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Stellungnahme zum Entwurf des sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes und des Polizeibehördengesetzes
Berlin, 08.11.2018
Verfasserin: Dr. Maria Scharlau LL.M.
A. ZUSAMMENFASSUNG
B. GRUNDSÄTZLICHE MENSCHENRECHTLICHE BEDENKEN
Rechtssicherheit: unbestimmte Eingriffsschwelle
1. Unbestimmtheit der maßgeblichen Eingriffsvoraussetzungen
2. Vorgesehener Anwendungsbereich geht über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus
C. MENSCHENRECHTLICHE BEDENKEN IN BEZUG AUF EINZELNE MAßNAHMEN
I. Meldeauflagen, Aufenthaltsvorgaben, Kontaktverbote, Elektrische Fußfesseln, §§ 20, 21, 61 SächsPVDG-E
1. Zur Meldeauflage (§ 20 SächsPVDG-E)
2. Zu Aufenthaltsanordnungen und Kontaktverboten (§ 21 SächsPVDG-E)
3. Zur Fußfessel (§ 61 SächsPVDG-E)
4. Fazit
II. Identitätsfeststellung in eingerichteten Kontrollbereichen, § 15 Abs. 1 Nr. 6 SächsPVDG-E
III. Bewaffnung, § 40 SächsPVDG-E
1. besondere Formen der Munition
2. Maschinengewehre und Handgranaten
IV. Videoüberwachung im polizeilichen Gewahrsam (§ 25 SächsPVDG-E)
V. Ausweitung der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, § 57 SächsPVDG-E, § 30 SächsPBG-E.
Eingriff in die Privatsphäre
Verhältnismäßigkeit
VI. Bildaufzeichnungen des Verkehrs zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität (§ 59 SächsPVDG-E)
VII. Ausschreibung einer Person zur polizeilichen Beobachtung und Kontrolle, § 60 SächsPVDG-E
VIII. Rasterfahndung, § 62 SächPVDG-E
Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
IX. Präventive Telekommunikations-Überwachung und ergänzende Maßnahmen, §§ 66-70 SächsPVDG-E
Eingriff in das Recht auf Privatsphäre, das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und das Fernmeldegeheimnis
Verhältnismäßigkeit
X. Menschenrechtliche Bedenken in Bezug auf Ausnahmen von der Benachrichtigungsplicht nach § 74 SächsPVDG-E und vom Berufsgeheimnisschutz nach § 77
Weitgehende Ausnahmen von der Benachrichtungspflicht, § 74 SächsPVDG-E
Weitgehende Ausnahmen vom Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen, § 77 SächsPVDG-E
D. Notwendige Maßnahmen für mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit bei der Polizei
Aus Sicht von Amnesty International geht der Referentenentwurf des Gesetzes über die Aufgaben, Befugnisse, Datenverarbeitung und Organisation des Polizeivollzugsdienstes im Freistaat Sachsen (Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz – SächsPVDG-E) und des Gesetzes über Aufgaben, Organisation, Befugnisse und Datenverarbeitung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Polizeibehördengesetz – SächsPBG-E)[1] an einigen Stellen über menschenrechtliche Grenzen hinaus. Amnesty International erkennt die Herausforderung für den sächsischen Landesgesetzgeber an, allen in Sachsen lebenden Menschen ein größtmögliches Maß an Freiheit zu garantieren und gleichzeitig effektiv Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden. Amnesty fordert die Landesregierung Sachsen aber eindringlich dazu auf, Regelungen mit Augenmaß zu treffen, die die Freiheit der Menschen nur beschneiden, wo dies absolut notwendig ist und im Einklang mit Menschenrechten steht.
Menschenrechtliche Bedenken bestehen insbesondere unter folgenden Gesichtspunkten:
- Unbestimmtheit der Eingriffsvoraussetzungen für präventiv-polizeiliche Befugnisse: Nach dem Gesetzesentwurf soll eine Vielzahl von schwerwiegenden polizeilichen Maßnahmen künftig bereits im Gefahrenvorfeld möglich sein. Maßgebende Kriterien hierfür sollen zum einen "Tatsachen sein, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums (...) eine Straftat begehen wird". Zum anderen wird das "individuelle Verhalten einer Person" als Anhaltspunkt dafür herangezogen, dass sie "innerhalb eines übersehbaren Zeitraums terroristische Straftaten begeht". Beide Varianten dieser Eingriffsvoraussetzungen sind viel zu vage und genügen nicht den Anforderungen an die Rechtssicherheit. Für Bürger_innen ist nicht vorhersehbar, welches Verhalten diese Anforderungen erfüllt und damit präventiv-polizeiliche Maßnahmen gegen sie möglich macht. Das ist rechtsstaatlich unzulässig. Auch wirkt das Gesetz an keiner Stelle der Gefahr entgegen, dass grundrechtlich geschütztes Verhalten (Besuch eines Vereinstreffens, Teilnahme an einer Kundgebung, Posting in sozialen Netzwerken) als Anhaltspunkt für eine "zukünftige Gefährlichkeit" herangezogen wird. Diese unsichere Rechtslage kann dazu führen, dass Menschen eingeschüchtert werden und auf ihre grundrechtlichen Freiheiten verzichten, um sich nicht verdächtig zu machen.
- Auf dieser vagen Eingriffsgrundlage erfolgen Einschränkungen der persönlichen Freiheit und nicht nur reine Gefahrenerforschungsmaßnahmen: Die vorgesehenen polizeilichen Maßnahmen im Gefahrenvorfeld dienen nicht nur – wie vom Bundesverfassungsgericht im Urteil von 2016 vorgesehen – durch die Überwachung einzelner Personen der weiteren Aufklärung des Gefahren-sachverhalts. Sie greifen vielmehr direkt in den Kausalverlauf ein und beschneiden durch Fußfesseln, Aufenthaltsverbote, Kontaktverbote u.v.m. direkt die Fortbewegungsfreiheit, die Privatsphäre und die Freiheit der Person, noch bevor überhaupt eine konkrete Gefahr entstanden ist.
- Der Gesetzentwurf sieht an einigen Stellen vor, dass mehrere polizeiliche Maßnahmen miteinander verknüpft werden. Dann bilden die – bereits genannten – problematischen vagen Eingriffsbefugnisse (z.B. Anhaltspunkte für zukünftige Straftatbegehung) die Grundlage für ein ganzes Maßnahmenbündel, das in dieser Kombination von Befugnissen besonders stark in Grund- und Menschenrechte eingreift. So wird z.B. die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung (§ 60 Abs. 1 SächsPVDG-E) mit dem Abgleich der Daten aus der Bildaufzeichnung des öffentlichen Verkehrs (§ 59 Abs. 1 SächsPVDG-E) gekoppelt, die sowohl Kfz-Kennzeichen-Scanning als auch die Gesichtserkennung umfasst. Ebenso ermöglicht die Ausschreibung zur polizeilichen Kontrolle (§ 60 Abs. 3, 4 SächsPVDG-E) die Durchsuchung von Personen und Sachen (§§ 27, 28 SächsPVDG-E). Diese Maßnahmenbündelung führt dazu, dass für Betroffene, aber auch für die Gerichte viel schwerer nachzuvollziehen und zu prüfen ist, auf welchen Eingriffsvoraussetzungen eine Maßnahme beruht und ob sie rechtmäßig angewandt wurde. Durch die Kombination mehrerer Grundrechtseingriffe steht außerdem zu befürchten, dass die menschenrechtliche Beeinträchtigung in der Summe nicht verhältnismäßig ist.
- Die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die präventive Telekommunikationsüberwachung und Unterbrechung oder Verhinderung der Telekommunikation ermöglicht einschneidende Eingriffsbefugnisse u.a. in die Privatsphäre der Bürger_innen und geht mit einer erheblichen Streubreite einher.
Amnesty International nimmt aus zeitlichen Gründen nur zu ausgewählten Regelungen des Referentenentwurfs Stellung. Dies bedeutet nicht, dass die Organisation bezüglich aller anderen Regelungen keine menschenrechtlichen Bedenken hat.
Als Hintergrundinformation wird ausdrücklich auf den von Amnesty International im Januar 2017 veröffentlichten Bericht "Dangerously Disproportionate" verwiesen, der Antiterror-Gesetze der letzten Jahre aus vierzehn EU-Staaten analysiert und menschenrechtlich bewertet.[2]
B. GRUNDSÄTZLICHE MENSCHENRECHTLICHE BEDENKEN
Rechtssicherheit: unbestimmte Eingriffsschwelle
Ein wichtiger Teil des Rechtsstaatsgebots (Art. 6 EMRK, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), Art. 103 GG) ist die Garantie von Rechtssicherheit und ausreichender Bestimmtheit von Rechtsvorschriften.[3] In einem Rechtsstaat muss jeder Mensch wissen (können), durch welches Verhalten er oder sie sich strafbar macht bzw. polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auslösen kann.[4] Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fordert in ständiger Rechtsprechung, dass polizeiliche Befugnisse so klar formuliert sein müssen, dass Menschen ihr Verhalten darauf anpassen können.[5]
Da keine völkerrechtliche Definition von "Terrorismus" existiert, haben viele Staaten und internationale Institutionen in den letzten Jahren ihre eigenen – meist sehr vagen – Definitionen festgelegt. Ein Vorgehen auf Basis dieser vagen Definitionen kann bedeuten, dass Menschen, die in keinerlei Verbindung zu einer terroristischen Straftat stehen und eine solche nicht begehen wollen, Ziel von rechtswidrigen Sicherheitsmaßnahmen wie Telekommunikationsüberwachung, Fußfesseln, Kontaktsperren oder sogar Ingewahrsamnahme werden.[6] Der Entwurf des SächsPVDG-E definiert in § 4 Nr. 5 "terroristische Straftaten" durch Verweise auf §§ 129a und 129b StGB. Bei genauer Betrachtung werden auch hier sehr unterschiedlich schwerwiegende Straftaten mit unterschiedlich gewichtigen Schutzgütern zusammengefasst. Dies kann menschenrechtlich problematisch sein, weil die Verhütung "terroristischer Straftaten" pauschaler Anknüpfungspunkt für mehrere weitreichende polizeiliche Maßnahmen ist – wie später noch ausgeführt wird. Auch am SächsPVDG-E zeigt sich also die menschenrechtliche Problematik von polizeilichen Maßnahmen, die gegen das unbestimmte Phänomen "Terrorismus" gerichtet sind.
1. Unbestimmtheit der maßgeblichen Eingriffsvoraussetzungen
Viele der im SächsPVDG-Entwurf vorgesehenen polizeilichen Maßnahmen sollen künftig bereits im Gefahrenvorfeld angeordnet werden können, bevor also eine Gefahr im rechtlichen Sinne vorliegt.[7] Zu diesem Zweck führt der Gesetzentwurf eine Eingriffsschwelle ein, wie sie auch im 2017 überarbeiteten Bundeskriminalamtsgesetz (z.B. in § 45 Abs. 1 BKAG) geregelt wurde. Das SächsPVDG-E stellt damit wie das BKA-Gesetz zum einen auf "Tatsachen" ab, "die die Annahme rechtfertigen, dass eine Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird". Zum anderen wird das "individuelle Verhalten einer Person", das die Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums terroristische Straftaten begeht, als maßgebender Anknüpfungspunkt herangezogen.[8]
In Anbetracht der Tatsache, dass die Anordnung präventiv-polizeilicher Maßnahmen im Rahmen der Gefahrenabwehr regelmäßig auf einer (subjektiven) Prognoseentscheidung einzelner Polizeibeamt_innen beruht, ergeben sich ob der Unbestimmtheit dieser Voraussetzungen erhebliche menschenrechtliche Bedenken.
