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"Ich bin ein Kind meiner Leute"
Die Stimme erheben: Rapper und Aktivist Xiuhtezcatl Martinez
© Josue Rivas/Promo
Seit er fünf Jahre alt ist, setzt sich der US-amerikanische Aktivist und Rapper Xiuhtezcatl Martinez für die Umwelt ein. Mit 15 verklagte er die US-Regierung wegen der Klimakrise und trat als bislang jüngster Redner vor der UNO auf. Tobias Oellig hat mit ihm über seinen Aktivismus, seine Musik und seine Träume gesprochen. Ein Protokoll.
In einer besseren Welt
"Ich würde zwischen Neuseeland und Mexiko pendeln und einfach in der Natur und in meiner Kunst leben. In Wasserfällen baden und im Meer schwimmen. Nackt durch den Wald rennen, draußen und frei sein. Ohne Grenzen, ohne das Konzept von Zeit, ohne Social Media. Ich würde viel ins Studio gehen, mein Rap-Handwerk vervollkommnen. Irgendwann will ich ein Plattenlabel für indigene Künstler gründen. Jenseits meines Aktivismus bin ich Künstler. Und Träumer. Ich träume von einer besseren Welt, in der Menschen gedeihen und sein können, wer sie sind. Ich bin ein Kind meiner Leute und meiner Kultur, der Mexica, und ich will, dass sie fortbesteht. Dafür bin ich bereit, zu kämpfen. Ich glaube an eine bessere Welt für sie und meine Generation."
"Mit vereinter Kraft"
"Ich werde heute mit Ihnen darüber sprechen, wie heilig die Erde ist. Die meisten Kinder wissen nicht einmal, dass die Welt heilig ist. Das liegt daran, dass sie die meiste Zeit vor dem Fernseher oder vor ihrem Videospiel verbringen. Es ist Zeit für ihre Eltern, das Haus zu verlassen und ihren Kindern zu zeigen, dass Mutter Erde eine heilige Sache ist, dass sie lebt (…). Und wenn die Eltern dies nicht tun, haben wir möglicherweise keine Chance. Als ich fünf Jahre alt war, wollte ich zu allen Fabriken der Welt gehen und sie zusammen mit meinem kleinen Bruder schließen. Aber als ich sechs Jahre alt war, wurde mir klar, dass wir selbst in den Fabriken einkaufen (…). Es gibt wirklich gute Dinge, die wir tun können, wie nicht in den Fabriken einzukaufen oder bessere Unternehmen zu unterstützen. Es gibt einfache Dinge, die Sie in Ihren eigenen vier Wänden tun können. Lassen Sie das Wasser nicht laufen oder schalten Sie das Licht aus, wenn Sie es nicht benutzen. Sie könnten Ihren Kindern diese Dinge beibringen. Jede Entscheidung, die wir treffen, ist für oder gegen unsere Zukunft. Wer möchte uns und unseren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen? (Applaus) … Ich kann Sie nicht hören! (Mehr Applaus) Ja, zusammen können wir es schaffen – mit vereinter Kraft. Vielen Dank!"
Aus Xiuhtezcatl Martinez’ erster öffentlicher Rede, die er hielt, als er sechs Jahre alt war.
Rap als Sprachrohr
"Ich hatte Glück: Als ich noch sehr jung war, lernte ich einige O.G.s (Rap-Legenden) in Denver kennen. Die brachten mir bei, wie man Reime schreibt. Von ihnen lernte ich, welche Bedeutung Rap als Sprachrohr für marginalisierte Gruppen hat. HipHop ist eine Sprache, die Grenzen transzendiert. Es ist toll, in so viele Länder reisen zu können, die alle ihre eigenen Szenen haben, wie Frankreich, Spanien oder Deutschland. Und das bezieht sich nicht nur auf Rap, sondern auch auf Graffiti, DJing und Breakdance. Bevor HipHop ein weltweites Phänomen wurde, ging es zunächst um die Zusammenkunft einer Community. Die Vibrationen der Musik sind eine Sprache, die alle miteinander verbindet. Das hat mich immer angesprochen. Mit zwölf habe ich angefangen zu breakdancen. Und da habe ich mich in HipHop verliebt. Ich rappe auf Englisch, Spanisch und Nahuatl. Ich erforsche meine eigene kulturelle Identität und komme so in Kontakt mit anderen indigenen und afro-amerikanischen Menschen."
Diskriminierung und Rassismus
"Vielen Leuten in den USA wird erst seit dem Tod von George Floyd so richtig klar, dass White Supremacy immer noch ein Thema ist – besonders für Schwarze und Indigene. Meine Erfahrung als Indigener ist allerdings ganz anders als die vieler meiner Freunde, die in Reservaten aufgewachsen sind. Die Auswirkungen kolonialer Gewalt, die ich erfahre, sind sehr viel subtiler. Da ich relativ helle Haut habe, habe ich im Alltag nicht so viel mit Racial Profiling und Rassismus zu tun wie zum Beispiel mein Bruder oder mein Vater. Ich bin eben auch nicht in ländlichen Gegenden wie Dakota oder im Südwesten aufgewachsen, wo Alltagsrassismen viel ausgeprägter sind."
Modeln fürs Klima
"Ich will da nicht rumlügen: Mit großen Marken zu arbeiten, ist eine Herausforderung. Es geht darum, abzuwägen: einerseits Grenzen zu setzen und zu verstehen, wo ich und mein Image ausgebeutet werden und wo Greenwashing stattfindet, andererseits zu erkennen, wo das eine Gelegenheit bietet, etwas mitteilen zu können. Manche Kooperationen waren nicht optimal, auf die bin ich nicht stolz und denke heute, da hätte ich mehr drüber nachdenken müssen. War nicht immer perfekt, aber ich lerne dazu."
"Mit großen Marken zu arbeiten, ist eine Herausforderung": Rapper und Aktivist Xiuhtezcatl Martinez
© Evan Agostini/Invision/AP/pa
Als Indigener in den USA
"Viele Leute sind schockiert darüber, dass Trump einen faschistischen Staat zu etablieren schien. Indigene haben da eine ganz andere Perspektive drauf: Wir leben schon die ganze Zeit in einem faschistischen Staat. Unsere Communities wurden schon immer unterdrückt. Indigenes Land wird ausgebeutet, um fossile Brennstoffe oder Uran zu gewinnen. Oder es wird von Grenzen zerteilt, wie die sogenannte US-Mexiko-Grenze. Sie wird einfach durch heilige Orte gezogen, durch Friedhöfe, durch Quellen und Wasserwege, die lebensnotwendig sind für die Menschen und spirituelle Bedeutung haben. Leckende Pipelines verseuchen indigenes Land und Trinkwasser. Das ganze Imperium der Gewinnung und Verarbeitung fossiler Brennstoffe wurde auf dem Rücken indigener und schwarzer Menschen errichtet. Der systematische Rassismus und die Benachteiligung von damals setzen sich bis heute fort – in fast allen Bereichen: ob Zugang zu sauberem Wasser oder Krankenversicherung, Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel oder Bildung. Indigene haben das höchste Risiko bei fast allem, man muss sich nur Covid anschauen, die höchsten Infektionsraten lagen in den Reservaten."
Tobias Oellig ist freier Reporter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.
Xiuhtezcatl Martinez:
Imaginary Borders. Englisch, mit Illustrationen von
Ashley Lukashevsky. Penguin, New York 2020, 64 Seiten, 8,35 Euro