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Rumänien 2017
- DISKRIMINIERUNG – ROMA
- RECHT AUF WOHNEN – RECHTSWIDRIGE ZWANGSRÄUMUNGEN
- RECHT AUF BILDUNG
- POLIZEI UND SICHERHEITSKRÄFTE
- DISKRIMINIERUNG – MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN
- RECHTE VON LESBEN, SCHWULEN, BISEXUELLEN, TRANSGESCHLECHTLICHEN UND INTERSEXUELLEN
- ANTITERRORMAßNAHMEN UND SICHERHEIT
- GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN
- BERICHT VON AMNESTY INTERNATIONAL
Roma waren weiterhin systematischer Diskriminierung, rechtswidrigen Zwangsräumungen und anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Im September 2016 trat das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Kraft. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fand eine öffentliche Anhörung zum Fall eines saudi-arabischen Staatsbürgers statt, der Klage gegen Rumänien eingereicht hatte. Er warf dem Land vor, sich an dem US-amerikanischen Programm für außerordentliche Überstellungen und Geheimgefängnisse beteiligt zu haben. Ende 2016 stand ein Urteil in diesem vier Jahre alten Fall noch immer aus. Nach den Parlamentswahlen im Dezember 2016 wurde Sorin Mihai Grindeanu vom Staatspräsidenten als neuer Ministerpräsident nominiert. Sein Amtsantritt war für den 4. Januar 2017 vorgesehen.
DISKRIMINIERUNG – ROMA
Der UN-Sonderberichterstatter über extreme Armut und Menschenrechte rief die Behörden in seinem im April 2016 veröffentlichten Bericht auf, die schwerwiegende Diskriminierung der Roma anzuerkennen. Er forderte, die beschlossene Strategie für die Jahre 2015 bis 2020 zur Inklusion der Bevölkerungsgruppe der Roma umzusetzen und gezielte Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung und Beschäftigung zu ergreifen. Zudem sollten rechtliche Schutzklauseln gegen rechtswidrige Zwangsräumungen eingeführt und der Zugang zu Sozialwohnungen verbessert werden. Ähnliche Bedenken zur Lage der Roma äußerte der Menschenrechtskommissar des Europarats im Juni 2016.
RECHT AUF WOHNEN – RECHTSWIDRIGE ZWANGSRÄUMUNGEN
Im März 2016 ordnete der EGMR einstweilige Maßnahmen an und forderte die Behörden auf, die Zwangsräumung von zehn Roma-Familien in Eforie Sud im Kreis Constanţa zu stoppen. Es hätte sich um die dritte rechtswidrige Zwangsräumung gehandelt, von der diese Familien betroffen gewesen wären. Sie gehörten zu einer Gruppe von 101 Personen, unter ihnen 55 Kinder, deren Unterkünfte im Jahr 2013 abgerissen worden waren. Im Juni 2016 urteilte das Kreisgericht in Constanţa, dass die 2013 erlassene Abrissverfügung rechtswidrig war, und forderte die Stadtverwaltung auf, den Familien angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Zum Jahresende war die Wohnsituation der zehn Familien jedoch noch immer prekär.
Die 300 Roma, die im Jahr 2010 rechtswidrig aus dem Stadtzentrum von Cluj-Napoca vertrieben worden waren, setzten ihren Kampf um Gerechtigkeit vor Gericht fort und wurden dabei von der NGO Europäisches Zentrum für die Rechte der Roma (European Roma Rights Centre – ERRC) unterstützt. Sie waren in Pata Rât wieder angesiedelt worden, einem Gebiet, das für eine Mülldeponie, Chemieabfälle und zwei bereits existierende Roma-Siedlungen bekannt ist. Nach Angaben von Bewohnern und NGOs führte giftiger Rauch, der von mehreren Feuern auf neu errichteten Müllhalden herrührte, zu Atembeschwerden bei den Bewohnern. Der UN-Sonderberichterstatter über extreme Armut und Menschenrechte, der das Gebiet von Pata Rât besuchte, stellte "primitive Bedingungen" fest, so gebe es keine Stromversorgung und die Unterkünfte seien feucht und überbelegt.
RECHT AUF BILDUNG
Im Mai 2016 richteten die NGOs ERRC und Romani CRISS einen dringenden Appell an die Europäische Kommission, sie möge Verstöße Rumäniens gegen die Antidiskriminierungsvorschriften der EU untersuchen. Sie bezogen sich dabei auf die anhaltende Praxis, Roma-Kinder von anderen Kindern zu trennen. Die NGOs Centre for Advocacy and Human Rights und Centre for Resources for Public Participation stellten bei einer Untersuchung von 112 Kommunen im Nordosten des Landes fest, dass in 82 von insgesamt 394 Schulen Roma-Kinder von anderen Kindern getrennt wurden. Im November und Dezember 2016 veranstaltete das Bildungsministerium öffentliche Anhörungen zu einem Entwurf, der vorsah, die Trennung in den Schulen zu verbieten. Der Entwurf erweiterte die Kriterien für Inklusion im Bildungswesen, legte neue rechtliche Verpflichtungen und Sanktionen fest und definierte die Aufgabe einer Nationalen Kommission für die Aufhebung der Trennung und für Inklusion.
