Amnesty Report Peru 20. Mai 2017

Peru 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Die Gewalt gegen Angehörige sozial benachteiligter Gruppen nahm 2016 deutlich zu, ohne dass ihnen ausreichender Schutz gewährt wurde. Besonders davon betroffen waren Frauen und Mädchen, Angehörige indigener Bevölkerungsgruppen sowie Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle. Die Regierung ratifizierte den Internationalen Waffenhandelsvertrag.

HINTERGRUND

Im Juni 2016 wurde Pedro Pablo Kuczynski Godard in einer Stichwahl zum Präsidenten gewählt. Im Verlauf des Jahres 2016 kam es zu mehr als 200 Protesten sozialer Gruppen, davon betrafen etwa 70 % Konflikte zwischen der lokalen Bevölkerung auf der einen und Bergbauunternehmen bzw. Regierungsbehörden auf der anderen Seite. Ihnen lagen Streitigkeiten über Eigentums-, Nutzungs- und Verwertungsrechte bezüglich Rohstoffen sowie Fragen des Umweltschutzes zugrunde.

MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER

Menschenrechtsverteidiger, die sich an sozialen Protesten beteiligten, wurden weiterhin schikaniert, bedroht und angegriffen, insbesondere dann, wenn es um Landrechte und Umweltschutz ging. Die Polizei wandte unverhältnismäßige und unnötige Gewalt an, um die Proteste zu unterdrücken, und setzte dabei auch tödliche Waffen ein. Im Oktober 2016 wurde Quintino Cereceda durch einen Kopfschuss getötet, als die Polizei eine Protestkundgebung gegen ein Bergbauprojekt in Las Bambas in der Region Apurímac gewaltsam auflöste.

Sicherheitspersonal des Bergbauunternehmens Minera Yanacocha griff 2016 zweimal die Kleinbäuerin Máxima Acuña Atalaya und ihre Familie an, bedrohte sie und zerstörte ihre Ernte. Das Unternehmen erklärte, es übe lediglich sein "Recht auf Verteidigung des Eigentums" aus. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hatte Peru bereits im Jahr 2014 aufgefordert, Máxima Acuña Atalaya und ihrer Familie sowie 48 weiteren Aktivisten und Kleinbauern aus der Region Cajamarca Maßnahmen zu ihrem Schutz zu gewähren.

RECHTE INDIGENER BEVÖLKERUNGSGRUPPEN

Die Ermittlungen zum Tod von vier Sprechern der indigenen Gemeinschaft der Asháninka aus der Region Ucayali, die 2014 mutmaßlich von illegalen Holzfällern getötet worden waren, dauerten Ende 2016 noch an. Die vier Sprecher hatten sich gegen die illegale Rodung des angestammten Landes der Asháninka zur Wehr gesetzt.

2016 traten an der nordperuanischen Pipeline des staatlichen Edölkonzerns Petroperú 13 Öllecks auf, die das Wasser und das Land im Amazonasbecken verseuchten, das indigenen Gemeinschaften gehört. Im September 2016 traten indigene Organisationen in den betroffenen Gebieten in den Streik und forderten die Regierung auf, für die Gesundheit der Bevölkerung zu sorgen und Entschädigungen für die entstandenen Umweltschäden zu leisten. Im Dezember 2016 unterzeichneten die indigenen Organisationen und die Regierung diesbezüglich eine Vereinbarung.

Im September 2016 sprach das Strafgericht von Bagua 53 Angehörige indigener Gemeinschaften frei, denen u. a. die Tötung von zwölf Polizisten bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften im Jahr 2009 zur Last gelegt worden war. Von den Sicherheitskräften, die maßgeblich zur Eskalation des Konflikts beigetragen hatten, war bis Ende 2016 noch niemand strafrechtlich verfolgt worden.

STRAFLOSIGKEIT

2016 gab es gewisse Fortschritte bei der Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen, die während des internen bewaffneten Konflikts (1980–2000) verübt worden waren.

Im Juni wurde das Gesetz über die Suche nach "verschwundenen" Personen erlassen.

Im Juli begann das Gerichtsverfahren gegen elf Militärangehörige wegen sexueller Gewalttaten, die zwischen 1984 und 1995 in Manta und Vilca in der Region Huancavelica an Frauen aus ländlichen Gemeinden verübt worden waren.

