Fünf Jahre Haft

Maks Bokaev und Talgat Ayan, 2016

Maks Bokaev und Talgat Ayan, 2016

Am 20. Januar hat das Regionalgericht Atyrau in Kasachstan die Entscheidung aufrechterhalten, die Menschenrechtsverteidiger und gewaltlosen politischen Gefangenen Maks Bokaev und Talgat Ayan wegen ihrer Beteiligung an der Organisation friedlicher Demonstrationen und ihrer Veröffentlichungen in den sozialen Medien zu fünf Jahren Haft zu verurteilen. Am 3. Februar werden sie in eine Gefängniskolonie gebracht, die 1500 km von ihrem Heimatort entfernt liegt.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT Zhakip Assanov Office of the Prosecutor General 14 Orynbor Street Astana, 010000 REPUBLIK KASACHSTAN (Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt) Fax: (00 7) 7172 506 402

JUSTIZMINISTER Marat Beketaev

Ministry of Justice House of Ministries, 13 entrance Left Bank, Mangilik El street 8 Astana, 010000 REPUBLIK KASACHSTAN (Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister) Fax: (00 7) 7172 74-09-54 Email: kanc@adilet.gov.kz

Sende eine Kopie an

MENSCHENRECHTSBEAUFTRAGTER Askar Shakirov 8 Orynbor Street, Astana, 010000 REPUBLIK KASACHSTAN Fax: (00 7) 7172 740 548 E-Mail: info@ombudsman.kz

 

BOTSCHAFT DER REPUBLIK KASACHSTAN S. E. Herrn Bolat Nussupov Nordendstraße 14/17 13156 Berlin Fax: 030-4700 7 125 E-Mail: info@botschaft-kaz.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Kasachisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. März 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Maks Bokaev und Talgat Ayan bitte umgehend und bedingungslos frei, da sie gewaltlose politische Gefangene sind und sich nur in Haft befinden, weil sie friedlich von ihren Rechten Gebrauch gemacht haben.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass Maks Bokaev und Talgat Ayan umgehend Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung erhalten.

  • Ich fordere Sie höflich auf, die Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit für alle Menschen in Kasachstan zu respektieren.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Kazakhstani authorities to release Maks Bokaev and Talgat Ayan immediately and unconditionally, as they are prisoners of conscience detained solely for the peaceful exercise of their rights.

  • Urging them in the meantime to ensure that Maks Bokaev and Talgat Ayan have access to adequate medical care.

  • Calling on them to respect the rights to freedom of expression and peaceful assembly for all in Kazakhstan.

Sachlage

Die fünfjährige Haftstrafe gegen die Menschenrechtsverteidiger und gewaltlosen politischen Gefangenen Maks Bokaev und Talgat Ayan wurde von der Berufungskammer des Regionalgerichts Atyrau im Westen Kasachstans am 20. Januar bestätigt. Der Rechtsbeistand von Talgat Ayan legt gerade Rechtsmittel beim Obersten Gerichtshof von Kasachstan ein.

Obwohl das kasachische Recht vorschreibt, dass Gefangene ihre Strafe in der Nähe ihres Wohnsitzes ableisten sollten, wurden Maks Bokaev und Talgat Ayan am 28. Januar in ein Untersuchungsgefängnis in Aktobe, über 500 km entfernt von ihrer Heimatstadt Atyrau, verlegt. Laut Angaben von Talgat Ayans Rechtsbeistand werden die beiden am 3. Februar in eine Strafkolonie in Petropavlovsk im Norden Kasachstans gebracht. Petropavlovsk ist 1500 km von Atyrau entfernt und es gibt weder eine direkte Flug- noch eine Zugverbindung. Maks Bokaev und Talgat Ayan wurden im Vorhinein nicht über ihre Verlegung nach Petropavlovsk in Kenntnis gesetzt und haben daher keine angemessene Kleidung für Temperaturen bis -20° Celsius, die im Norden Kasachstans herrschen. Ihre Angehörigen äußern sich besorgt über die Haftbedingungen und den Gesundheitszustand der beiden seit Beginn der Haft.