POLIZEI UND SICHERHEITSKRÄFTE
Im Januar 2016 urteilte der EGMR, dass Rumänien die Rechte von vier Angehörigen der Familie Boaca verletzt habe. Nach Ansicht des Gerichts hatten sie Folter und andere Misshandlungen sowie Diskriminierung erlitten. Polizisten hatten die vier Personen im März 2006 in der Polizeiwache in Clejani im Kreis Giurgiu tätlich angegriffen. Ion Boaca, der Vater der drei anderen Betroffenen, musste 19 Tage im Krankenhaus behandelt werden, nachdem man ihm in die Rippen getreten und ihn geschlagen hatte.
Im Juni 2016 beendete das Ministerkomitee des Europarats seine Überprüfung der Umsetzung wichtiger Urteile des EGMR. Diese als Barbu Anghelescu gegen Rumänien bekannten Urteile bezogen sich auf Polizeibrutalität gegen Roma, ineffektive Ermittlungen sowie mögliche rassistische Motive. Die NGOs ERRC, Romani CRISS und das rumänische Helsinki-Komitee kritisierten die Entscheidung, weil die rumänische Regierung ihrer Ansicht nach keine ausreichenden Maßnahmen zur Umsetzung der Urteile und gegen den weitverbreiteten institutionellen Rassismus und andere Probleme ergriffen hatte.
DISKRIMINIERUNG – MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN
Die rumänischen Behörden setzten 2016 zwar den im UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorgesehenen Überprüfungsmechanismus ein, dieser war aber Ende des Jahres noch nicht funktionsfähig. Rumänien hatte das Übereinkommen im Jahr 2011 ratifiziert.
RECHTE VON LESBEN, SCHWULEN, BISEXUELLEN, TRANSGESCHLECHTLICHEN UND INTERSEXUELLEN
Das Zivilgesetzbuch verbot sowohl gleichgeschlechtliche Ehen als auch eingetragene Partnerschaften. Entsprechende Verbindungen, die im Ausland geschlossen worden waren, wurden nicht anerkannt. Der Fall eines gleichgeschlechtlichen Paares, das die Anerkennung seiner in Belgien geschlossenen Ehe beantragt hatte, wurde noch vom Verfassungsgericht geprüft. Im November 2016 wandte sich das Verfassungsgericht an den Gerichtshof der Europäischen Union mit der Bitte um Vorabentscheidung bezüglich einer harmonisierten Auslegung des EU-Rechts auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt für gleichgeschlechtliche Paare.
Die sogenannte Koalition für die Familie, eine Gruppe von etwa 30 Vereinen und Stiftungen, organisierte bis Mai 2016 eine Kampagne zur Unterstützung eines Gesetzentwurfs, der eine Verfassungsänderung vorsieht. Ziel ist es, Familie in der Verfassung nicht wie bisher als "Ehe zwischen Ehepartnern" zu definieren, sondern als "Ehe zwischen einem Mann und einer Frau". Im Juli 2016 entschied das Verfassungsgericht, der Gesetzentwurf könne ins Parlament eingebracht werden, das zu entscheiden hat, ob darüber ein nationales Referendum abgehalten werden soll. Die Entscheidung stand Ende 2016 noch aus.
Im April 2016 stellte der EGMR fest, die Behörden hätten die Angriffe auf Teilnehmende der Pride Parade in Bukarest im Jahr 2006 nicht gründlich untersucht. Es sei auch versäumt worden, einen möglichen Diskriminierungshintergrund der Angriffe aufzuklären.
ANTITERRORMAßNAHMEN UND SICHERHEIT
Im Juni 2016 fand vor dem EGMR eine öffentliche Anhörung zu der gegen Rumänien erhobenen Klage statt, das Land habe sich am US-Programm für außerordentliche Überstellungen und Geheimgefängnisse beteiligt. Das Programm war nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA vom Geheimdienst CIA weltweit umgesetzt worden. Der saudi-arabische Staatsbürger Abd al-Rahim al-Nashiri, der im US-Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba inhaftiert ist, hatte 2012 beim EGMR Klage eingereicht. Er erhob den Vorwurf, Opfer des Verschwindenlassens geworden zu sein und zwischen 2004 und 2006 in einem CIA-Geheimgefängnis in Bukarest Folter erlitten zu haben. Außerdem habe Rumänien seine geheime Haft nicht gründlich untersucht. Die Anhörung fand statt, nachdem der Generalsekretär des Europarats im Februar 2016 die nach Artikel 52 der Europäischen Menschenrechtskonvention eingeleitete Untersuchung über die Beteiligung europäischer Staaten an CIA-Operationen summarisch abgeschlossen hatte – was einen schweren Rückschlag für die strafrechtliche Aufarbeitung der Vorfälle bedeutete. Die rumänische Regierung bestritt die Vorwürfe und verwies auf eine Untersuchung, die noch nicht abgeschlossen sei. Das Urteil des EGMR stand Ende 2016 noch aus.
GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN
Nach Angaben der Generalinspektion der Rumänischen Polizei wurden im ersten Halbjahr 2016 landesweit 8926 Fälle von häuslicher Gewalt angezeigt. 79 % der Opfer waren Frauen und 92,3 % der Täter Männer. Rumänische NGOs gingen davon aus, dass die Zahl der tatsächlichen Fälle wesentlich höher lag. Im Juli 2016 forderten NGOs die Regierung auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) trat im September 2016 in Kraft.