Am 1. September wurden zehn Militärangehörige wegen der außergerichtlichen Hinrichtung von 69 Personen, unter ihnen 23 Minderjährige, in Accomarca im Jahr 1985 schuldig gesprochen.

Im September 2016 wurden drei hochrangige Staatsbedienstete unter dem Vorwurf angeklagt, sie hätten 1993 zwei Studierende und einen Lehrer im Keller der Zentrale des Militärgeheimdienstes "verschwinden" lassen.

Im Oktober 2016 begann das Verfahren gegen 35 ehemalige Marinesoldaten wegen des Massakers im Gefängnis El Frontón im Jahr 1986, bei dem 133 Gefangene, denen Terrorismus vorgeworfen wurde, außergerichtlich hingerichtet worden waren.

GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN

Frauen und Mädchen wurden 2016 weiterhin Opfer von Gewalt. Berichten zufolge wurden 108 Frauen von ihren Partnern getötet, darüber hinaus gab es 222 Fälle von versuchtem Mord an Frauen und Mädchen. Die meisten dieser Fälle wurden nicht untersucht oder hatten lediglich Gefängnisstrafen zur Folge, die auf Bewährung ausgesetzt wurden.

MENSCHENHANDEL ZUM ZWECK DER SEXUELLEN AUSBEUTUNG

80 % der Opfer von Menschenhandel waren Frauen; 56 % der Opfer hatten das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht. Die Mehrheit von ihnen wurde in Bergbaugebieten sexuell ausgebeutet.

Im September 2016 bestätigte die Ständige Strafkammer des Obersten Gerichtshofs einen Freispruch in einem Fall von Menschenhandel, der eine 15-Jährige betraf. Die Kammer befand, dass die von dem Mädchen in einer Bar eines illegalen Bergbaubetriebs als "Hostess" geleistete Arbeitszeit von mehr als 13 Stunden täglich weder als Ausbeutung ihrer Arbeitskraft noch als sexuelle Ausbeutung bezeichnet werden könne, da das "Arbeitspensum die Arbeiterin nicht unzumutbar beansprucht habe".

SEXUELLE UND REPRODUKTIVE RECHTE

Die Zahl der Teenagerschwangerschaften stieg in Peru weiter an. In einigen Regionen des Amazonasgebiets wurden in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen 32,8 % schwanger. 60 % der Schwangerschaften von Mädchen zwischen 12 und 16 Jahren waren Folge einer Vergewaltigung.

NGOs registrierten 34 Fälle, in denen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle aufgrund von Drohungen und Einschüchterungen in ihrer persönlichen Sicherheit gefährdet waren, sowie acht Morde. Eine Reform des Strafgesetzbuchs, die Diskriminierung und Angriffe aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität strafbar machen sollte, wurde wegen der Neuwahl des Präsidenten und des Parlaments noch nicht verabschiedet.

Im Dezember 2016 wurde im Parlament ein Gesetzentwurf zur Anerkennung der Geschlechtsidentität von transgeschlechtlichen Personen eingebracht.

Im Juli 2016 stellte die Generalstaatsanwaltschaft die Untersuchungen zu mutmaßlichen Zwangssterilisierungen von mehr als 2000 indigenen Frauen und Männern in den 1990er Jahren ein. Lediglich gegen fünf im Gesundheitswesen beschäftigte Personen wurde wegen ihrer Rolle bei den Zwangssterilisierungen ermittelt.

In fünf Regionen des Landes wurde damit begonnen, die Opfer von Zwangssterilisierungen zu registrieren. Ende 2016 waren bereits mehr als 2000 Personen erfasst.

Im August 2016 wies ein erstinstanzliches Gericht in der Hauptstadt Lima das Gesundheitsministerium an, Notfallverhütungsmittel kostenlos zu verteilen.

Schwangerschaftsabbrüche blieben weiterhin in den meisten Fällen verboten, was dazu führte, dass Abtreibungen illegal und unter unsicheren Bedingungen vorgenommen wurden. Im Oktober 2016 brachten mehrere Abgeordnete einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, der eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Fällen sexualisierter Gewalt vorsieht.

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