Amnesty Report 03. Mai 2015

Burundi 2015

 

Die Regierung intensivierte im Laufe des Jahres 2014 die Repressalien gegen kritische Stimmen. Gleichzeitig häuften sich Verstöße gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung. Im Vorfeld der für 2015 anberaumten Wahlen mussten Angehörige der Opposition, zivilgesellschaftlich engagierte Bürger, Rechtsanwälte und Journalisten immer stärkere Einschränkungen hinnehmen. Versammlungen und Demonstrationen wurden nicht genehmigt. Vorwürfe über Schikanen und Gewalttaten von Mitgliedern der Jugendorganisation der Regierungspartei, Imbonerakure, wurden nicht eingehend untersucht.

Hintergrund

Pläne von Präsident Pierre Nkurunziza, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren, wurden von vielen als Verstoß gegen die burundische Verfassung empfunden und sorgten für starke politische Spannungen im Land. Im März 2014 lehnte die Nationalversammlung mit knapper Mehrheit einen Gesetzentwurf ab, der Verfassungsänderungen erlaubt und dem Präsidenten damit eine weitere Amtszeit ermöglicht hätte.

In offiziellen Stellungnahmen hieß es, dass das Verfassungsgericht die Angelegenheit zu einem späteren Zeitpunkt verhandeln würde. Kritiker warfen dem regierenden Conseil National pour la Défense de la Démocratie – Forces pour la Défense de la Démocratie (CNDD-FDD) vor, die im Friedensabkommen von Arusha vereinbarten Grundsätze der Machtteilung zwischen den ethnischen Gruppen zu gefährden.

Das Büro der Vereinten Nationen in Burundi (Bureau des Nations Unies au Burundi – BNUB), das seit Januar 2011 im Land tätig war, stellte seine Arbeit Ende 2014 ein.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sowie die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, die Afrikanische Union (AU) und verschiedene Geberländer, darunter Frankreich und die USA, übten heftige Kritik an der Lage der bürgerlichen und politischen Rechte im Land.

Rechte auf Vereinigungsfreiheit und freie Meinungsäußerung

Die Behörden verweigerten Oppositionsgruppen, der Presse, der burundischen Rechtsanwaltskammer und Organisationen der Zivilgesellschaft die Abhaltung legitimer Versammlungen und friedlicher Proteste. So untersagte z.B. der Bürgermeister von Bujumbura der burundischen Rechtsanwaltskammer im Februar 2014, ihre Mitgliederversammlung abzuhalten und ein geplantes Seminar durchzuführen.

Im März wurde ein Treffen der Jugendorganisation der Oppositionspartei Mouvement pour la Solidarité et la Démocratie (MSD) in einem Bürgerhaus in Gihosha, einem Stadtteil von Bujumbura, verboten. Die Jugendorganisation hatte dort die Vorschläge für die Verfassungsänderung diskutieren wollen. Die Behörden nannten keine Gründe für ihre Entscheidung.

Politische Persönlichkeiten und Oppositionsparteien waren Einmischungen der Behörden, Schikanen und willkürlichen Festnahmen ausgesetzt. So wurde Frédéric Bamvuginyumvira durch rechtswidrige Festnahme und einen von zahlreichen Verfahrensfehlern gekennzeichneten Prozess wegen angeblicher Korruption in seiner politischen Arbeit behindert. Er wurde im März 2014 aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen.

Repressive Gesetzgebung

Das im Juni 2013 erlassene Pressegesetz enthält Bestimmungen, nach denen die Arbeit der Presse und das Recht auf freie Meinungsäußerung offiziell eingeschränkt werden können. Das Gesetz sieht vor, dass Journalisten bei zahlreichen Themen – von öffentlicher Ordnung bis hin zu staatlicher Sicherheit – zur Offenlegung ihrer Quellen aufgefordert werden können.

Das Gesetz über öffentliche Versammlungen wurde benutzt, um Oppositions- und zivilgesellschaftlichen Gruppen die Erlaubnis zu öffentlichen Zusammenkünften oder Demonstrationen zu verweigern.

Menschenrechtsverteidiger

Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen und Medienschaffende wurden schikaniert, insbesondere diejenigen, die sich mit den Menschenrechten oder der Rechenschaftspflicht des Staates befassten.

