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Jamaika 2017/18
Die Polizei verübte weiterhin rechtswidrige Tötungen, von denen einige mutmaßlich außergerichtliche Hinrichtungen waren. Die Täter blieben straffrei. Es wurde eine Überprüfung der nationalen Gesetzgebung in Bezug auf Sexualdelikte, häusliche Gewalt sowie Kinderfürsorge und -schutz eingeleitet. Nach Vorschlägen zur Einführung nationaler Personalausweise äußerten NGOs Besorgnis hinsichtlich des Rechts auf Privatsphäre. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) wurden weiterhin in Gesetzgebung und Praxis diskriminiert. Schwule und bisexuelle Gefängnisinsassen waren nach wie vor einem erhöhten Risiko von HIV-Infektionen ausgesetzt.
Hintergrund
Obwohl sich Jamaika zur Gründung einer nationalen Menschenrechtsinstitution verpflichtet hatte, war die Einrichtung dieses Mechanismus bis zum Jahresende noch nicht erfolgt.
Jamaika wies nach wie vor eine der höchsten Tötungsraten in der Region Amerika auf. Laut polizeilichen Angaben stieg die Mordrate zwischen Januar und Juni 2017 um 19 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Polizei und Sicherheitskräfte
Zwischen Januar und März 2017 erhielt die unabhängige Polizeiaufsichtsbehörde (Independent Commission of Investigations – INDECOM) 73 neue Beschwerden über polizeiliche Übergriffe. Im selben Zeitraum dokumentierte sie 42 Tötungen durch Ordnungskräfte. Im Verlauf des Jahres 2017 wurden 168 Menschen von Polizisten getötet, verglichen mit 111 im Jahr 2016.
Weibliche Familienangehörige der mutmaßlich von der Polizei getöteten Personen standen in ihrem Kampf für Gerechtigkeit, Wahrheit und Entschädigung weiterhin einem unterfinanzierten und schwerfälligen Gerichtswesen gegenüber.
Mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses zu den Vorfällen in West-Kingston während des Ausnahmezustands im Jahr 2010, bei denen mindestens 69 Personen getötet worden waren, hatte sich die Regierung noch nicht offiziell dazu geäußert, wie sie die Empfehlungen des Ausschusses umsetzen würde. Ebenso wenig erfolgte eine öffentliche Entschuldigung. Im Juni 2017 schloss die Polizeibehörde (Jamaica Constabulary Force) eine interne administrative Überprüfung des Verhaltens von in dem Bericht genannten Polizeibeamten ab. Die Überprüfung ergab jedoch, dass diesen Personen weder ein Fehlverhalten noch eine Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen während des Ausnahmezustands vorzuwerfen sei.
Im Juni 2017 wurde im Rahmen eines Plans zur Verbrechensprävention ein Gesetz zur Einrichtung von Sondereinsatzzonen erlassen.
INDECOM fungierte als Gastgeber der Karibischen Konferenz über Gewalteinsatz (Caribbean Use of Force Conference) zur Entwicklung einer regionalen Politik über die Anwendung von Polizeigewalt im Einklang mit menschenrechtskonformen Praktiken. An der Konferenz nahmen neben Ordnungskräften aus der gesamten Region Experten für Polizeiarbeit und Menschenrechte teil.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Im März 2017 gingen Unterstützerinnen von Frauenbewegungen und Überlebende von geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt in der Hauptstadt Kingston auf die Straße, um gegen Straffreiheit in Fällen sexualisierter Gewalt zu protestieren.
Jamaikanische NGOs unterbreiteten dem mit der Überprüfung der nationalen Gesetzgebung zu Sexualdelikten, häuslicher Gewalt sowie Kinderfürsorge und -schutz beauftragten Gemeinsamen Parlamentarischen Ausschuss eine Reihe von Empfehlungen. Dazu gehörte u. a. die Empfehlung, die im Gesetz über Sexualdelikte (Sexual Offences Act) enthaltenen Ausnahmeregelungen bei Vergewaltigung in der Ehe aufzuheben, um Frauen unabhängig von ihrem Familienstand vor Vergewaltigung zu schützen.
Recht auf Privatsphäre
Die NGO Jamaicans for Justice (JFJ) äußerte die Befürchtung, dass das Gesetz über die Nationale Behörde zur Identifikation und Registrierung (National Identification and Registration Authority Act) das Recht auf Privatsphäre untergraben und insbesondere Artikel 41 den Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen einschränken könnte.
Kinderrechte
JFJ legte dem Gemeinsamen Parlamentarischen Ausschuss eine Reihe von Empfehlungen zur Verbesserung des Kinderschutzgesetzes (Child Care and Protection Act) vor und empfahl u. a., die Liste der Behörden zu erweitern, bei denen Bürger einen gesetzlich vorgeschriebenen Bericht über Kindesmissbrauch einreichen können, um damit die Anzeige solcher Delikte zu erleichtern.
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche
Es existierte noch immer kein gesetzlicher Schutz vor Diskriminierung aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Folglich waren Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (LGBTI) weiterhin Drangsalierungen und Gewalt ausgesetzt.
Einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Männern waren nach wie vor strafbar, und in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften existierte nur ein eingeschränkter Schutz vor Gewalt zwischen Intimpartnern. NGOs empfahlen die Änderung der gesetzlichen Bestimmungen, um sicherzustellen, dass Vergewaltigung als geschlechtsneutrale Straftat behandelt wird.
Da es für Transgeschlechtliche nach wie vor nicht möglich war, ihren amtlichen Namen und ihre amtliche Geschlechtszugehörigkeit zu ändern, befürchteten Organisationen, die sich für die Rechte von LGBTI einsetzen, dass das vorgeschlagene nationale Identifizierungssystem die Privatsphäre von transgeschlechtlichen Menschen untergraben könnte und sie – u. a. durch potenzielle Arbeitgeber – stigmatisiert und diskriminiert werden könnten.
Im August 2017 fand im dritten Jahr in Folge Jamaikas Pride-Veranstaltung statt, die die Sichtbarkeit der LGBTI-Gemeinschaft weiter erhöhte und Chancen für eine Vernetzung mit der breiten Öffentlichkeit bot.
Recht auf Gesundheit
Im Juni 2017 veröffentlichte die NGO Stand up for Jamaica den Bericht Barriers behind Bars (Hindernisse hinter Gittern), in dem das hohe Risiko von sexualisierter Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und in der Folge HIV-Infektionen analysiert wurde, dem schwule und bisexuelle Männer im Gefängnis General Penitentiary in Kingston ausgesetzt waren. Schwule und bisexuelle Männer waren dort getrennt von den übrigen Gefängnisinsassen untergebracht. Der Bericht hatte zum Ziel, eine Diskussion über Praxisleitlinien zur Reduzierung von HIV in Gefängnissen anzuregen.
Internationale Strafverfolgung
Im Jahr 2017 ratifizierte Jamaika abermals nicht das bereits im September 2000 unterzeichnete Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Das Land schloss sich auch weiterhin nicht dem UN-Übereinkommen gegen Folter und dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen an.
Bericht von Amnesty International
Jamaica: A thank you from Shackelia Jackson (Amnesty International-Artikel, 15. Dezember 2017)