Aktuell 24. März 2015

Somalia: Behinderte Menschen schwerwiegend diskriminiert

Somalia: Behinderte Menschen schwerwiegend diskriminiert

Somalia: Behinderte Menschen schwerwiegend diskriminiert

25. März 2015 - Menschen mit Behinderungen sind in Somalia stärker Misshandlungen ausgesetzt und werden als einfachere Angriffsziele für Zwangsheirat, Gewalt, Zwangsvertreibung, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt angesehen. Im Februar 2015 reiste ein Team von Amnesty International nach Mogadischu, um Menschen mit Behinderungen sowie Mitarbeiter_innen von Organisationen für Behinderte zu interviewen.

Über die Anzahl und Situation von Menschen, die mit einer Behinderung in Somalia leben, gibt es keine Statistiken oder verlässliche Informationen. Nach Angaben von Organisationen, die mit behinderten Menschen arbeiten, wurde die Mehrheit der Personen mit Behinderung in dem seit über 20 Jahren andauernden Bürgerkrieg verletzt und trugen in dessen Folge eine Behinderung davon. "Somalia muss mehr unternehmen, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu schützen, anstatt es zuzulassen, dass diese aufgrund ihrer Behinderung weiteren Misshandlungen ausgesetzt sind", sagt Frauke Holzenthal, Somalia-Expertin von Amnesty International.

Hannan erlitt infolge eines Unfalls als Baby eine Behinderung und kann seitdem nicht richtig laufen. Ihrer brutalen Ehe konnte sie so bisher nicht entkommen: "Ich war 13 Jahre alt. Meine Familie entschied, mich mit diesem Mann zu verheiraten, ich weigerte mich aber und lief davon. Meine Familie schickte mir starke Männer hinterher. Als sie mich zurückbrachten, banden sie meine Arme und Beine zusammen und brachten mich zu dem Mann. Er schlug mich von Anfang an. Seine Familie sagt immer, dass ich behindert bin und mich nicht zu beschweren habe. Er schlägt, tritt und würgt mich…Wenn ich fliehe und nach Hause zurückkehre, sagt meine Tante mir nur, dass ich behindert bin und bringt mich dann zu ihm zurück."

Häusliche Gewalt und Zwangsheirat weit verbreitet

Häusliche Gewalt und Zwangsheirat sind innerhalb der somalischen Gesellschaft weit verbreitet. Mädchen und Frauen mit einer Behinderung sind allerdings besonders gefährdet. Ihre Familien betrachten sie als Bürde, als Menschen geringeren Wertes. In Somalia ist das Rechtssystem nach dem langjährigen Konflikt nur schwach ausgeprägt. Gesetze, die häusliche Gewalt, Zwangsheirat oder Vergewaltigung in der Ehe kriminalisieren, gibt es nicht. Zudem führt die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat dazu, dass viele Fälle weder dokumentiert noch untersucht werden.

Nicht nur innerhalb häuslicher Beziehungen sind behinderte Frauen und Mädchen einem größeren Risiko ausgesetzt, vergewaltigt oder misshandelt zu werden. In mehreren Fällen berichteten Frauen, dass die Täter sie gezielt aufgrund ihrer Behinderung ausgewählt hatten, da sie dadurch leichter anzugreifen waren. "Das Problem ist, dass die Gemeinschaft nicht hilft, wenn behinderte Frauen vergewaltigt werden. Sie sagen, das sei doch nichts. Die Gemeinschaft reagiert nicht so, wie sie bei einem nicht behinderten Mädchen reagieren würde. Sie tun nichts und sagen nichts. Wenn ein behindertes Mädchen vergewaltigt wird, sagt niemand etwas. Sie ist wertlos", sagte Farhiya, die für eine Behindertenorganisation arbeitet.

Weniger Hilfsgüter für Menschen mit Behinderung

Auch viele behinderte Menschen, die durch den Konflikt vertrieben wurden, leben in Siedlungen für Binnenvertriebene, in denen die ständige Gefahr vor Zwangsräumungen herrscht. Menschen mit Behinderungen sind außerdem einem höheren Risiko ausgesetzt, Opfer von Missbrauch oder Gewalt zu werden. Zudem ist es für sie in der Regel schwieriger, Hilfsgüter zu erhalten. Amnesty International traf sich mit einer Gruppe von blinden Menschen, die 2010 während der Krise am Horn von Afrika mit anderen Binnenvertriebenen in Mogadischu lebte. Hussein, ein Mitglied dieser Gemeinschaft, berichtete: "Wenn wir mit anderen zusammenleben und Hilfsgüter verteilt werden, gibt niemand an uns Blinde etwas weiter. Wir bleiben im Haus, während alle anderen gehen und für sich und ihre Familie Hilfsgüter holen. Niemand hilft uns."

Behinderte Menschen organisieren sich in Gruppen, um sich gegenseitig zu schützen oder gemeinsam zu demonstrieren. Amnesty International wurde von zwei Demonstrationen im Dezember 2014 berichtet, die sich gegen die mangelnde Aufmerksamkeit für behinderte Menschen seitens der Regierung richteten. Viele behinderte Menschen wünschen sich eine andere, positivere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Hussein sagte dazu: "Die meisten Somalier denken, dass behinderte Menschen nichts alleine und für sich selbst tun können. Wir sind enttäuscht. Wir sind in der Lage, etwas zu tun, doch niemand gibt uns die Chance dazu. Niemand kämpft für unsere Rechte… Wir wollen, dass ihr unser Leiden in der Welt verbreitet und versucht, uns zu helfen."

Die somalische Bundesregierung ist verpflichtet, die Rechte behinderter Menschen zu fördern, zu schützen und zu respektieren. Die Regierung sollte ihre Bereitschaft beweisen, die Situation für behinderte Menschen zu verbessern. Dazu sollte sie Maßnahmen ergreifen und umsetzen, die behinderten Menschen die Wahrnehmung ihrer Rechte erlauben.

Lesen Sie mehr im Briefing "Somalia: Prioritise Protection for People with Disabilities"

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