Maks Bokaev und Talgat Ayan waren ursprünglich am 17. Mai 2016 in Atyrau festgenommen worden, nachdem sie in sozialen Medien öffentlich ihre Absicht verkündet hatten, an den für den 21. Mai geplanten Demonstrationen teilnehmen zu wollen. Sie hatten auch andere Personen aufgefordert, an den Protestveranstaltungen teilzunehmen. Seither befinden sie sich in Haft. Ihr Verfahren begann am 12. Oktober 2016 und erfüllte nicht die Anforderungen eines fairen Verfahrens. Am 28. November wurden sie schuldig befunden, "soziale, nationale, ethnische, klassenbezogene oder religiöse Zwietracht gesät" (Paragraf 174 des Strafgesetzbuchs), "falsche Informationen verbreitet" (Paragraf 274) und "nicht genehmigte Treffen und Demonstrationen organisiert" (Paragraf 400) zu haben.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 17. Mai 2016 wurden die beiden Männer nach Paragraf 488 des Gesetzbuchs über Ordnungswidrigkeiten wegen "Verstoßes gegen die Gesetze der Republik Kasachstan zur Organisation und Durchführung friedlicher Versammlungen" zu 15 Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Mindestens 32 weitere Personen wurden im Vorfeld des 21. Mai in ganz Kasachstan festgenommen und für 10 bis 15 Tage in Verwaltungshaft genommen, die meisten von ihnen, weil sie in den sozialen Medien ihre Absicht verkündet hatten, am 21. Mai zu demonstrieren.

Das Verfahren begann am 12. Oktober und entsprach nicht den Standards für ein faires Gerichtsverfahren, wie sie beispielsweise in Artikel 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte festgelegt sind, zu dessen Vertragsstaaten Kasachstan gehört. So war u. a. der Zugang für Prozessbeobachter_innen eingeschränkt. Außerdem erhielten die Rechtsbeistände von Maks Bokaev und Talgat Ayan keinen Zugang zu einigen Informationen, die der Staatsanwaltschaft vorlagen, oder hatten nicht genügend Zeit, um Fallmaterial durchzuarbeiten.

Am 24. Mai 2016, eine Woche vor Ablauf ihrer Verwaltungshaft, wurden Maks Bokaev und Talgat Ayan nach dem Strafgesetzbuch angeklagt und in Untersuchungshaft genommen. Dort blieben sie bis zu ihrer Verurteilung am 28. November. Ihre Verurteilung beruht auf ihren Beiträgen in den sozialen Medien im Vorfeld des 17. Mai und ihrer Teilnahme an einer früheren, "ungenehmigten" Demonstration am 24. April 2016.

Maks Bokaev leidet seit fünf Jahren an Hepatitis C. Nach einer erfolgreichen Behandlung vor zwei Jahren befand er sich auf dem Weg der Besserung, seit seiner Inhaftierung hat sich sein Gesundheitszustand jedoch beträchtlich verschlechtert. Seiner Familie zufolge wird Maks Bokaev eine angemessene medizinische Versorgung, darunter auch der Zugang zu einer antiviralen Therapie, verweigert, was zu weiteren gesundheitlichen Problemen geführt hat. Am 18. Oktober wurde ein Notarzt gerufen, um ihn im Gerichtssaal zu versorgen. Er wurde daraufhin ins Krankenhaus gebracht, wo man eine Entzündung der Gallenblase und der Bauchspeicheldrüse diagnostizierte. Laut der UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) liegt die medizinische Versorgung von Gefangenen in der Verantwortung des Staates, und Gefangene sollten ohne Diskriminierung den gleichen medizinischen Standard genießen wie die lokale Bevölkerung. Darüber hinaus sehen die Nelson-Mandela-Regeln auch vor, dass Gefangene, die eine fachärztliche Behandlung benötigen, in spezialisierte Einrichtungen oder externe Krankenhäuser verlegt werden müssen, wenn eine derartige Behandlung im Gefängnis nicht möglich ist. Wird keine angemessene medizinische Versorgung für Gefangene bereitgestellt, kann dies einen Verstoß gegen das absolute Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe gemäß Artikel 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und der Antifolterkonvention darstellen, zu deren Vertragsstaaten Kasachstan zählt.

Ende April und Anfang Mai 2016 fanden in ganz Kasachstan Demonstrationen gegen die geplanten Änderungen des Bodengesetzes statt. Diese Änderungen sehen vor, dass ungenutzte landwirtschaftliche Flächen privatisiert und an kasachische Staatsangehörige verkauft oder bis zu 25 Jahre lang an ausländische Staatsangehörige verpachtet werden können. Im Mai verhängte der Präsident ein Moratorium über die Gesetzesänderungen, wodurch diese derzeit aufgehoben sind.

Das Recht auf friedliche Versammlung wird durch internationale Menschenrechtsabkommen geschützt, zu deren Vertragsstaaten Kasachstan gehört und die in der Folge rechtlich bindend für das Land sind, wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Artikel 21). In internationalen Standards zum Recht auf friedliche Versammlung ist klar festgelegt, dass die Ausübung des Rechts auf friedliche Versammlung nicht der Genehmigung staatlicher Behörden unterliegen sollte. Staaten können die vorherige Anmeldung – jedoch nicht die Billigung ihrerseits – von Versammlungen erforderlich machen, um die Ausübung des Rechts auf friedliche Versammlung zu gewährleisten bzw. zu vereinfachen und Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder der Rechte anderer zu ergreifen.