Die nun in den SächsPVDG-E eingebrachten Eingriffsvoraussetzungen, die wortgleich denen des BKA-Gesetzes entsprechen, wurden aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2016[9] zum alten BKA-Gesetz übernommen. Das Bundesverfassungsgericht hatte dort ausgeführt, dass der Gesetzgeber auch bereits vor dem Eintreten konkreter Gefahren Maßnahmen zur Straftatverhütung ergreifen und die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduzieren kann.[10] Statt einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit genüge es, wenn bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. Die Tatsachen müssten dafür (…) den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen.[11] Die wortwörtliche Übernahme der Ausführungen in den Gesetzestext verkennt allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht keine Tatbestandsvoraussetzungen, sondern nur grundsätzliche Eckpunkte formuliert.[12] Mehrere Bestandteile der Definition der nun maßgebenden Eingriffsschwellen sind sehr unbestimmt: Welcher Zeitraum ist "absehbar"? Welche Art von Tatsachen muss vorliegen für die Annahme, dass in absehbarer Zeit eine Straftat begangen wird? Wann ist eine Straftat "ihrer Art nach konkretisiert"?
Das Bundesverfassungsgericht nennt in seinem Urteil zum BKA-Gesetz als mögliches gefahrbegründendes "individuelles Verhalten" die Einreise einer Person aus einem Terror-Ausbildungslager nach Deutschland.[13] Es wird also deutlich, dass das Gericht ein Verhalten vor Augen hatte, das eindeutige, konkrete und gewichtige Anhaltspunkte für die zukünftige Begehung von terroristischen Straftaten liefert.
Im Zusammenhang mit den oben genannten Eingriffsvoraussetzungen ("Gefährder"-Definition) wurden im Entwurf des SächsPVDG-E keine weiteren Hinweise für "Anhaltspunkte" hinsichtlich der Einstufung von Gefahren ausgeführt, die eine ähnliche Qualität aufweisen. Regelbeispiele fehlen in den §§ 20, 21, 61, 57 und 66 SächsPVDG-E ganz. Sie wären unbedingt notwendig, um der Polizei eine Richtlinie vorzugeben, auf welches Verhalten und welche Anhaltspunkte sie sich berufen kann. Gibt es solche Richtlinien nicht, entsteht die Gefahr, dass die Kriterien von einzelnen Polizist_innen unterschiedlich ausgelegt werden und ein jedes an sich nicht rechtswidrige Verhalten – zum Beispiel der Besuch eines bestimmten Vereinsheims oder einer bestimmten Versammlung – zur Grundlage für schwerwiegende Grundrechtseingriffe (elektronische Fußfessel, Aufenthaltsverbote, Überwachungsmaßnahmen) werden kann.
2. Vorgesehener Anwendungsbereich geht über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus
a. Eingriffe in den Kausalverlauf statt reine Gefahrerforschungsmaßnahmen
Das Bundesverfassungsgericht äußert sich im Urteil zum BKA-Gesetz nur zu Überwachungsmaßnahmen als polizeiliches Werkzeug, das bereits im Vorfeld einer konkreten Gefahr angewendet werden kann. Überwachungsmaßnahmen dienen letztlich der weiteren Sachverhaltserforschung, um eine mögliche Gefahrenlage besser einschätzen zu können. Hier spricht das Gericht dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu, Maßnahmen bereits vor Entstehen einer konkreten Gefahr zuzulassen, damit die Polizei ein umfassenderes Bild des Sachverhalts erhält. Der Gesetzentwurf des SächsPVDG-E beschränkt sich jedoch nicht darauf, Gefahrerforschungsmaßnahmen bereits im Gefahrenvorfeld zuzulassen. Vielmehr ermöglichen §§ 20, 21 und 61 SächsPVDG-E die Anordnung von Meldeauflagen, Aufenthalts- und Kontaktverboten sowie von elektronischen Fußfesseln. Diese Maßnahmen greifen direkt in den weiteren Kausalverlauf und beschränken die Handlungsfreiheit der Betroffenen unmittelbar und wesentlich. Auf Maßnahmen dieser Art hatte das Bundesverfassungsgericht seine Ausführungen zum Gefahrenvorfeld nicht bezogen.
b. Ausweitung der Schutzgüter
Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich in seinem Urteil aus dem April 2016 auf die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus. Die Entscheidungsbegründung verdeutlicht, dass sich das Gericht bewusst ist, mit der Vorverlegung des Eingriffszeitraums eine grundrechtssensible Ausnahme aufzuzeigen, die nur in sehr engen Grenzen zulässig sein kann. Das Gericht macht dabei deutlich, dass der Staat (nur dann), wenn er sich ernsten Bedrohungslagen – wie terroristischen Anschlägen – gegenüber sieht, mit Augenmaß auch im Gefahrenvorfeld tätig werden kann. Außerdem wiederholt das Gericht den Grundsatz, dass es für präventive Maßnahmen immer auf das Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter ankomme.[14] Heimliche Überwachungsmaßnahmen seien nur zum Schutz besonderer Rechtsgüter wie Leib, Leben, Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes zulässig.
Der Gesetzentwurf führt in § 4 SächsPVDG-E die Kategorien der "Straftaten von erheblicher Bedeutung" und "terroristischen Straftat" neu ein. Der Katalog der "terroristischen Straftaten", der z.B. maßgeblich ist für die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung und zur gezielten Kontrolle (§ 60 SächsPVDG-E), längerfristige Observation und Einsatz besonderer technischer Mittel (§ 63 SächsPVDG-E) und die heimliche Telekommunikationsüberwachung (§ 66 SächsPVDG-E) erfasst auch Straftatbestände, die nicht die "überragend wichtigen" Rechtsgüter wie Leib, Leben, Freiheit schützen, sondern z.B. im Fall der §§ 305 und 305a StGB (Zerstörung von Bauwerken und Arbeitsmitteln) das Eigentum (vgl. Verweisung des § 4 Nr. 5 SächsPVDG-E u.a. auf § 129a Abs. 2 Nr. 2 StGB).
Gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 SächsPVDG-E soll präventive – heimliche – Telekommunikationsüberwachung auch zur Abwehr einer Gefahr "für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt" zulässig sein, hierbei handelt es sich ebenfalls um keines der vom Bundesverfassungsgericht genannten besonders wichtigen Schutzgüter.
C. MENSCHENRECHTLICHE BEDENKEN IN BEZUG AUF EINZELNE MAßNAHMEN
Mit den §§ 20, 21 und 61 des SächsPVDG-E soll es zukünftig möglich sein, Meldeauflagen, Aufenthaltsvorgaben, Kontaktverbote und Fußfesseln anzuordnen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Personen in absehbarer Zeit Straftaten bestimmter Kategorien begehen. Zur Durchsetzung einer Aufenthaltsanordnung oder eines Kontaktverbotes darf nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 SächsPVDG-E eine Ingewahrsamnahme von bis zu drei Tagen angeordnet werden.
Die genannten Maßnahmen nach §§ 20, 21 und 61 SächsPVDG-E sind zwar unterschiedlich eingriffsintensiv. Alle Befugnisse greifen jedoch in das Menschenrecht auf Fortbewegungsfreiheit nach Art. 2 ZP 4 EMRK, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG – und in die Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 1 GG – ein. Darüber hinaus greifen alle drei Maßnahmen in das Recht auf den Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK und Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG ein.
1. Zur Meldeauflage (§ 20 SächsPVDG-E):
Meldeauflagen ermöglichen die Anordnung, sich nach bestimmten Maßgaben unter Vorlage eines gültigen Personaldokuments bei einer Polizeistelle zu melden. Hierdurch werden die betroffenen Personen in ihrer Fortbewegungsfreiheit eingeschränkt. Durch § 20 SächsPVDG-E wird eine ausdrückliche Regelung für diese Maßnahme eingeführt, die in den vergangenen Jahren bereits angewendet und auf die polizeiliche Generalklausel gestützt wurde. Auch wenn es grundsätzlich im Sinne der Rechtsklarheit ist, genaue Rechtsgrundlagen zu schaffen, ist die Befugnis in § 20 SächsPVDG-E zu ausufernd. § 20 Abs. 1 S. 1 SächsPVDG-E setzt voraus, dass "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass (die betroffene Person) im Zusammenhang mit einem zeitlich oder örtlich begrenzten Geschehen innerhalb absehbarer Zeit eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat begehen wird". Danach genügt die "Annahme" einer zukünftigen Straftat jeglicher Art – auch ohne Bezug zu Terrorismus – für Meldeauflagen. Jedes Bagatelldelikt würde danach eine Meldeauflage rechtfertigen.
Darüber hinaus findet sich keine Regelung zum zulässigen Umfang einer Meldeauflage, so beispielsweise die zulässige "Meldefrequenz". Gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 SächsPVDG-E sind zwar schutzwürdige Belange Dritter und der mitbetroffenen Person bei der Anordnung der Meldeauflage zu berücksichtigen. Diese in der Gesetzesbegründung (S. 163) genannten schutzwürdigen Belange (z.B. Berufstätigkeit, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben) sollten auch zumindest beispielhaft im Gesetzestext genannt werden. Darüber hinaus wird die Vorgabe durch die weite Ausnahmeregelung entwertet: So entfällt die Pflicht schutzwürdige Belange der Betroffenen zu berücksichtigen, wenn dadurch die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe erheblich erschwert oder gefährdet wird – ein Ausnahmetatbestand, der der Polizei viel Spielraum lässt.
Weil durch die Meldeanordnung das Grundrecht der Freizügigkeit berührt wird, ist ein Eingriff – sofern deutsche Staatsbürger betroffen sind (Freizügigkeit als sogenanntes "Deutschengrundrecht") – nach dem qualifizierten Schrankenvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 Alt. 5 GG nur zur Vorbeugung strafbarer Handlungen zulässig. Entscheidend für diesen sog. Kriminalvorbehalt ist, ob die Begehung von Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.[15] Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt bei den vagen Voraussetzungen im Gefahrenvorfeld jedoch gerade nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht fordert darüber hinaus, dass nicht die Gefahr einer jeden Straftat eine Beschränkung der Freizügigkeit erlauben darf, sondern dass in diesem Zusammenhang "auf das Recht der Gemeinschaft auf Schutz ihrer lebenswichtigen Belange" abzustellen sei.[16] Die Möglichkeit zur Verhütung jeder Straftat Meldeanordnungen zu erlassen, entspricht dieser Maßgabe nicht, sie ist daher unverhältnismäßig und greift unangemessen in die Fortbewegungsfreiheit der Betroffenen ein.
