Amnesty Report Jordanien 23. Mai 2018

Jordanien 2017/18

Report Cover 17/18

Das Parlament beschloss 2017 mehrere Reformen. So schaffte es die Bestimmung ab, wonach Vergewaltiger der Strafverfolgung entgehen können, wenn sie ihr Opfer heiraten. Frauen wurden jedoch weiterhin durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert. Das Parlament verabschiedete ein Gesetz, das Untersuchungshäftlingen gewisse Rechte garantierte und ihre Inhaftierung verkürzte. Provinzgouverneure ordneten weiterhin Verwaltungshaft an, was bedeutete, dass Personen über lange Zeit ohne Anklageerhebung inhaftiert waren. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit blieben eingeschränkt. Arbeitsmigranten waren nicht ausreichend gegen Ausbeutung und Misshandlung geschützt. Rund 50000 Flüchtlinge aus Syrien saßen 2017 weiterhin unter katastrophalen Bedingungen in der Wüste an der Grenze zu Syrien fest. Gerichte sprachen nach wie vor Todesurteile aus, und mehrere Menschen wurden hingerichtet.

Hintergrund

Jordanien beteiligte sich auch 2017 an der US-geführten Militärallianz, die im Irak und in Syrien gegen die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) kämpfte, und an der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz, die in den bewaffneten Konflikt im Jemen eingriff (siehe Länderberichte Irak, Syrien und Jemen).

Im August 2017 wurden Kommunalwahlen abgehalten. Dabei wurden gemäß dem Gesetz zur Dezentralisierung aus dem Jahr 2015 erstmals auch Volksvertretungen auf Provinzebene gewählt.

Im Februar 2017 verabschiedete die Regierung eine Reihe von Maßnahmen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise. Es gab öffentliche Proteste, die sich vor allem gegen die wachsende Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne richteten, aber auch gegen Subventionskürzungen und Steuererhöhungen für Benzin und Gas, Konsumgüter, Telefon- und Internetanschlüsse.

Im Mai 2017 trat ein Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Kraft. Seine Bestimmungen entsprachen weitgehend dem UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das Jordanien 2008 ratifiziert hatte.

Im Juli 2017 beriet das Parlament in mehreren ordentlichen und außerordentlichen Sitzungen über ein Gesetzespaket, das 16 Gesetzentwürfe und Verordnungen umfasste. Sie waren vom Königlichen Komitee zur Entwicklung des Justizwesens und zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit vorgeschlagen worden, das König Abdullah II. im Oktober 2016 eingesetzt hatte.

Festnahmen und Inhaftierungen

Im April 2017 veröffentlichte das Nationale Zentrum für Menschenrechte einen Bericht, der Einzelheiten über anhaltende Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte bei Festnahmen, wie z. B. unverhältnismäßigen Gewalteinsatz bei nächtlichen Razzien, und während der Untersuchungshaft in provisorischen Haftzentren enthielt. Häftlinge hatten während ihrer Verhöre keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand und liefen Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Der Bericht dokumentierte außerdem schlechte Haftbedingungen und stellte fest, dass es keine Trennung von Häftlingsgruppen gab, sondern Personen gemeinsam in einer Zelle untergebracht waren, die unvereinbaren Gruppen angehörten, was Gefahren für die Unversehrtheit der Häftlinge barg. 

Mitte 2017 erließ das Parlament Gesetze, die Tatverdächtigen nach ihrer Festnahme das Recht auf einen Rechtsbeistand garantierten und die Gründung eines Rechtshilfefonds vorsahen. Untersuchungshaft soll nur "in Ausnahmefällen" zu bestimmten Zwecken zur Anwendung kommen. Für Personen, die wegen geringfügiger Vergehen angeklagt sind, soll sie maximal drei Monate dauern, im Fall schwerer Straftaten maximal 18 Monate. Die Gesetzgebung führte auch Alternativen zur Untersuchungshaft ein, wie z. B. elektronische Überwachung, Reiseverbot und Hausarrest. Dies galt jedoch nicht für Untersuchungshäftlinge, die sich im Gewahrsam des Allgemeinen Geheimdienstes befanden.

