Amnesty Journal Ghana 22. Oktober 2024

Kampf Gegen Tod und Tabu

Die Ärztin und Politikerin Eunice Brookman-Amissah aus Ghana setzt sich für sichere Abtreibungen ein. Dafür erhielt sie im vergangenen Jahr den Alternativen Nobelpreis.

Von Helena Kreiensiek

Am Anfang empfand auch sie Ablehnung. "Frauen, die abtrieben, galten auch in meiner Umgebung als Kriminelle", erinnert sich Eunice Brookman-Amissah. Es war ein absolutes Tabu. Doch längst ist die 79-jährige Ärztin und ehemalige Politikerin aus Ghana eine Vorkämpferin für Frauenrechte. 2023 erhielt sie für ihren Einsatz für sichere Schwangerschaftsabbrüche den alternativen Nobelpreis. 

Der Wendepunkt war Anfang der 1990er Jahre, als ein 14-jähriges Mädchen sie um eine Abtreibung bat: "Ich wurde wütend und wies sie zurück", erzählt die Ärztin. Als sie später hörte, dass das Mädchen bei einer illegalen Abtreibung gestorben war, habe sie sich gefragt, inwiefern sie mitverantwortlich für ihren Tod gewesen sei. Damals, sagt Brookman-Amissah, habe sie nichts über die geltende Rechtslage bezüglich Abtreibungen in Ghana gewusst. Im Fall der 14-Jährigen wäre der Eingriff sogar legal gewesen, sie war vergewaltigt worden. Ein Schlüsselmoment für die Ärztin, die es sich fortan zur Aufgabe machte, über die Gesetzgebung aufzuklären – und für deren Verbesserung einzutreten. 

Schätzungsweise 77 Prozent der Abbrüche unsicher

In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen äußerst schwierig. Mit 185 Todesfällen pro 100.000 Abtreibungen verzeichnet die Region laut einem Bericht des US-amerikanischen Guttmacher Instituts, das zu sexuellen und reproduktiven Rechten arbeitet, die höchste Rate weltweit. Schätzungsweise 77 Prozent der Abbrüche sind unsicher, da sie von nicht geschulten Personen oder mit gefährlichen Methoden durchgeführt würden. "Die Abtreibungsgesetze in Afrika gehören leider zu den restriktivsten der Welt", sagt Eunice Brookman-Amissah. Viele Frauen sähen sich gezwungen, bei Laien und unter unhygienischen Umständen Hilfe zu suchen.

Abtreibung ist einfach ein medizinisches Bedürfnis. Aber es hat sich zu einem sensiblen und umstrittenen Thema mit religiösen, moralischen, kulturellen und politischen Dimensionen entwickelt.

Eunice
Brookman-Amissah

Deshalb gibt sie auch nach gut 30 Jahren Engagement keine Ruhe. "Es sterben immer noch zu viele Frauen einen vermeid­baren Tod", sagt die Ärztin, die sich auch als Gesundheitsministerin und Botschafterin für Frauenrechte stark machte. "Ich habe jede Gelegenheit genutzt, um darüber zu sprechen. Und tue es auch jetzt noch", sagt Brookman-Amissah. Frauen aller Länder, jeden Alters und jeder sozialen Stellung würden abtreiben. "Schon immer. Das ist einfach ein medizinisches Bedürfnis. Aber Abtreibung hat sich zu einem sensiblen und umstrittenen Thema mit religiösen, moralischen, kulturellen und politischen Dimensionen entwickelt." Hinzu kommen der limitierte Zugang zu Verhütungsmitteln, fehlende sexuelle Aufklärung und eine schlechte medizinische Versorgung in weiten Teilen der Region. 

Sich für dieses Thema einzusetzen, sei nicht immer einfach gewesen, sagt Brookman-Amissah. Es habe viel Kraft gefordert, vor allem, als sie Morddrohungen von religiösen Extremist*innen der Anti-Abtreibungsbewegung aus den USA erhielt. "Das war eine Zeit, in der ich rund um die Uhr Personenschutz haben musste", erinnert sie sich. Doch auch das habe sie nicht abschrecken können: "Es ist ein gutes Zeichen, wenn sich die Gegner der Abtreibung Sorgen machen. Denn das bedeutet, dass wir Fortschritte machen."

Helena Kreiensiek ist freie Journalistin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.

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