2. Zu Aufenthaltsanordnungen und Kontaktverboten (§ 21 SächsPVDG-E):
Aufenthaltsanordnungen und Kontaktverbote können ganz massive Einschränkungen für die Lebensführung bedeuten. Je nach Zuschnitt der Auflagen werden zentrale Bestandteile der privaten Lebensführung (Berufsausübung, Reisen, Familienleben, Teilhabe an politischen Aktivitäten) erschwert: Jemand, der auf Arbeitssuche ist, kann womöglich nicht zum Vorstellungsgespräch. Menschen, die eine medizinische Spezialbehandlung brauchen, können ebenso empfindlich getroffen werden wie jemand, dessen Kinder in einem anderen Teil Deutschlands leben. Mangels Pflichtanwalt sind die Betroffenen hier nicht automatisch rechtlich beraten. Dies bedeutet, dass ein sehr starker Grundrechtseingriff in Fällen zulässig ist, in denen eine noch nicht konkrete, sondern lediglich eine zukünftige und nur potentiell auftretende Gefahr vorliegt. Der Amnesty-Bericht "Upturned lives" aus dem Jahr 2016 zur Situation in Frankreich untersucht die menschenrechtlichen Konsequenzen von solch weitgehenden Eingriffsbefugnissen. Der Bericht macht deutlich, wie Personen, gegen die kein Strafverdacht vorlag, um ihr normales Arbeits- und Privatleben gebracht wurden.[17]
Gemäß § 21 Abs. 1 SächsPVDG-E kann die Polizei einer Person für bis zu drei Monate den Aufenthalt in einem Gemeindegebiet oder -gebietsteil untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person dort innerhalb absehbarer Zeit eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird. § 21 Abs. 1 SächsPVDG-E enthält damit eine Neuregelung des bisherigen § 21 Abs. 2 PolG Sachsen, mit dem Unterschied, dass eine ausdrückliche Regelung des Verhältnismäßigkeitsprinzips wegfällt und dafür eine "Straftat von erheblicher Bedeutung" vorausgesetzt wird. Die letztere Einschränkung ändert jedoch nichts daran, dass die ausufernde Möglichkeit der Aufenthaltsanordnung nach § 21 Abs. 1 SächsPVDG-E unverhältnismäßig in das Privatleben und die Fortbewegungsfreiheit der Betroffenen eingreifen kann: Für die betroffenen Personen kann das Verbot, ein Gemeindegebiet zu betreten, weitreichende Folgen haben: Dort können sich Arbeitsplatz, Schule der Kinder, soziale Treffpunkte etc. befinden, von denen der Betroffene dann abgeschnitten ist. Selbst die Gesetzesbegründung räumt ein, dass die Abgrenzung eines harmlosen von einem in eine Straftatenbegehung mündenden Verhalten schwierig ist (S. 165 oben). Der nachfolgende Hinweis, deshalb sollten "solche Tatsachen vorliegen, die den Grad der Wahrscheinlichkeit eines strafrelevanten Ablaufs deutlich erhöhen", hilft weder der Polizei noch den betroffenen Bürger_innen bei der Abgrenzung. Sie macht nur allzu deutlich, wie wenig Rechtsklarheit diese Regelung bringt. Zu befürchten ist: Harmloses, eventuell grundrechtlich geschütztes Verhalten wird missverstanden und löst erst eine falsche Prognose der Polizei und sodann ein einschneidendes Aufenthaltsverbot aus.
§ 21 Absatz 2 SächsPVDG-E ermöglicht ebenfalls Aufenthaltsverbote, aber auch die Anordnung, einen bestimmten Bereich nicht zu verlassen (Aufenthaltsgebot). Für ein Aufenthaltsgebot oder -verbot nach § 21 Absatz 2 SächsPVDG-E ist die Anordnung durch das Amtsgericht erforderlich (Abs. 4). Im Unterschied zu Abs. 1 muss sich die Anordnung hier nicht auf den drohenden Tatort beziehen. An die drohenden Straftaten werden in Absatz 2 nähere Anforderungen gestellt: Eine Aufenthaltsanordnung ist nach § 21 Absatz 2 Nr. 1 SächsPVDG-E zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person eine Straftat gegen bestimmte aufgezählte Rechtsgüter begeht. Nach § 21 Absatz 2 Nr. 2 SächsPVDG-E setzt eine Aufenthaltsanordnung voraus, dass eine Person sich so verhält, dass die Begehung einer terroristischen Straftat angenommen werden kann. Auch hier bewirkt die Eingrenzung der Straftaten keine verhältnismäßige Eingrenzung auf absolute Ausnahme-Straftaten: Vielmehr nennt § 21 Absatz 2 Nr. 1 SächsPVDG-E auch Straftaten gegen "Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist". Erneut werden hier sehr unbestimmte Rechtsbegriffe herangezogen. Damit können Tatsachen, aus denen die Polizei abliest, dass jemand eine öffentliche Bushaltestelle mit Graffiti besprühen will (§ 303 StGB, Sachbeschädigung), zu einer dreimonatigen Anordnung führen, einen bestimmten Gemeindebereich nicht zu verlassen. Entgegen der Gesetzesbegründung, die den "durchaus tiefen" Freiheitseingriff mit dem Schutz "besonders gewichtiger Rechtsgüter" rechtfertigt, werden hier grundrechtliche Freiheiten für Rechtsgüter eingeschränkt, die deutlich unterhalb von Leib, Leben und Bestand des Landes rangieren.
Maßnahmen nach § 21 SächsPVDG-E können für bis zu drei Monate angeordnet werden, gemäß § 21 Abs. 7 S. 4 SächsPVDG-E ist eine Verlängerung um jeweils drei weitere Monate möglich, eine absolute Höchstgrenze gibt es jedoch nicht. Denkbar sind daher jahrelang geltende Aufenthaltsanordnungen – was kaum verhältnismäßig sein kann.[18]
Wenn gegen eine Person nach § 21 Abs. 2 SächsPVDG-E angeordnet wird, sich nicht von einem bestimmten Ort zu entfernen, kann in einer solchen Aufenthaltsvorgabe bei einem entsprechend engen Aufenthaltsbereich sogar eine freiheitsentziehende Maßnahme und nicht nur eine Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit liegen.[19] § 21 Abs. 2 Alt. 1 SächsPVDG-E ermöglicht darüber hinaus sogar eine Wohnsitzauflage: Personen kann untersagt werden, sich ohne die Erlaubnis der Polizei von ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort zu entfernen. Dies stellt, insbesondere auch aufgrund der Tatsache, dass nicht näher geregelt ist, wann und wie die Erlaubnis der Polizei erfolgt/ zu erfolgen hat, einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar.[20] Im Extremfall kann eine Aufenthaltsvorgabe damit einer Inhaftierung gleichkommen.[21] Bei Aufenthaltsverboten nach § 21 Abs. 2 Alt. 2 SächsPVDG-E wird dagegen meist ein Eingriff in die Freizügigkeit der Person nach Art. 11 Abs. 1 GG vorliegen.
Absatz 3 des § 21 SächsPVDG-E ermöglicht nach den soeben genannten Voraussetzungen die Anordnung von Kontaktverboten. Auch hierin ist – trotz des Richtervorbehalts – angesichts der beschriebenen weiten Eingriffsvoraussetzungen eine unverhältnismäßige Eingriffsbefugnis zu sehen.
An dieser Stelle wird besonders deutlich, wie sich der sächsische Gesetzentwurf des PVDG von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entfernt, nach denen Überwachungsmaßnahmen (und keine Eingriffe in die Fortbewegungsfreiheit) ausnahmsweise bereits im Gefahrenvorfeld möglich sein sollten unter der Bedingung, dass sie dem Schutz herausragend wichtiger Rechtsgüter (Leib, Leben, Bestand des Staates, nicht um Eigentumsschutz) dienen.
3. Zur Fußfessel (§ 61 SächsPVDG-E):
Durch die elektronische Aufenthaltsüberwachung (mithilfe sog. Fußfesseln) nach § 61 SächsPVDG-E kann der Aufenthaltsort einer Person lückenlos kontrolliert werden, was Rückschlüsse auf die persönliche Lebensgestaltung zulässt und damit einen besonders schweren Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Person darstellt.[22] Darüber hinaus ist auch der Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG betroffen, denn mithilfe der Fußfessel kann auch der konkrete Standort einer Person innerhalb der Wohnung bestimmt werden.
Hinzu kommt, dass sich die per Fußfessel elektronisch überwachten Personen täglich mindestens zwei Stunden an einer Steckdose aufhalten müssen, um den Akku aufzuladen,[23] wodurch sie zusätzlich in ihrer Lebensführung, z.B. in ihrer Berufsausübung einschränkt werden können.
Positiv ist, dass die Maßnahme der Fußfessel gemäß § 61 Abs. 5 SächsPVDG-E – anders als in einigen Gesetzentwürfen anderer Bundesländer[24] – einer richterlichen Anordnung bedarf. Allerdings kann bei Gefahr im Verzug auch der Präsident des Landeskriminalamtes oder einer Polizeidirektion die Anordnung erteilen.
Besonders problematisch ist, dass die erhobenen Daten gemäß § 61 Abs. 3 S. 2 SächsPVDG-E zu einem Bewegungsbild verbunden werden dürfen, "soweit dies zur Erfüllung des Überwachungszwecks erforderlich ist". Damit ermöglicht die Anordnung einer Fußfessel nicht nur die Feststellung des Aufenthaltsorts zu jedem Zeitpunkt, sondern darüber hinaus die Anfertigung eines gespeicherten "Bewegungsprofils". Die Fußfessel soll also letztlich als Überwachungsmittel eingesetzt werden und damit über den Zweck der "ständigen Aufenthaltsbestimmung" deutlich hinausgehen, den die Gesetzesbegründung in den Mittelpunkt stellt (S. 189). Dabei lassen Regelung und Gesetzesbegründung völlig offen, unter welchen Bedingungen "ein Bewegungsbild für die Erfüllung des Überwachungszwecks erforderlich sein könnte".
Die so erlangten Daten können zu bestimmten Zwecken weiterverarbeitet werden, unter anderem zur Verhinderung und Verhütung "terroristischer Straftaten". Wenn eine Weiterverarbeitung zu den in § 61 Abs. 3 S. 7 SächsPVDG-E bestimmten Zwecken nicht erforderlich ist, sind die gespeicherten Daten spätestens zwei Monate nach Beendigung der Maßnahme zu löschen. Wenn jedoch zum Beispiel die Verarbeitung als "erforderlich zur Verhütung und Verfolgung von terroristischen Straftaten" eingestuft wird, gibt es keine Höchstspeicherungsfristen.
Im Rahmen der stets notwendigen Verhältnismäßigkeit muss die Fußfessel überhaupt geeignet sein, um den Zweck der Straftatenverhütung zu erreichen. Sie muss das mildeste aller geeigneten Mittel sein und darf zu keiner unangemessene Belastung für die Grundrechtsberechtigten führen.