Verwaltungshaft

Die Behörden hielten verdächtige Personen weiterhin auf der Grundlage des Gesetzes zur Verbrechensverhütung aus dem Jahr 1954 in Verwaltungshaft. Dieses Gesetz erlaubt, Personen bis zu einem Jahr ohne Anklage oder Gerichtsverfahren zu inhaftieren. Verwaltungshäftlinge haben keine Möglichkeit, gegen ihre Inhaftierung Rechtsmittel einzulegen. Das Gesetz kam vor allem bei Fällen zur Anwendung, in denen es um Terrorismus, Spionage, Verrat, Drogen- und Fälschungsdelikte ging.

Nach Angaben der NGO Sisterhood Is Global Institute in Jordanien befanden sich Frauen in Verwaltungshaft, um sie vor häuslicher Gewalt oder sogenannten Ehrenmorden zu schützen. 2017 waren demnach mehr als 1700 Frauen aus diesen Gründen in Verwaltungshaft und damit 16 % weniger als zwei Jahre zuvor.

Recht auf Vereinigungsfreiheit

Im August 2017 teilte die Abteilung für Unternehmenskontrolle der Generalstaatsanwaltschaft mit, das Zentrum zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten habe gegen das Gesetz zur Unternehmenskontrolle von 1997 verstoßen, da es Geld aus dem Ausland angenommen habe, obwohl es als "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" und nicht als "gemeinnützige Gesellschaft" registriert sei. Das Zentrum erhielt eine Kopie der Anzeige mit der Auflage, kein Geld mehr aus dem In- und Ausland anzunehmen und künftig als gemeinnützige Gesellschaft zu firmieren.

Es war das erste Mal, dass das Zentrum zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten eine offizielle Beanstandung bezüglich seiner Finanzierung erhielt. Dabei verfolgte die Organisation bereits seit 19 Jahren ihr erklärtes Ziel, die Medienfreiheit zu schützen. Sie geht gegen Verstöße gegen die Rechte von Journalisten vor und setzt sich für Gesetzesreformen ein, um die Pressefreiheit zu schützen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Kommission für Audiovisuelle Medien blockierte nach wie vor Internetseiten und Online-Medien unter Verweis auf Paragraph 49 des Presse- und Veröffentlichungsgesetzes. Nach diesem Paragraphen muss für "alle elektronischen Publikationen, die Nachrichten, Hintergrundberichte, Artikel oder Kommentare mit Bezug zur Innen- und Außenpolitik des Königreichs veröffentlichen", eine Genehmigung eingeholt werden. Außerdem sind die Behörden befugt, nicht genehmigte Internetseiten zu schließen.

Rechte von Frauen

Im Februar 2017 würdigte der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau Jordaniens Bemühungen, die Benachteiligung von Frauen in Bezug auf Ehe und Familie abzubauen. Er zeigte sich jedoch besorgt darüber, dass weiterhin diskriminierende familienrechtliche Bestimmungen zur Anwendung kamen, dies betraf vor allem die männliche Vormundschaft über Frauen. Der Ausschuss bemängelte außerdem, dass die gesetzlichen Bestimmungen weiterhin Kinderehen zuließen, da es im Ermessen von Scharia-Gerichten und Vormündern lag, Eheschließungen von 15- bis 18-jährigen Mädchen zu erlauben. Ferner stellte der Ausschuss fest, dass das Erbrecht Frauen immer noch benachteiligte und Scharia-Gerichte bei Scheidungen, Unterhaltszahlungen und dem Sorgerecht für die Kinder in der Regel zugunsten des Ehemanns entschieden.

Im Juli 2017 schaffte das Parlament Paragraph 98 des Strafgesetzbuchs ab, der bei sogenannten Ehrenmorden zur Anwendung gekommen war. Er sah eine mildere Strafe für Männer vor, die ein weibliches Familienmitglied "aus Wut über das ungesetzliche oder gefährliche Verhalten des Opfers" ermordet hatten. Paragraph 340 blieb allerdings in Kraft. Danach kann ein Mann, der seine Frau oder eine andere Familienangehörige ermordet hat, mit einer milderen Strafe rechnen, wenn er sie in einer "ehebrecherischen Situation" ertappt hat. Der Paragraph galt zwar sowohl für Männer als auch für Frauen. Da Männer jedoch mehrere Frauen heiraten durften, wurden sie nur selten wegen Ehebruch angeklagt.

Im August 2017 hob das Parlament Paragraph 308 des Strafgesetzbuchs auf, wonach Vergewaltiger der Strafverfolgung entgehen konnten, wenn sie ihre Opfer heirateten.

