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Ben Salomo - Mit Wortgewalt gegen Antisemitismus
© Lou Huber-Eustachi/jib collective/Amnesty International
Der in Israel geborene Rapper Ben Salomo (39) wuchs in Westberlin auf. Seine Sandkastenfreunde feindeten ihn später aus antisemitischen Motiven an.
Mein Name macht den meisten Leuten klar, dass sie es mit einem Rapper zu tun haben, der jüdische Wurzeln hat. Damit bin ich für manche schlichtweg verbrannt oder als "der Jude" abgestempelt. Das finde ich aber immer noch besser, als mir vorneherum die Hand zu geben, nur um mich hinter meinem Rücken antisemitisch abzuwerten. Mein Rapper-Name fungiert da als eine Art Schutzschild – wie in meiner frühen Jugend, als ich auf die Frage "Bist Du Jude?" irgendwann zu entgegnen begann: "Noch schlimmer: Ich bin Israeli." Damals schwappte mir von Jugendlichen, mit denen ich auf dem Hof in Berlin-Schöneberg aufgewachsen war, plötzlich Antisemitismus entgegen. Vorher hatten wir jahrelang miteinander gespielt: Murmeln, Fangen, Fußball. Jetzt war ich ein Feind.
Mit 14 fragte mich jemand auf dem Geburtstag einer Freundin, was die jüdische Nationalhymne sei. Ich dachte, er wird ja nicht die israelische meinen, und sagte: "Kenne ich nicht". Daraufhin zückte er ein Feuerzeug und drückte aufs Gas. Seine Freunde haben sich köstlich amüsiert. Ich war traurig und fragte mich, was daran lustig sei. Damals sind sechs Millionen Menschen ermordet worden.
Vor dem Haus, in dem ich früher wohnte, wurden vor einiger Zeit Stolpersteine verlegt – in Erinnerung an Juden, die von dort deportiert wurden. Einige Tage später riss sie jemand aus dem Boden. Es sprach sich herum, wer das getan hatte: ein ehemaliger, guter Bekannter. Ich gab ihm nicht mehr die Hand, grüßte ihn nicht mehr. Bei einem Streit sagte er: "Wieso grüßt du mich nicht mehr?" Ich sagte: "Du hast das mit den Steinen gemacht." Er sagte: "Wenn ich will, nehme ich diese Steine und schlage dir damit den Schädel ein."
Der Antisemitismus, den ich erlebe, ist muslimisch geprägt, er schlägt mir von Türken und Arabern entgegen. Aber ich lehne es ab, sie deshalb pauschal in eine Schublade zu stecken. Über deutsch geprägten Antisemitismus kann ich nichts sagen, weil es ihn in dem Milieu, in dem ich aufwuchs, in der Form nicht gab. Viele meiner jüdischen Freunde haben sich verleugnet und gesagt, sie seien Russen oder Italiener. Für mich kam das nicht infrage. Ich habe jedes Jahr meine Großeltern in Israel besucht und erfahren, was es wirklich heißt, frei zu sein in meinem Jüdisch- und Israeli-Sein. Ich habe bewusst entschieden, mich nicht zu verleugnen – auch wenn ich dadurch in brenzlige Situationen geriet. Ich bekam lieber eins auf die Nase, als mich selbst in eine Zwangsjacke zu stecken. Meine Erfahrung war, dass ich so im Endeffekt eher respektiert wurde.
Im Rap ist offener Judenhass eher selten. Es gibt Antisemiten, die nicht wissen, dass sie welche sind, zugleich aber an antisemitische Stereotype glauben und sie verbreiten. Sie halten Verschwörungstheorien für die Realität: "Ich habe ja nichts gegen Juden, aber euch gehört doch die Welt." Wie sollst du darauf antworten? Wenn sie das rappen, haben sie natürlich Einfluss auf ihre Fans. Gleichzeitig muss man sagen: Würde Rassismus, würden rassistische Textzeilen nicht gefeiert, würden Rapper sie nicht texten. Rapper sind Populisten, sie wollen abgefeiert werden. Wenn Alben die Charts anführen, in denen Antisemitismus präsent ist, und Musiker damit Millionäre werden, zeigt das doch, was los ist: Es scheint sich mit der Temperatur in der Bevölkerung zu decken.
In meinen Songs versuche ich prophylaktisch auf bestimmte Dinge hinzuweisen, damit die nächste Generation nicht mit diesen antisemitischen Stereotypen aufwächst. Und um zu verhindern, dass eines Tages wieder marodierende Menschenmassen durch die Straßen ziehen, Fensterscheiben einwerfen, Synagogen anzünden und noch viel Schlimmeres tun – nicht nur gegen Juden.
Protokoll: Andreas Koob