Bei der elektronischen Fußfessel stellt sich bereits die Frage, ob sie überhaupt ein geeignetes Mittel ist, von der zukünftigen Begehung terroristischer Straftaten oder anderen schwereren Straftaten abzuhalten.[25] Terroristische Attentäter_innen, die ihr Leben bewusst für die Durchführung ihrer Anschläge opfern und keine strafprozessualen Konsequenzen fürchten, können ihre Taten trotz einer Fußfessel begehen.[26] Auf eine sehr eingeschränkte Wirksamkeit zur Straftatenvorbeugung deuten auch die Ergebnisse einer vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Studie zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung hin[27]:
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Fußfessel kein gesichert wirksames Mittel ist, um einen Rückfall in die Strafbarkeit zu verhindern. Eine Ausweitung der Fußfessel auf weitere Personen- bzw. Täter_innengruppen lehnen die Autor_innen der Studie angesichts dieser Wirksamkeitsgrenzen und der hohen Eingriffsintensität ab.[28]
Auch erscheint der Eingriff in das Privatleben durch die Anordnung einer Fußfessel, die u.U. sogar das Aufzeichnen eines Bewegungsbildes ermöglicht, unverhältnismäßig schwerwiegend. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Anordnung auf der Grundlage der bereits beschriebenen vagen Kriterien erfolgt. Anders als beispielsweise bei der Anordnung der Fußfessel oder auch einer Aufenthaltsanordnung für verurteilte Straftäter_innen hat die betroffene Person, gegen die nach dem SächsPVDG-E vorgegangen wird, noch keine Straftat verübt, die ein starkes Indiz für eine anhaltende Gefährlichkeit sein könnte. Das Strafgesetzbuch sieht in § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 68 Abs. 1 die Möglichkeit eines Aufenthaltsgebots für verurteilte Straftäter_innen vor, von denen die Gefahr ausgeht, dass sie in Zukunft weitere Straftaten verüben werden. Für die Weisungen nach dem StGB liegen also konkrete Erfahrungen und Erkenntnisse über den Betroffenen aus einem Strafprozess zugrunde. Hinzu kommt, dass das Gericht bei der Anordnung der Maßregeln nach § 68b StGB für verurteilte Straftäter_innen die schwierige Gefährlichkeitsprognose häufig unter Hinzuziehung von Sachverständigen vornimmt.[29]
Zwar ordnet § 61 Abs. 3 S. 3 SächsPVDG-E an, dass innerhalb der Wohnung der betroffenen Person möglichst keine über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehenden Aufenthaltsdaten erhoben werden. Allerdings steht diese Anweisung unter dem Vorbehalt des technisch Möglichen, wodurch der faktische Schutz des privaten Kernbereichs und der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) stark verringert wird. Auch die Erhebung der Standortdaten innerhalb der Wohnung ist grundsätzlich erlaubt, sie soll nur – soweit technisch möglich – vermieden werden. Die Anforderungen der Schranke des Art. 13 Abs. 4 GG wird damit nicht beachtet.[30] Zwar gibt es eine ähnliche Regelung in § 463a Abs. 4 StPO, hier handelt es sich dann jedoch um bereits verurteilte Straftäter_innen, wohingegen in Fällen des § 61 SächsPVDG-E noch nicht einmal ein Strafverdacht besteht.
In der Gesamtschau besteht das Risiko, dass Personen durch eine Fußfessel – wie auch durch Aufenthaltsanordnungen und Kontaktverbote - bestraft werden, ohne dass sie sich strafrechtlich relevant verhalten haben.[31] Diese Bestrafungswirkung untergräbt die rechtsstaatlich verankerte Unschuldsvermutung (Art. 6 EMRK, Art. 20 Abs. 3 GG). Darüber hinaus können die Maßnahmen – soweit sie für die Öffentlichkeit erkennbar sind – eine stigmatisierende Wirkung haben, weil sie den Anschein erwecken, dass es sich bei der Person um eine_n verurteilte_n Straftäter_in handelt.
Dass gegen die Betroffenen – trotz strafähnlicher Wirkung – kein Strafverfahren läuft, bedeutet zudem, dass ihnen keine strafprozessualen Rechte und Möglichkeiten nach Art. 6 EMRK zukommen. Wer eine Anordnung über eine Fußfessel erhält, ist beispielsweise nicht automatisch durch eine_n Anwält_in vertreten, wie im Strafprozess.
Selbst wenn man annimmt, dass die Gefahr von Straftaten durch Maßnahmen nach §§ 20, 21, 61 SächsPVDG-E in einigen Fällen verringert werden kann und es kein milderes ähnlich wirksames Mittel gibt, ist der Eingriff angesichts der massiven Grundrechtsbelastung unangemessen und damit unverhältnismäßig.
Wie bereits ausgeführt, kann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, auf das die Einführung von Maßnahmen gegen Gefährder_innen nach §§ 20, 21, 61 SächsPVDG-E gestützt wird, hier nicht als Argumentation für die Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden. Diese Befugnisse gehen über bloße Überwachungsmaßnahmen hinaus, die letztlich der weiteren Sachverhaltserforschung dienen. Die Maßnahmen greifen direkt in den Kausalverlauf, d.h. in die Lebensführung der betroffenen Personen, ein. Auf derartige Befugnisse hat das Bundesverfassungsgericht die in Ausnahmefällen zulässige Handlungsmöglichkeit im Gefahrenvorfeld in seinem Urteil vom 20. April 2016 nicht bezogen. Darüber hinaus sollen sämtliche Maßnahmen der §§ 20, 21 und 61 SächsPVDG-E auch in einem Bereich einsetzbar sein, der weit über "terroristische" Bedrohungslagen hinausgeht.
II. Identitätsfeststellung in eingerichteten Kontrollbereichen, § 15 Abs. 1 Nr. 6 SächsPVDG-E
In § 15 Abs. 1 Nr. 6 SächsPVDG-E sind anlasslose Identitätsfeststellungen durch die Polizei in eingerichteten Kontrollbereichen geregelt. Wie auch in der derzeitig geltenden Regelung bedarf die Bestimmung eines Kontrollbereichs der Zustimmung des Staatsministeriums des Inneren.
Eine Erweiterung dieser Kontrollbefugnis liegt darin, dass nun gemäß § 15 Abs. 2 SächsPVDG-E ausdrücklich auch eine Durchsuchung nach Gegenständen, die zur Identitätsfeststellung dienen, erlaubt ist. Unabhängig von dieser Erweiterung sind verdachtsunabhängige Identitätsfeststellungen aus den folgenden Gründen menschenrechtlich relevant:
Verdachtsunabhängige Kontrollen bergen immer das Risiko, dass rechtswidrig nach diskriminierenden Kriterien kontrolliert wird (Racial Profiling). Weil keine konkreten Verdachtsmomente, kein Anknüpfen an ein bestimmtes Verhalten notwendig sind, berufen sich Polizist_innen bei der Auswahl der kontrollierten Personen auf ihre polizeiliche Erfahrung und ihr "Bauchgefühl". Dabei wird außer Acht gelassen, dass polizeiliche Kontrollerfahrungen, die sich möglicherweise überproportional aus bestimmten Personengruppen gespeist haben, auch immer überproportional viele Treffer aus dieser Gruppe erzeugen werden.
Racial Profiling stellt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar. Dieses Menschenrecht ist in Art. 2 und 26 des UN–Zivilpaktes, in Art. 14 EMRK und in Art. 3 Abs. 3 GG geregelt. Danach ist eine Ungleichbehandlung aufgrund der vermeintlichen Herkunft oder des Aussehens ohne objektiven Grund untersagt. Als objektiver Grund, der eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen kann, kommt lediglich eine spezifische Fahndung nach einer bestimmten Person dieses Aussehens in Frage, gegenüber der ein konkreter Verdacht vorliegt. Fehlt es an einem konkreten Verdachtsmoment, sind polizeiliche Maßnahmen auf Grundlage äußerer Zuschreibungen menschenrechtswidrig. Das polizeiliche Auswahlermessen wird dann fehlerhaft genutzt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass neben dem Aussehen noch weitere Kriterien für die Kontrolle genannt werden – wenn äußere Merkmale (mit) ursächlich sind, handelt es sich um Racial Profiling.
Dabei beschränken sich die Nachteile nicht auf solche für die einzelne kontrollierte Person.[32] Tatsächlich bedeutet eine Kontrolle durch die Polizei in der Öffentlichkeit für den oder die Einzelne_n eine sehr unangenehme Situation, die – insbesondere wenn sie sich oft wiederholt – eine starke Belastung darstellen kann. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt diese Belastung in seiner Entscheidung "Gillan and Quinton gegen UK" nachdrücklich: Der Gerichtshof führt aus, dass gerade eine Kontrolle in der Öffentlichkeit demütigend und peinlich sein kann.[33]
Die öffentliche Wirkung von diskriminierenden Polizeikontrollen führt aber auch zur Verfestigung von Stereotypen und Vorurteilen innerhalb der Gesellschaft. Sie bewirken, dass sich ganze Gemeinschaften ausgegrenzt fühlen und ihr Vertrauen in die Polizei als Ansprechpartner verlieren. Dieser Vertrauensverlust bedeutet auch, dass der Polizei eine wichtige Informationsquelle für Hinweise auf Straftaten etc. verlorengeht. Die Polizei hat die Aufgabe, Menschen vor Diskriminierung und Rassismus zu schützen. Dieser Aufgabe handelt sie zuwider, wenn sie selbst diskriminierende Kontrollen durchführt. Menschen werden grundlos wie Täter_innen behandelt und öffentlich ausgegrenzt.
Wird an der Befugnis für verdachtsunabhängige Kontrollen festgehalten, so sind verpflichtende Schulungen der sächsischen Polizei im Bereich Antidiskriminierung und Antirassismus einzuführen, damit Racial Profiling vermieden wird. In aller Regel wollen Polizeibeamt_innen nicht diskriminieren und können so geschult werden, dass ihr Kontrollverhalten auch keine ungewollte diskriminierende Wirkung hat. Zum anderen ist – auch nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – bei derartig weitgehenden Kontrollbefugnissen zur Vermeidung von Willkür ein besonderes Maß an rechtsstaatlicher Kontrolle notwendig.[34]
III. Bewaffnung, § 40 SächsPVDG-E
1. besondere Formen der Munition
Nach § 40 Abs. 4 S. 2 SächPVDG-E soll das Staatsministerium des Inneren besondere Formen der Munition zulassen können, "die darauf gerichtet sind, den Betroffenen zu überwältigen, ohne ihn dabei tödlich zu verletzen". Diese Formulierung und auch die Gesetzesbegründung lassen offen, welche Formen von Munition damit gemeint sind. Die Bezugnahme der Gesetzesbegründung (S. 176) auf Distanz-Elektroimpulsgeräte (DIEG, auch Taser genannt) als Beispiel für nicht-tödliche und weitgehend risikofreie Waffe ist in zweierlei Hinsicht irreführend: Einerseits handelt es sich bei DIEG nicht um Munition. Andererseits kann der Einsatz von DIEG entgegen der Auffassung vieler zu erheblichen gesundheitlichen Risiken führen.[35] Gemeint sind wohl jedenfalls Gummigeschosse oder Munition, die betäuben und bewusstlos machen kann. Für Gummigeschosse gilt, dass auch sie sehr gefährlich sind und sogar tödlich sein können.[36] Schwere Verletzungen drohen insbesondere, wenn Kopf oder Oberkörper getroffen werden.[37] Die deutsche Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat sich daher in Stellungnahmen grundsätzlich gegen Gummigeschosse ausgesprochen.[38]
Amnesty International lehnt den Einsatz von Gummigeschossen ab, weil sie schwere Verletzungen verursachen können und durch die fehlende Zielgenauigkeit häufig Unbeteiligte gefährden.[39] Der Einsatz derartiger Munition sollte im Gesetzentwurf ausgeschlossen werden.
2. Maschinengewehre und Handgranaten
Gemäß § 40 Abs. 4 S. 3 SächsPVDG-E sollen Spezialeinheiten Maschinengewehre und Handgranaten verwenden dürfen.
Grundsätzlich ist der Einsatz explosiver Stoffe und der von Maschinengewehren durch die Polizei im öffentlichen Raum menschenrechtlich bedenklich, weil damit stets die massive Gefährdung einer Vielzahl von Menschen einhergeht. Der Einsatz derartiger Waffen durch Polizeibeamt_innen im öffentlichen Raum birgt immer eine abstrakte Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben.[40]
IV. Videoüberwachung im polizeilichen Gewahrsam (§ 25 SächsPVDG-E)
Gemäß § 25 SächsPVDG-E soll zukünftig eine Videoüberwachung in Gewahrsamseinrichtungen zulässig sein, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Aufnahmen zur Vermeidung einer Eigen- oder Fremdgefährdung oder zur Verhütung von Straftaten notwendig sind. Absatz 1 Satz 2 ermöglicht auch Aufnahmen in der Gewahrsamszelle, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Abwehr einer gegenwärtigen, erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung erforderlich ist.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Videoüberwachung im Polizeigewahrsam menschenrechtlich zulässig und auch sinnvoll sein.[41] Die vollständige Aufklärung von Todesfällen im Polizeigewahrsam scheitert – wie im Fall Oury Jalloh[42] – immer wieder auch daran, dass das Geschehen in der Polizeizelle nicht dokumentiert wird.