Rechte von Arbeitsmigranten

Nach Informationen der NGO Tamkeen Fields for Aid hatten von den fast 1,2 Mio. Arbeitsmigranten in Jordanien nur 315016 eine Arbeitserlaubnis. Arbeitsmigranten wurden weiterhin ausgebeutet und misshandelt. So wurden ihre Pässe von den Arbeitgebern einbehalten, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen waren unvermindert schlecht, und man verweigerte ihnen das Recht, den Arbeitgeber zu wechseln. Außerdem wurden sie Opfer von Zwangsarbeit und Menschenhandel. 

Weiblichen Hausangestellten wurde ihr Recht auf Jahresurlaub verweigert. Sie litten unter ausufernden täglichen Arbeitszeiten, verbalen und tätlichen Angriffen sowie sexualisierter Gewalt. In vielen Fällen durften sie das Haus ihres Arbeitgebers nicht verlassen und erhielten keinen Lohn.

Im Februar 2017 begrüßte der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau, dass Jordanien Maßnahmen zum besseren Schutz von Hausangestellten ergriffen hatte, dazu zählten einheitliche Standardverträge, arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen, Regeln für Vermittlungsagenturen und die Verabschiedung eines Gesetzes, das Menschenhandel strafbar machte. Der Ausschuss befürchtete jedoch, dass die Maßnahmen nicht ausreichend sein würden, da es an Zufluchtsorten für Frauen mangelte, sie nur eingeschränkten Zugang zum Justizsystem hatten, das Arbeitsrecht kaum zur Anwendung kam und die betreffenden Arbeitsplätze nicht regelmäßig kontrolliert wurden.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Jordanien beherbergte 2017 etwa 655000 Flüchtlinge aus Syrien, die vom Amt des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge registriert worden waren. Hinzu kamen 13000 palästinensische Flüchtlinge aus Syrien und mehr als 2 Mio. palästinensische Flüchtlinge, die bereits seit vielen Jahren in Jordanien lebten.

Rund 50000 Flüchtlinge aus Syrien saßen weiterhin in der Nähe von Rukban im Berm fest, einem Wüstengebiet an der syrisch-jordanischen Grenze. Seit Juni 2016 waren humanitäre Hilfslieferungen in das Gebiet nicht erlaubt. Im Juni 2017 genehmigten die Behörden eine einmalige Verteilung von Hilfsgütern. Die Lage der im Berm gestrandeten Flüchtlinge war katastrophal: Es fehlte ihnen an Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und Unterkünften, und sie hatten nur gelegentlich Zugang zu Wasser.

Im Oktober 2017 setzte Jordanien selbst den spärlichen Hilfslieferungen, die von jordanischer Seite in das Grenzgebiet gelangt waren, ein Ende und erklärte, Hilfslieferungen könnten nur noch von syrischer Seite aus erfolgen. Der internationalen Gemeinschaft und Jordanien gelang es nicht, eine langfristige Lösung für die im Grenzgebiet festsitzenden Flüchtlinge zu finden, denen jede Möglichkeit verwehrt wurde, einen Asylantrag zu stellen oder von einem Drittstaat aufgenommen zu werden. 

Nach Angaben humanitärer Hilfsorganisationen schoben die Behörden von Januar bis September 2017 mehr als 2330 Syrer in ihr Heimatland ab.

Internationale Strafverfolgung

Im Dezember 2017 stellte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) fest, dass Jordanien gegen seine Verpflichtungen als Vertragsstaat des Römischen Statuts des IStGH verstieß, weil das Land einen Haftbefehl des Gerichts gegen den sudanesischen Staatspräsidenten Omar al-Bashir nicht vollstreckte. Der IStGH entschied, den Verstoß Jordaniens an die Versammlung der Vertragsstaaten des Römischen Statuts und an den UN-Sicherheitsrat weiterzuleiten. Die jordanischen Behörden hatten Omar al-Bashir nicht verhaftet, als er das Land im März besuchte, um an einem Gipfeltreffen der Arabischen Liga teilzunehmen. Der IStGH hatte zwei Haftbefehle gegen ihn ausgestellt wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der sudanesischen Region Darfur.

Todesstrafe

Gerichte sprachen 2017 weiterhin Todesurteile aus, und mehrere Menschen wurden hingerichtet.

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