Der prominente Menschenrechtsverteidiger und gewaltlose politische Gefangene Pierre Claver Mbonimpa wurde im Mai 2014 in Haft genommen und wegen Gefährdung der staatlichen Sicherheit sowie Verwendung falscher Dokumente angeklagt. Pierre Claver Mbonimpa hatte zuvor im Radio erklärt, dass junge Männer mit Waffen und Uniformen ausgerüstet und zur militärischen Ausbildung in die Demokratische Republik Kongo geschickt würden. Er wurde im September aus gesundheitlichen Gründen vorläufig aus der Haft entlassen. Seine Inhaftierung war eine drastische Warnung an die Zivilgesellschaft, dass Personen, die über heikle Themen berichten, Gefahr laufen, willkürlich festgenommen zu werden.

Im April 2014 wurde eine Kundgebung verhindert, mit der zivilgesellschaftliche Organisationen des fünften Jahrestages der Ermordung von Ernest Manirumva gedenken wollten. Manirumva war stellvertretender Vorsitzender der Organisation Observatoire de Lutte Contre la Corruption et les Malversations Économiques (OLUCOME), die sich gegen Korruption und Misswirtschaft engagiert.

Als der Marsch stattfinden sollte, erklärte der Generalstaatsanwalt, ihm läge belastendes Beweismaterial vor, demzufolge Gabriel Rufyiri, der Vorsitzende von OLUCOME, mit dem Tod von Ernest Manirumva zu tun habe. Es wurden keine Ermittlungen zur mutmaßlichen Beteiligung ranghoher Angehöriger der Sicherheitsdienste an der Ermordung von Ernest Manirumva eingeleitet.

Straflosigkeit

Menschenrechtsverstöße durch Mitglieder von Imbonerakure: Unter dem Vorwand, die öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten, begingen Mitglieder von Imbonerakure, der Jugendorganisation der Regierungspartei CNDD-FDD, Menschenrechtsverstöße. Sie verhinderten Zusammenkünfte von Oppositionsparteien, schüchterten Oppositionelle ein, griffen sie tätlich an und ermordeten sie sogar, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Ananias Nsabaganwa, Mitglied der Front für Demokratie in Burundi (Front pour la Démocratie au Burundi – FRODEBU), wurde am 14. März 2014 in seiner Wohnung in Busoni (Provinz Kirundo) von zwei Mitarbeitern der Lokalverwaltung, drei Imbonerakure-Mitgliedern – unter ihnen der Gebietsleiter von Nyagisozi – und zwei Soldaten aufgesucht. Er wurde Berichten zufolge von einem der Soldaten auf Anweisung eines Mitarbeiters der Lokalverwaltung und eines Imbonerakure-Mitglieds erschossen.

Im April 2014 hieß es in einem internen Telegramm des BNUB, dessen Inhalt an die Öffentlichkeit drang, dass in einer Provinz zwei Militärangehörige Imbonerakure sowie demobilisierte Soldaten mit Waffen sowie mit Militär- und Polizeiuniformen versorgt hätten. Die Regierung wies die Vorwürfe zurück, unternahm jedoch keine Schritte, um sie zu untersuchen.

Außergerichtliche Hinrichtungen: Den meisten Vorwürfen im Zusammenhang mit politisch motivierten Morden im Zeitraum von 2010 bis 2012 wurde nicht nachgegangen. Opfer und Zeugen waren nach wie vor in Gefahr, weil es keine wirksamen Schutzmechanismen für sie gab. Im Juni 2014 nahm die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker in Zusammenhang mit vier Fällen von außergerichtlichen Hinrichtungen eine Beschwerde zivilgesellschaftlicher Gruppen und der Organisation Track Impunity Always (TRIAL) an.

Justizsystem: Dem Justizsystem mangelte es an materiellen, finanziellen und logistischen Mitteln. Zu den am häufigsten genannten Problemen der Justiz gehörten der immense Rückstau anhängiger Verfahren, fehlende Transportmöglichkeiten, um Tatverdächtige aus den Hafteinrichtungen zum Gericht zu bringen, und die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Verfahren entweder nicht einleitete oder Fälle nicht für Gerichtsverfahren vorbereitete. Es trafen auch Berichte über Korruption innerhalb der Judikative ein, und die Behörden unternahmen nach wie vor nichts, um politisch heikle Fälle gründlich zu untersuchen.

Wahrheits- und Versöhnungskommission

Am 15. Mai 2014 wurde das Gesetz für die Schaffung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission verabschiedet. Das Gesetz enthielt keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Schaffung eines Sondergerichtshofs für die Verfolgung von Verbrechen im Sinne des Völkerrechts wie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Kommission nahm am 10. Dezember 2014, als elf Mitglieder offiziell vereidigt wurden, ihre Arbeit auf.

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