Der EGMR hat wiederholt zu Videoüberwachung im Polizeigewahrsam Stellung genommen und dabei betont, dass derartige Aufnahmen einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Gefangenen bedeuten, der im Einzelfall aber gerechtfertigt sein kann.[43] Dann müssen aber sehr strenge Datenschutzstandards gelten:
Die Aufnahmen sollen nicht heimlich erfolgen. Hier ist fraglich, ob das in § 25 Abs. 2 S. 2 SächsPVDG-E vorgeschriebene "optische oder akustische Signal" für die deutliche Kennzeichnung einer Aufnahme ausreicht. Weiterhin sollten die Bilder nicht in Echtzeit zur Verfügung stehen.[44] Da § 25 Abs. 2 S. 1 SächsPVDG-E akute Gefahren abwehren will, zielt die Regelung auf eine Echtzeitübertragung ab, die nach menschenrechtlichen Standards zu vermeiden ist.
Schließlich ist eine Videoüberwachung im Polizeigewahrsam – auch nach Ansicht des EGMR – vor allem zulässig zum Schutz der Inhaftierten vor Gewaltmissbrauch durch die Polizei. Hierauf geht aber weder § 25 SächsPVDG-E noch die Gesetzesbegründung ein – vielmehr wird einseitig die Verhütung von Gewalt durch die Inhaftierten in den Blick genommen. Diese Einseitigkeit wird dadurch verstärkt, dass es im Ermessen der diensthabenden Polizeibeamt_innen liegt, ob und wann eine Videobeobachtung eingesetzt werden soll. Hierin liegt eine Benachteiligung der inhaftierten Personen, die besonders schutzwürdig sind. Die Regelung des § 25 SächsPVDG-E sollte daher um den Aspekt des Schutzes vor Polizeigewalt ergänzt werden, damit sie eine mit dem Schutz der Privatsphäre nach Art. 8 EMRK vereinbare Befugnisnorm darstellt. Das Ermessen der Polizei muss reduziert, die Voraussetzungen für Aufnahmen konkretisiert werden. Zudem sollte eine Speicherung der erhobenen Daten für mindestens einen Monat erfolgen, damit das Videomaterial auch für die Betroffenen im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG für etwaige Rechtsschutz-Gesuche genutzt werden kann.
V. Ausweitung der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, § 57 SächsPVDG-E, § 30 SächsPBG-E
Die neuen Regelungen zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum nach § 57 SächsPVDG-E bergen erhebliche menschenrechtliche Risiken. Auch wenn die neue Befugnis zur Videoüberwachung keine substantiellen Änderungen gegenüber der bisherigen Regelungen enthält, ist an dieser Stelle nochmal auf die vagen Eingriffsvoraussetzungen und die einschneidenden Folgen für die Privatsphäre einzugehen:
So darf die Polizei nach § 57 Abs. 1 SächsPVDG-E im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen unter freiem Himmel (die keine geschützten Versammlungen sind) bei einer abstrakten Gefahr offene Übersichtsbildübertragungen anfertigen. Eine Identifikation von Personen oder Aufzeichnung der Übertragung findet dann jedoch nicht statt.
Nach § 57 Abs. 2 SächsPVDG-E können im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen Videobeobachtung und -aufzeichnung von einzelnen Personen erfolgen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese "innerhalb absehbarer Zeit eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat begehen werden oder dass von ihnen sonstige erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen." Hier stellt sich – einmal mehr – die Frage, woran für die Polizei erkennbar sein kann, dass eine Person in absehbarer Zeit eine Straftat begehen wird, die noch nicht unmittelbar bevorsteht. Darüber hinaus ist problematisch, dass es hinsichtlich der zu verhütenden Straftat keinerlei Eingrenzung gibt, die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen kann also auch zur Verhütung von Bagatelldelikten angeordnet werden.
§ 57 Abs. 3 Nr. 1 SächsPVDG-E ermöglicht Videoaufzeichnungen an bestimmten (in § 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsPVDG-E genannten) Orten wie z.B. Verkehrs- oder Versorgungseinrichtungen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig Straftaten begangen werden, durch die Personen, Sach- oder Vermögenswerte gefährdet werden. Nach § 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG-E sind darüber hinaus an nachgewiesenen Kriminalitätsschwerpunkten Videoaufzeichnungen zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig Straftaten gegen die soeben genannten Rechtsgüter begangen werden. Auch bei § 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG-E handelt es sich um eine Vorschrift, die dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht genügt. Straftaten, durch die Sach- und Vermögenswerte gefährdet werden, sind insbesondere auch Bagatelldelikte, wie einfache Sachbeschädigungen nach § 303 StGB oder Schwarzfahren (Erschleichen von Leistungen) gemäß § 265a StGB. Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle, dass die Befugnis nach § 57 Abs. 3 SächsPVDG-E die Möglichkeit personenbezogener Videoaufnahmen nicht auf Personen begrenzt, von denen eine Straftatbegehung erwartet wird. Unter den Bedingungen von § 57 Abs. 3 SächsPVDG-E kann also jeder Mensch, der "zur falschen Zeit am falschen Ort" ist, von Polizeikameras ins Visier genommen werden.
Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 Sächsisches Polizeibehördengesetz (SächsPBG-E) soll eine "abstrakte Gefahr" für die Anordnung von Bildaufnahmen und -aufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen genügen. Unklar bleibt hier, für welches Rechtsgut eine abstrakte Gefahr bestehen muss. § 4 Nr. 3 lit. f SächsPVDG-E definiert eine abstrakte Gefahr als "eine nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mögliche Sachlage, durch die im Falle ihres Eintritts eine Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut entsteht." Faktisch ermöglicht § 30 Abs. 1 SächsPBG-E den Einsatz von Videoüberwachung im gesamten öffentlichen Raum, denn wo viele Menschen sich aufhalten, wird auch so gut wie immer eine abstrakte Gefahr herzuleiten sein.
Die Videoüberwachung eines öffentlichen Raums greift nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG potentieller Besucher_innen des Platzes[45] sowie in das Menschenrecht auf Privatsphäre aus Art. 8 EMRK ein. Betroffen durch die Maßnahme kann – insbesondere nach § 57 Abs. 3 SächsPVDG-E – jede Person sein, die sich zufällig am überwachten Ort oder in der Nähe einer überwachten Person befindet, unabhängig von ihrem Verhalten. Gerade diese Streuwirkung macht die Maßnahme besonders problematisch.[46] Auch bei einer entsprechenden Kenntlichmachung kann nicht von einer Einwilligung in die Informationserhebung ausgegangen werden.[47]
Da § 57 Abs. 1 SächsPVDG-E und § 30 Abs. 1 SächsPBG-E eine Videobeobachtung bereits bei abstrakten Gefahren ermöglichen, sind Schutzmechanismen, die die Verhältnismäßigkeit der Überwachung sicherstellen, besonders wichtig. Die in § 57 Abs. 4 geregelte Löschfrist von zwei Monaten (es sei denn die Daten sind weiterhin z.B. zur Strafverfolgung notwendig) erscheint unnötig lang und kann den Eingriff nicht wesentlich abmildern.
Zur Verhältnismäßigkeitsanforderung gehört außerdem, dass es keinen anderen Weg geben darf, das Ziel zu erreichen, der die Grundrechte weniger einschränken würde. Es gibt aber plausible Hinweise darauf, dass z.B. eine bessere Beleuchtung öffentlicher Plätze sehr effektiv bei der Verhinderung von Straftaten ist.[48] Ein empirischer Beweis, dass mehr Videoüberwachung Orte sicherer macht, fehlt. Argumentiert wird häufig ausschließlich mit dem vermeintlich steigenden Sicherheitsgefühl, wenn Orte überwacht werden. Dies rechtfertigt jedoch nicht die massenhaften Eingriffe in die Privatsphäre, die durch Videoüberwachung passieren. Die begrenzte Wirksamkeit von Videobeobachtung wird auch von einer aktuellen Studie des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) belegt, die vom nordrhein-westfälischen Innenministerium in Auftrag gegen wurde.[49] Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Videokameras nur in einer Stadt die Kriminalität (in geringem Ausmaß) reduzierten. Insgesamt war kaum eine messbare Wirkung auf das Kriminalitätsaufkommen festzustellen. Mit der Frage der Wirksamkeit der Videoüberwachung und damit ihrer Erforderlichkeit setzt sich der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung nicht auseinander, obwohl er offenkundig von einer Eignung zur Verhütung von Straftaten ausgeht. Angesichts der Tatsache, dass die Wirksamkeit Gegenstand einer aktuellen wissenschaftlichen Debatte ist, wäre dies aber zur Begründung der Erforderlichkeit notwendig gewesen.
Nach der neu eingebrachten Regelung § 59 Abs. 1 SächsPVDG-E soll die Polizei in den Grenzregionen zu Polen und Tschechien, sowie bis zu 30 km davor, den Verkehr mit Bildaufzeichnungen überwachen und personenbezogene Daten erheben können. Örtlich besteht die Befugnis an Straßenabschnitten im Grenzgebiet (30km) zu Polen und Tschechien, "wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der betreffende Straßenabschnitt von herausgehobener Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität ist".
§ 59 Abs. 2 SächsPVDG-E sieht einen automatischen Datenabgleich der so erlangten personenbezogenen Daten vor. Nach der Gesetzesbegründung (S. 186) handelt es sich dabei insbesondere um biometrische Daten und die Kennzeichen der genutzten Kraftfahrzeuge. De facto sieht diese Regelung also den Einsatz von Gesichtserkennungsoftware vor. Die Befugnis erstreckt sich aufgrund der langen Grenzen zu Polen und insbesondere Tschechien auf einen erheblichen Teil Sachsens.
Nach § 59 Abs. 2 SächsPVDG-E darf der automatische Datenabgleich mit Daten von den Personen erfolgen, die zur Verhütung bestimmter Straftaten nach § 60 Abs. 2 SächsPVDG-E zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben sind. § 60 Abs. 2 SächsPVDG-E regelt, dass eine solche Ausschreibung bei Personen erfolgen, von denen angenommen wird, dass sie Straftaten einer gewissen Schwere begehen wird und bei ihren Kontaktpersonen.[50]
Es findet also ein Abgleich mit personenbezogenen Daten von Menschen statt, die bislang nicht strafbar geworden sind, aber von der Polizei als potentiell gefährlich oder auch nur als Kontaktpersonen solcher Menschen eingestuft werden.
Diese Regelung ist aus menschenrechtlicher Sicht in besonderem Maße problematisch, da sie einen besonders tiefen Eingriff in die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeutet. Betroffen von der Videoüberwachung ist jede Person, die sich auf Straßenabschnitten im Grenzgebiet zu Polen und Tschechien bewegt. Dieses Gebiet macht Schätzungen zufolge ca. die Hälfte des sächsischen Landesgebiets aus. Die Eingrenzung durch das Merkmal der "herausgehobenen Bedeutung" eines Straßenabschnitts "für die grenzüberschreitende Kriminalität" ist so unkonkret, dass es in der Praxis keine echte Einschränkungswirkung haben wird.
