeschlechtlicher Paare, Ehen zu schließen und Kinder zu adoptieren, ohne aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität diskriminiert zu werden. Im März 2017 erklärte der Oberste Gerichtshof das Gesetz des Instituts für Soziale Sicherheit und Dienstleistungen der öffentlichen Angestellten (Ley del Instituto Seguridad y Servicios Sociales de los Trabajadores del Estado) für verfassungswidrig, da es nur die Rechte heterosexueller Paare schützte.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Zwei Erdbeben im September 2017 hatten schwerwiegende Auswirkungen auf ausgedehnte Gebiete vor allem in Zentral- und Südmexiko. Mehr als 360 Menschen kamen dabei ums Leben; in Mexiko-Stadt waren die meisten Opfer Frauen. Offiziellen Angaben zufolge waren mehr als 150000 Haushalte davon betroffen, und mindestens 250000 Personen wurden obdachlos.

Die Regierung führte unter Beteiligung von zivilen und militärischen Einsatzkräften und mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft Maßnahmen zur Rettung Überlebender und zur Notfallversorgung durch. Es tauchten jedoch auch mehrere Berichte über eine unzureichende Koordination zwischen den Behörden, fehlerhafte und verspätete Informationen über die Rettung von Personen und die Bergung von Leichen sowie rechtswidrige Aneignung von Nahrungsmitteln und anderen für die Überlebenden bestimmten Grundversorgungsmittel auf. Zudem wurde über unzureichende Hilfslieferungen in viele der vom Erdbeben verwüsteten Gebiete berichtet, wovon vor allem kleine und in Armut lebende Gemeinden betroffen waren.

In den Medien veröffentlichte vorläufige Einschätzungen durch Experten wiesen darauf hin, dass einige Gebäude eingestürzt sein könnten, weil bei ihrer Errichtung die Bauvorschriften nicht eingehalten worden waren. Es gab auch keine umfassende Strategie, die sicherstellte, dass obdachlos gewordenen Personen sichere und angemessene Unterbringungsmöglichkeiten bereitgestellt wurden. Am 6. Oktober 2017 forderte Präsident Enrique Peña Nieto betroffene Familien auf, sich selbst zu organisieren, um ihre Häuser wieder aufzubauen. 

Die Versorgung mit Bildungsdienstleistungen wie Unterricht in Grundschulen war während der Sicherheitsüberprüfungen und dem Wiederaufbau von Schulen wochen- oder monatelang unterbrochen. Mehrere Tausend nationale Denkmäler und andere kulturell bedeutende öffentliche Gebäude wurden durch das Erdbeben zerstört oder beschädigt.

Berichte von Amnesty International

False suspicions: Arbitrary detentions by police in Mexico (AMR 41/5340/2017)

Mexico: Open letter to the President on a possible extrajudicial execution by the military ( AMR 41/6347/2017

Mexico’s misinformation wars: How organized troll networks attack and harass journalists and activists in Mexico (News story, 24 January)

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