Der automatisierte Abgleich der Bilddaten stellt für die Betroffenen einen zusätzlichen und ganz erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Es findet eine fortlaufende Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten statt. Personen, die mit dem Auto in einem überwachten Bereich unterwegs sind, müssen damit rechnen, dass genau registriert wird, von wo nach wo sie sich bewegen. Dadurch besteht das Risiko, dass Menschen sich nicht mehr anonym in der Öffentlichkeit bewegen können. Zusätzlich bereitet die Identifizierung die Grundlage für vielfältige weitere Datenbestände.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2008 die kurzzeitige Speicherung von Kfz-Kennzeichen beim automatisierten Kennzeichen-Scanning durch die Polizei dann nicht als grundrechtswidrig angesehen, wenn nur die "Treffer-Fälle" anschließend gespeichert werden.[51] Die damals bewertete Maßnahme erfasste jedoch nur die Kfz-Kennzeichen und ist daher nicht vergleichbar mit einer Videoerfassung, die auch biometrische Daten erfasst. Das Kfz-Kennzeichen ist ein Datensatz, der lediglich eine Information über die Beziehung zwischen dem Kfz und seinem Halter (nicht zu seinem Fahrer) enthält.[52] Maßnahmen der Gesichtserkennung ergeben hingegen eindeutige Information über die Identität einer Person, darüber hinaus aber noch eine Vielzahl anderer Informationen, wie z.B. über den Gefühlszustand oder die (angenommene) Herkunft.
In Frage steht bereits die Geeignetheit einer solchen Maßnahme, da umstritten ist, ob die aktuell existierende Technik überhaupt zuverlässig Gesichter wiedererkennt. Hieran bestehen deutliche Zweifel. In einer Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins aus dem Jahr 2017 heißt es hierzu: "Ob der Stand der Technik es bereits zulässt, aus Videoüberwachungsaufnahmen die erforderlichen biometrischen Daten zuverlässig zu extrahieren, ist zweifelhaft und wird daher getestet."[53]
VII. Ausschreibung einer Person zur polizeilichen Beobachtung und Kontrolle, § 60 SächsPVDG-E
Gemäß § 60 SächsPVDG-E können Personen präventiv zur polizeilichen Beobachtung (Abs. 2) oder zur polizeilichen Kontrolle (Abs. 3) ausgeschrieben werden. Die Befugnisse sind nur teilweise neu – in §§ 38, 40 SächsPolG sind im geltenden Gesetz Befugnisse zur polizeilichen Beobachtung geregelt. Die Verknüpfung mit neuen, einschneidenden Maßnahmen wie der Videoüberwachung des öffentlichen Verkehrs mit Gesichtserkennung nach § 59 SächsPVDG-E gibt jedoch Anlass für eine menschenrechtliche Bewertung der gesamten Norm.
Eine Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung ist nach § 60 Abs. 2 SächsPVDG-E zulässig,
- wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass [die Person] in absehbarer Zeit eine zumindest der Art nach konkretisierte Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird" (Nr. 1),
- wenn ihr Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit einer terroristischen Straftat in überschaubarer Zukunft nahelegt (Nr. 2) oder
- wenn es sich bei ihr um eine Kontakt- oder Begleitperson jeweils einer solchen Person handelt (Nr. 3).
Beim Antreffen einer zur polizeilichen Beobachtung ausgeschriebenen Person können Informationen bezüglich des Antreffens (Ort, Zeit, Reiseweg, Reiseziel, Begleitung, mitgeführte Sachen) an die ausschreibende Polizeidienststelle übermittelt werden.
§ 60 Abs. 3 SächsPVDG-E führt darüber hinaus das Instrument der Ausschreibung zur polizeilichen Kontrolle ein. Die Voraussetzungen hierfür entsprechen im Wesentlichen denen für eine Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung. Nur für den Fall einer erwarteten konkretisierten Straftat ist im Sinne einer Qualifizierung erforderlich, dass es sich dabei um eine der in § 100a Abs. 2 StPO genannten Straftaten handelt. Wird eine zur polizeilichen Kontrolle ausgeschriebene Person angetroffen, können ebenfalls die bereits genannten Informationen des Antreffens wie Ort Zeit, Reiseweg, Reiseziel, Begleitung etc. übermittelt werden. Zusätzlich darf die Polizei die Person jedoch nach §§ 27, 28 SächsPVDG-E durchsuchen, untersuchen und ihre Sachen durchsuchen.
Die Ausschreibung darf zwar höchstens für ein Jahr erfolgen, kann jedoch jeweils auch wieder um den gleichen Zeitraum verlängert werden (Abs. 5). Eine maximale (Gesamt-)Ausschreibungsdauer ist nicht vorgesehen, das heißt die Polizei könnte immer weiter wachsende Datenbanken mit "verdächtigen Personen" führen. Die Anordnung erfolgt durch den Präsidenten des Landeskriminalamtes, einer Polizeidirektion oder durch einen von diesen beauftragten Bediensteten (Abs. 6), ein Richtervorbehalt ist nicht vorgesehen.
In beiden Fällen sind wiederum Personen betroffen, die noch gar keine Straftat begangen haben und gegen die auch kein Strafverdacht besteht. Im Übrigen können auch Kontakt- und Begleitpersonen solcher Personen zur polizeilichen Beobachtung bzw. Kontrolle ausgeschrieben werden. Hierin liegt ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Privatsphäre.
VIII. Rasterfahndung, § 62 SächPVDG-E
In § 62 SächsPVDG-E ist die Möglichkeit der Rasterfahndung geregelt. Auch wenn die Gesetzesbegründung (S. 191) von einer nur "redaktionellen Überarbeitung" spricht, enthält die Neuregelung einige kritische Änderungen dieser ohnehin problematischen Maßnahme. Auch hier ergeben sich die menschenrechtlichen Bedenken aus der Kombination vager Eingriffsbefugnisse, die ins Gefahrenvorfeld verlagert werden, mit dem schwerwiegenden Eingriff, der zugelassen wird.
Kern der Rasterfahndung ist, dass die Polizei von öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten "bestimmter Personengruppen" zum Zweck des automatischen Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen kann.
Bereits die Tatbestandsvoraussetzungen sind sehr vage: So lässt die Regelung in der alten und in der neuen Fassung offen, was unter einer "bestimmten Personengruppe" zu verstehen ist. Unklar bleibt ebenfalls, welche "nicht-öffentlichen Stellen" personenbezogene Daten übermitteln müssen.
In § 62 Abs. 1 SächsPVDG-E verwässert der Gesetzentwurf die Eingriffsschwelle durch die Hintertür: Einerseits ist – wie in § 47 SächsPolG a.F. – vorgesehen, dass eine konkrete Gefahr für die genannten Rechtsgüter vorausgesetzt wird. Andererseits soll nach § 62 Abs. 1 S. 2 SächsPVDG-E eine solche Gefahr auch schon vorliegen, wenn konkrete Vorbereitungshandlungen – ggf. zusammen mit weiteren Tatsachen – die Annahme rechtfertigen, dass eine terroristische Straftat begangen werden soll. Damit wird das Erfordernis einer konkreten Gefahrenlage aufgeweicht. Sicher ist es in der polizeilichen Realität schwierig abzuschätzen, wann Vorbereitungshandlungen in die konkrete Gefahr einer terroristischen Straftat übergehen. Gerade aufgrund der anspruchsvollen Prognose können jedoch auch Fehleinschätzungen passieren, so dass z.B. in harmlosem Verhalten eine Vorbereitungshandlung gesehen wird und einschneidende Maßnahmen ausgelöst werden.
Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Enge und klar bestimmte Eingriffsvoraussetzungen sind aber besonders wichtig, weil der Eingriff in das Recht auf Privatsphäre aus Art. 8 EMRK und auf informationelle Selbstbestimmung so intensiv ist. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 stuft das Bundesverfassungsgericht den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als besonders schwerwiegend ein, da eine so große Bandbreite an persönlichkeitsrelevanten Informationen der Betroffenen bei privaten und öffentlichen Stellen durchforstet, abgeglichen und verknüpft werden kann, so dass ein verfassungswidriges[54] umfassendes Persönlichkeitsprofil erstellt werden kann.[55] Noch schwerer wiege der Eingriff, wenn die benutzten Kriterien z.B. die nach Art. 3 Abs. 3 GG geschützte religiöse Anschauung umfassen, weil dieses Merkmal eine Stigmatisierung bewirken könne.
Tatsächlich bleibt § 62 Abs.3 SächsPVDG-E auch bei der Frage unklar, welche Informationen übermittelt werden dürfen: Das Übermittlungsersuchen dürfe sich auf Name, Anschrift, Ort und Datum der Geburt sowie "auf andere im Einzelfall festzulegende Merkmale" beziehen. Welche Merkmale im Einzelfall noch festgelegt werden können, bleibt völlig offen. Der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zu bestimmten Eingriffsvoraussetzungen für die Rasterfahndung läuft diese Unbestimmtheit gerade bei den möglichen Übermittlungsinhalten zuwider.
Ein weiterer problematischer Aspekt ist die große Anzahl der betroffenen Personen: Rasterfahndungen haben – entsprechend ihrem Zweck – zwangsläufig zur Folge, dass die Polizei personenbezogene Daten von ganzen Personengruppen erhält und dadurch auf die Daten vieler unbeteiligter Personen zugreifen kann.
In Anbetracht der Aufweichung des Erfordernisses einer konkreten Gefahr und der fehlenden Eingrenzung von zulässigen Datenkategorien greift die Rasterfahndung unverhältnismäßig in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen ein.
IX. Präventive Telekommunikations-Überwachung und ergänzende Maßnahmen, §§ 66-70 SächsPVDG-E
Mit § 66 SächsPVDG-E führt der Gesetzentwurf eine Rechtsgrundlage für präventive Telefonüberwachung (TKÜ) ein, die bislang in Sachsen nicht existierte und die das Mithören und Speichern laufender Kommunikation ermöglicht (Gespräche, E-Mail, SMS, Chat).
Darüber hinaus werden noch weitere eingriffsintensive Maßnahmen rund um die Telekommunikationsüberwachung ermöglicht: So darf die Polizei nach § 67 SächsPVDG-E unter den Voraussetzungen der Telekommunikationsüberwachung auch Metadaten (Informationen über Verkehrs- und Nutzungsdaten) erheben. Nach § 68 SächsPVDG-E darf die Polizei Telefone (in der Regel Mobiltelefone) über die spezifischen Kennungen identifizieren und ihren Standort bestimmen.
Gemäß § 69 SächsPVDG-E kann die Telekommunikation von den in § 66 Abs. 1 S. 2 SächsPVDG-E genannten Personen unterbrochen werden. Dies darf nach § 69 Abs. 4 SächsPVDG sogar dadurch bewirkt werden, dass hierfür ein räumlicher Bereich, insbesondere eine Funkzelle, technisch blockiert wird. Diese Maßnahme bedeutet, dass nicht nur ein konkretes Telefon, sondern alle Personen betroffen wären, die sich in dem räumlichen Bereich aufhalten.
Die erhebliche Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts für Berufsgeheimnisträger_innen durch § 77 Abs. 3 SächsPVDG-E ist hier wiederum von Relevanz (s.o.).
Eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung, die mittels Eingriff in informationstechnische Systeme auch den Zugriff auf verschlüsselte Telekommunikationsinhalte ermöglicht, wurde nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen. Die CDU hat aber bereits deutlich gemacht, dass sie die Einführung der Quellen-TKÜ und der Online-Durchsuchung befürwortet.[56] Beide Maßnahmen würden zu weiteren einschneidenden und unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen führen und sind daher abzulehnen.[57]
Die genannten Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung, der Erhebung von Metadaten, der Lokalisierung von Endgeräten und der Verhinderung von Telekommunikation greifen in das Recht auf Privatsphäre (Art. 8 EMRK, Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG) ein[58] und dürfen deshalb nur unter bestimmten Bedingungen zum Einsatz kommen. Daneben ist das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG betroffen, da auf den Inhalt der Telekommunikation zugegriffen wird. Nach § 66 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 und Nr. 5 SächsPVDG-E können auch Dritte Adressat einer Maßnahme sein, bei denen nur vermutet wird, dass sie in Kontakt mit einer bestimmten Person stehen. Darüber hinaus stellt § 66 Abs. 1 S. 4 SächsPVDG-E klar, dass die einfache TKÜ auch durchgeführt werden kann, "wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden". Die Verhältnismäßigkeit der Befugnisse nach § 66 SächsPVDG-E ist daher vor dem Hintergrund zu sehen, dass auch völlig unbeteiligte Menschen von ihnen mitbetroffen sind.
Eingriffe in die Privatsphäre eines Menschen sind nur zulässig, wenn der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig für den Schutz signifikanter Güter des Allgemeinwohls, wie beispielsweise die nationale oder öffentliche Sicherheit oder die Verhütung von erheblichen Straftaten, und insgesamt verhältnismäßig ist.[59]
Das SächsPVDG-E sieht bestimmte Schutzmechanismen zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit vor. So werden die Maßnahmen nach Stellung eines Antrags der Polizei (§ 66 Abs. 2 SächsPVDG-E) durch das Amtsgericht angeordnet und sind gemäß § 66 Abs. 1 S. 3 SächsPVDG-E nur zulässig, wenn die Abwehr der Gefahr oder die Verhütung der Straftat auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Allerdings darf die Schutzwirkung des Richtervorbehalts auch nicht überschätzt werden, da die Richter – sicher auch aus Zeitmangel – häufig keine detaillierte Prüfung vornehmen können. In Berlin werden pro Jahr mehr als eine Million Telefongespräche abgehört, in den letzten neun Jahren wurde kein einziger Antrag vom Gericht zurückgewiesen.[60]
Insgesamt genügt § 66 SächsPVDG-E den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht. Aufgrund der fehlenden Konkretisierung der maßgeblichen Eingriffsvoraussetzungen (s.o.) sowie der Tatsache, dass nicht ausschließlich der Schutz von Rechtsgütern von erheblicher Bedeutung bezweckt wird (vgl. Eigentumsschutz der §§ 305, 305a StGB; "Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt" gemäß § 66 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SächsPVDG-E), entsprechen die Vorschriften der Telekommunikationsüberwachung und der ergänzenden Maßnahmen nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verletzen damit den menschenrechtlich und grundrechtlich gebotenen Schutz der Privatsphäre.
Weitgehende Ausnahmen von der Benachrichtungspflicht, § 74 SächsPVDG-E
§ 74 SächsPVDG-E regelt die Pflicht der Polizei die von den Datenerhebungs-Maßnahmen nach §§ 57ff. SächsPVDG-E betroffenen Personen über den erfolgten Grundrechtseingriff zu informieren. Grundsätzlich sind die Adressat_innen nach Abschluss der Maßnahmen unverzüglich zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung ist wichtig, damit eine Person überhaupt Kenntnis von dem erfolgten Grundrechtseingriff erlangt und gegebenenfalls – nachträglichen – eine rechtliche Überprüfung veranlassen kann. Der Grundsatz der Benachrichtigungspflicht wird jedoch durch die weitgehenden Einschränkungen in § 74 Abs. 2, 3 und 5 SächsPVDG-E aufgeweicht:
So kann die Benachrichtigung einer betroffenen Person unterbleiben, wenn sie von der Maßnahme nur "unerheblich betroffen" ist und "wenn anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat". Hierbei bleibt völlig unklar, unter welchen Umständen die Polizei annehmen kann, dass jemand kein Interesse an einer Benachrichtigung hat, dessen Grundrechte eingeschränkt wurden. Auch die Gesetzesbegründung enthält hierzu keine Präzisierung oder Klärung.
Wenn die Polizei keine präzisen entgegenstehenden Informationen hat, muss sie davon ausgehen, dass alle Menschen erfahren wollen, wenn sie als Adressat_in oder auch als Kontaktperson o.ä. von einer polizeilichen Datenerhebung betroffen sind. Selbst die richterliche Zustimmung, die für ein dauerhaftes Unterbleiben der Benachrichtigung nach § 74 Abs. 5 SächsPVDG-E notwendig ist, kann diese Informationspflicht nicht ersetzen.
Weitgehende Ausnahmen vom Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen, § 77 SächsPVDG-E
§ 77 SächsPVDG-E regelt den Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen. Trotz des in § 77 Abs. 1 S. 1 SächsPVDG-E vorgeschriebenen Schutzes des durch ein Berufsgeheimnis geschützten Vertrauensverhältnisses gem. §§ 53, 53a StPO sieht § 77 Abs. 3 SächsPVDG-E weitreichende Ausnahmen vor.
Zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben oder Freiheit einer Person oder dem Bestand und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes sind auch Maßnahmen zulässig, von denen Berufsgeheimnisträger_innen (§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3-3b und 5 StPO) betroffen wären und durch die Erkenntnisse erlangt werden, über die diese das Zeugnis verweigern dürften. Einzige Rückausnahme von dieser weitgehenden Einschränkung des Berufsgeheimnis-Schutzes sind Rechtsanwält_innen – zulässig sein. Von dieser Einschränkung des Berufsgeheimnisses betroffen sind u.a. Notar_innen, Ärzt_innen, Psychotherapeut_innen und Journalist_innen.
D. Notwendige Maßnahmen für mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit bei der Polizei
Aus Sicht von Amnesty International muss die sächsische Landesregierung dafür sorgen, dass gleichzeitig mit dem geplanten Zuwachs an polizeilichen Befugnissen die notwendige rechtsstaatliche Transparenz und Kontrolle polizeilicher Arbeit sichergestellt wird.
Konkret sollte die sächsische Landesregierung dafür sorgen, dass in Sachsen eine unabhängige Beschwerdestelle für rechtswidriges Polizeiverhalten und eine individuelle Kennzeichnungspflicht für die Polizei eingeführt werden.
Die gesetzliche Verankerung der bereits existierenden Beschwerdestelle der Polizei[61] in § 98 SächsPVDG-E ist begrüßenswert, reicht aber nicht aus. Die Stelle ist im Innenministerium und damit in der für die Polizei zuständigen Behörde angesiedelt. Wirklich unabhängig kann nur eine Stelle ermitteln, die außerhalb des Behördensystems verortet ist.[62] Auch kann die Beschwerdestelle gemäß § 98 Abs. 4 SächsPVDG-E nur rechtlich unverbindliche Empfehlungen aussprechen. Damit handelt es sich nicht um eine unabhängige Beschwerdestelle mit eigenen Ermittlungskompetenzen, wie sie nach menschenrechtlichen Standards nötig wäre.
Auch gilt in Sachsen bislang keine individuelle polizeiliche Kennzeichnungspflicht, damit fehlt ein weiterer wichtiger Baustein rechtsstaatlicher Kontrolle. In § 11 S. 2 SächsPVDG-E (und § 8 S. 2 SächsPolG) wird sogar die Ausweispflicht für Polizeibedienstete eingeschränkt. Dabei ist die Möglichkeit jede_n Polizist_in identifizieren zu können dringend erforderlich, damit das Menschenrecht auf eine unabhängige, effektive Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen gegen den Staat gesichert ist.[63] Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat – zuletzt in dem Urteil "Hentschel und Stark gegen Deutschland" im November 2017[64] – eine individuelle Kennzeichnung für Polizist_innen gefordert. Eine solche Kennzeichnungspflicht ist kein Misstrauensvotum gegen die Polizei: Die Kennzeichnung schützt im Gegenteil die große Mehrheit der Polizist_innen, die tagtäglich eine hervorragende Arbeit leisten, vor falschen Anschuldigungen. Immer wieder fordern Gremien der UN und des Europarates (CPT) die Bundesregierung und die Landesregierungen dazu auf, sowohl unabhängige Untersuchungsmechanismen als auch eine individuelle Kennzeichnungsflicht für die Polizei einzuführen.[65]
[1] Gesetzentwurf der Landesregierung Sachsen LT-Drs. 6/14791, 18.9.2018, http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14791&dok_art=Drs&leg_per=6 .
[2] Der Bericht von Amnesty International "Dangerously Disproportionate" aus dem Januar 2017 ist abrufbar in englischer Sprache unter https://www.amnesty.org/en/documents/eur01/5342/2017/en/.https://www.amnesty.org/en/documents/eur01/5342/2017/en/
[3] Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 20 Rn. 82.
[4] "Der Bestimmtheitsgrundsatz gebietet, dass eine gesetzliche Ermächtigung der Exekutive zur Vornahme von Verwaltungsakten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist, so dass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaß für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar wird."; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 20 Rn. 83.
[5] EGMR, Urteil vom 15.05.2012, Colon v. The Netherlands, Application no.49458/06, Rn. 72, https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-111347%22]}; s. auch: Gillan and Quinton v. The United Kingdom, Urteil vom 12.01.2010, Application no. 4158/05, Rn. 76, https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22dmdocnumber%22:[%22860909%22],%22itemid%22:[%22001-96585%22]}.
[6] Amnesty International: "Dangerously Disproportionate"; Bericht von Januar 2017, S. 23; https://www.amnesty.org/en/documents/eur01/5342/2017/en/.
[7] So zum Beispiel: § 20 (Meldeauflage); § 21 (Aufenthaltsanordnung und Kontaktverbot; § 57 (Offener Einsatz technischer Mittel zur Bild- und Tonaufnahme und –aufzeichnung); § 60 (Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung und zur gezielten Kontrolle); § 61 (Elektronische Aufenthaltsüberwachung); § 62 (Rasterfahndung); § 63 (Längerfristige Observation und Einsatz besonderer technischer Mittel); § 66 (Überwachung der Telekommunikation).
[8] Der Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes in Nordrhein-Westfalen (PolG-E NRW) im ersten Entwurf sowie das überarbeitete Bayerische Polizeiaufgabengesetz führen die "Gefährder"-Voraussetzungen unter dem Begriff der "drohenden Gefahr" als neue polizeirechtliche Kategorie ein.
[9] BVerfG, Urt. v. 20.04.2016, 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09, http://www.bverfg.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/04/rs20160420_1bvr096609.html.
[10] BVerfG, Urt. v. 20.04.2016, 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09, http://www.bverfg.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/04/rs20160420_1bvr096609.html, Rn. 112.
[11] BVerfG, Urt. v. 20.04.2016, 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09, http://www.bverfg.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/04/rs20160420_1bvr096609.html, Rn. 112.
[12] Vgl. Dr. Nikolaos Gazeas, schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Landesregierung NRW LT-Drs. 17/2351, S. 11 f.
[13] BVerfG, Urt. v. 20.04.2016, 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09, http://www.bverfg.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/04/rs20160420_1bvr096609.html, Rn. 112.
[14] BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016, - 1 BvR 966/09 - Rn. (108), http://www.bverfg.de/e/rs20160420_1bvr096609.html.
[15] Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 5. Auflage, Art. 11, Rn. 27.
[16] BVerwG v. 05.02.1958, 6 173, 176; Rachor in: Lisken/Denniger, Handbuch Polizeirecht, 5. Auflage, 2012, Rn. 459.
[17] Amnesty-Bericht "Upturned lives", https://www.amnesty.org/en/documents/eur21/3364/2016/en/, S. 19ff.
[18] Vgl. auch https://kreuzer-leipzig.de/2018/10/18/polizeigesetz-sachsen-aufenhaltsanordnung/.
[19] Vgl. Prof. Dr. Clemens Arzt, Stellungnahme zur Anhörung im Innenausschuss des Landtags NRW am 7. Juni 2018 zum Gesetzesentwurf der Landesregierung 17/2351, S. 18.
[20] Vgl. Prof. Dr. Christoph Gusy, Stellungnahme zum Gesetzentwurf 6. Änderungsgesetz des PolG NRW (Stellungnahme 17/630), S. 9.
[21] Vgl. RiLG Dr. Markus Löffelmann, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Landesregierung, Landtag NRW Drucksache 17/2351 (Stellungnahme 17/641), S. 6.
[22] Vgl. Prof. Dr. Clemens Arzt, Stellungnahme zur Anhörung im Innenausschuss des Landtags NRW am 7. Juni 2018 zum Gesetzesentwurf der Landesregierung 17/2351 (Stellungnahme 17/652), S. 20; Stellungnahme der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW zum Gesetzesentwurf des Landesregierung 17/2351 (Stellungnahme 17/645), S. 15.
[23] FAZ, "Ein virtuelles Gefängnis", Artikel vom 01.06.2016, http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/elektronische-fussfesseln-ein-virtuelles-gefaengnis-14207076.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0.
[24] Der Entwurf des Niedersächsischen Polizeigesetzes (NPOG-E) sieht diesen rechtsstaatlichen Kontrollmechanismus beispielsweise nicht vor, vgl. § 17c NPOG-E.
[25] Vgl. Prof. Dr. Clemens Arzt, Stellungnahme zur Anhörung im Innenausschuss des Landtags NRW am 7. Juni 2018 zum Gesetzesentwurf der Landesregierung 17/2351 (Stellungnahme 17/652), S. 20.
[26] In Frankreich bei Rouen erstach ein islamistischer Attentäter, der eine Fußfessel trug, am 26.07.2016 einen katholischen Priester. Siehe FAZ, "Attentat mit Fußfessel", Artikel vom 26.07.2016, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/angreifer-in-franzoesischer-kirche-trug-elektronische-fussfessel-14359132.html.
[27] Bräuchle & Kinzig (2016), "Die elektronische Aufenthaltsüberwachung im Rahmen der Führungsaufsicht", http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/BereichMinisterium/Kurzbericht_elektronische_Aufenthaltsueberwachung_im_Rahmen_der_Fuehrungsaufsicht.pdf;jsessionid=386336737F5FBDB42CAA6A38E166B247.1_cid324?__blob=publicationFile&v=1.
[28] "Angesichts ihrer hohen Eingriffsintensität und des hohen Aufwands für die mit ihr befassten Akteure ist von einer Ausweitung der EAÜ auf weitere Tätergruppen im Rahmen der Führungsaufsicht abzuraten", S. 18.
[29] Vgl. auch Fischer, StGB-Kommentar, 64. Auflage 2017, Vor § 61, Rn. 3.
[30] Vgl. RiLG Dr. Löffelmann, Markus, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Landesregierung, Landtag NRW Drucksache 17/2351(Stellungnahme 17/641), S. 10.
[31] Amnesty International: "Dangerously Disproportionate"; Bericht von Januar 2017, S. 47f.; abrufbar unter https://www.amnesty.org/en/documents/eur01/5342/2017/en/.
[32] Vgl. das Positionspapier von Amnesty International zu Racial Profiling, http://amnesty-polizei.de/wp-content/uploads/2016/05/Racial_Profiling_Positionspapier.pdf.
[33] EGMR, Urteil vom 12.01.2010, Gillan and Quinton v. The United Kingdom, Application no. 4158/05, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-96585, Rn. 63: "Indeed, in the Court's view, the public nature of the search may, in certain cases, compound the seriousness of the interference because of an element of humiliation and embarrassment."
[34] So befand der Gerichtshof im Fall "Colon gegen Niederlande" ein Abstimmungsverfahren zwischen Bürgermeister, Staatsanwaltschaft und Polizei vor dem Erlass einer Kontrollzone als einen Faktor, der mehr rechtsstaatliche Kontrolle bewirken kann. EGMR, Urteil vom 15.5.2012, Colon v. The Netherlands, Application no. 49458/06, Rn. 75ff, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-111347.
[35] Vgl. Stellungnahme von Amnesty International zur geplanten Einführung von DIEG in Niedersachsen, S. 24ff., https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/deutschland-amnesty-kritisiert-geplante-neufassung-des-niedersaechsischen.
[36] Frank Richter, GdP-Landesvorsitzender in NRW, sagte 2012: "Wer Gummigeschosse einsetzen will, nimmt bewusst in Kauf, dass es zu Toten und Schwerverletzten kommt." vgl. https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/de_gdp-nrw-einsatz-von-gummigeschossen-ist-unverantwortlich- (aufgerufen am, 22.08.2018).
[37] Vgl. Use of force, Guidelines for implementation oft he UN basic principles on the use of force and firearms by law enforcement officials, Amnesty International, 2015, S. 157; in Englischer Sprache abrufbar unter: https://www.amnesty.org.uk/files/use_of_force.pdf.
[38] Frank Richter, GdP-Landesvorsitzende in NRW, sagte 2012: "Wer Gummigeschosse einsetzen will, nimmt bewusst in Kauf, dass es zu Toten und Schwerverletzten kommt." vgl. https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/de_gdp-nrw-einsatz-von-gummigeschossen-ist-unverantwortlich- (aufgerufen a, 22.08.2018).
[39] Vgl. den Amnesty-Bericht "The Human Rights Impact of less letal weapons and other law enforcement equipment", https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT3013052015ENGLISH.PDF; https://www.amnesty.ca/news/spain-interior-minister-must-end-use-rubber-bullets.
[40] Vgl. auch Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts, RiLG, Dr. Markus Löffelmann, München, S. 69.
[41] Siehe Positionspapier von Amnesty International zur Videoaufzeichnung in Polizeiwachen, Juli 2010, http://www.amnestypolizei.de/sites/default/files/imce/pfds/PP_Videoaufzeichnung_2010.pdf.
[43] EGMR, Allan v. Großbritannien, Urteil vom 05.11.2002, Rn. 34-36, Khan v. Großbritannien (no. 35394/97, 12.05.2000, Rn. 26-28.
[44]Siehe Positionspapier von Amnesty International zur Videoaufzeichnung in Polizeiwachen, Juli 2010, http://www.amnestypolizei.de/sites/default/files/imce/pfds/PP_Videoaufzeichnung_2010.pdf.
[45] BVerfG, Beschluss v. 23.02.2007, 1 BvR 2368/0, http://www.bverfg.de/e/rk20070223_1bvr236806.html.
[46] Vgl. Vgl. Prof. Dr. Clemens Arzt, Stellungnahme zur Anhörung im Innenausschuss des Landtags NRW am 7. Juni 2018 zum Gesetzesentwurf der Landesregierung 17/2351, S. 13.
[47] BVerfG, Beschluss v. 23.02.2007, 1 BvR 2368/0, http://www.bverfg.de/e/rk20070223_1bvr236806.html, Rn. 40.
[48] "Öffentliche Sicherheit und Sicherheitsempfinden", Allgemeine Bürgerbefragung Düsseldorf 2015, S. 57, https://www.duesseldorf.de/fileadmin/Amt12/statistik/stadtforschung/download/Sicherheit_und_Sicherheitsempfinden_bf.pdf. (Bemerkenswert ist insbesondere, dass 98% der Befragten eine gute Straßenbeleuchtung als zentral für ihr Sicherheitsempfinden erachten, aber nur 64% eine Videoüberwachung), s. auch: "Effects of improved street lightening on crime: a systematic review", http://www.crim.cam.ac.uk/people/academic_research/david_farrington/hors251.pdf.
[49] "Ergebnisse der Evaluation der polizeilichen Videobeobachtung in Nordrhein-Westfalen gemäß § 15a PolG-NRW"; Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.; S. 40; http://www.westfalen-blatt.de/content/download/3355645/95262649/file/KFN.pdf.
[50] Im Folgenden wird zu § 60 genauer Stellung genommen.
[51] BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 - Rn. (1-185), abrufbar unter: http://www.bverfg.de/e/rs20080311_1bvr207405.html.
[52] Vgl. "Staatliche Gesichtserkennung ist etwas anderes als Kennzeichenscanning oder private Selfies" von Alexander Dix, unter: https://www.eaid-berlin.de/?p=1281 (abgerufen am 01.08.2018).
[53] Stellungnahme des DAV, Ausschuss Gefahrenabwehrrecht, zur sog. intelligenten Videoüberwachung, August 2017, S. 5, https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-47-17-intelligente-videoueberwachung.
[54] vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a.
[55] vgl. BVerfG, Urteil vom 04.04.2006, 1 BvR 518/02, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2006/04/rs20060404_1bvr051802.html, Rn. 106.
[56] Vgl. Leipziger Internetzeitung, "Sachsens neues Polizeigesetz ist vom selben Kaliber wie das in Bayern", unter: https://www.l-iz.de/politik/sachsen/2018/05/Sachsens-neues-Polizeigesetz-ist-vom-selben-Kaliber-wie-das-in-Bayern-216064 (abgerufen am 26.07.2018).
[57] Stellungnahme von Amnesty International zum Entwurf des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) vom 08.08.2018, https://www.amnesty.de/sites/default/files/2018-08/Amnesty-Stellungnahme-NPOG-Entwurf-Niedersachsen-August2018.pdf, S. 20-24.
[58] Vgl. EGMR, Klass and others v. Germany, Urteil vom 06.09.1978, Application no. 5029/71, Rn. 37, https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-57510%22]}.
[59] BVerfG, Urt. v. 20.04.2016, 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09, http://www.bverfg.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/04/rs20160420_1bvr096609.html, Rn. 90.
[61] http://www.smi.sachsen.de/27329.htm.
[62] Beispiele wie das britische "Independent Office for Police Conduct" zeigen, dass derartige Mechanismen gut funktionieren und das Vertrauen in die Polizei stärken. https://www.gov.uk/government/organisations/independent-office-for-police-conduct,
[63] Die UNCAT schreibt in Art. 4 und 5 ausdrücklich vor, dass Misshandlungsvorwürfe strafrechtlich aufgearbeitet werden müssen.
[64] EGMR, Urt. v. 09.11.2017, Hentschel & Stark v. Germany, Appl. no. 47274/15, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-178381.
[65] CPT, Bericht vom 01.06.2017, https://rm.coe.int/168071803c, Rn. 19, 22f.; UN-Ausschuss gegen Folter; Feststellungen von UN-Menschenrechtsorganen zum UPR-Verfahren Deutschlands, 12.03.2018, S. 2, 5, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/UN-Dokumente/UPR_zu_Deutschland/UPR_2018_Comp_UN_Info.pdf; ICCPR, abschließende Beobachtungen des UN-Menschenrechtsausschusses bzgl. des 6. Staatenberichts Deutschland zum UN-Zivilpakt, S. 3, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CCPR/C/DEU/CO/6&Lang=En, UN-Menschenrechtsrat, 2013, S. 22, 25, http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/RegularSessions/Session24/Documents/A-HRC-24-9_en.pdf.
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