Aktivisten droht Inhaftierung

Kasachstan

Kasachstan

Nachdem im Mai zahlreiche Aktivist_innen festgenommen worden waren, um ihre Teilnahme an friedlichen Demonstrationen in verschiedenen Städten Kasachstans zu verhindern, befinden sich drei Aktivisten nach wie vor in Haft und wurden nun unter Anklage gestellt. Sie sind gewaltlose politische Gefangene, die lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung inhaftiert sind.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT
Zhakip Assanov
14 Orynbor Street
Astana
010000
REPUBLIK KASACHSTAN
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 7) 7172 506 402

Sende eine Kopie an

MENSCHENRECHTSBEAUFTRAGTER
Askar Shakirov
8 Orynbor Street
Astana
010000
REPUBLIK KASACHSTAN
Fax: (00 7) 7172 74 05 48

BOTSCHAFT DER REPUBLIK KASACHSTAN
S. E. Herrn Bolat Nussupov
Nordendstraße 14/17
13156 Berlin
Fax: 030-4700 7 125
E-Mail: info@botschaft-kaz.de oder berlin@mfa.kz

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Kasachisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. Juli 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie bitte alle Anklagen gegen Maks Bokaev, Talgat Ayan und Zhanat Esentaev fallen und lassen Sie die Männer umgehend und bedingungslos frei, da sie gewaltlose politische Gefangene sind, die lediglich wegen der Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit und der Absicht der Ausübung ihres Rechts auf Versammlungsfreiheit inhaftiert sind.

  • Ich fordere Sie auf, die Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit für alle Menschen in Kasachstan zu respektieren.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Kazakhstani authorities to drop all charges against Maks Bokaev, Talgat Ayan and Zhanat Esentaev and release them immediately and unconditionally as they are prisoners of conscience, detained solely for exercising their right to freedom of expression and intending to exercise their right to peaceful assembly.

  • Calling on them to respect the rights to freedom of peaceful assembly and freedom of expression for all in Kazakhstan.

Sachlage

In ganz Kasachstan waren für den 21. Mai Demonstrationen gegen Änderungen des Bodengesetzes geplant. Maks Bokaev, Talgat Ayan und Zhanat Esentaev waren gemeinsam mit anderen Aktivist_innen im Vorfeld der Demonstrationen festgenommen worden.

Maks Bokaev und Talgat Ayan wurden am 17. Mai in Atyrau im Westen von Kasachstan festgenommen, nachdem sie angekündigt hatten, an den Demonstrationen teilnehmen zu wollen. Sie hatten auch andere Personen aufgefordert, an den Protestveranstaltungen teilzunehmen. Die beiden Männer wurden unter Paragraf 488 des Gesetzbuchs über Ordnungswidrigkeiten wegen "Verstoßes gegen die Gesetzgebung der Republik Kasachstan zur Organisation und Durchführung friedlicher Versammlungen" zu 15 Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Zhanat Esentaev wurde am selben Tag in Uralsk im Nordwesten des Landes festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, "soziale, nationale, ethnische, klassenbezogene oder religiöse Zwietracht gesät" und damit gegen Paragraf 174 des Strafgesetzbuchs verstoßen zu haben. Bei einem Schuldspruch müsste er mit bis zu sieben Jahren Haft rechnen. Wenn die Straftat von einer "kriminellen Gruppe" verübt wird, kann sie mit bis zu 20 Jahren Gefängnis geahndet werden. Maks Bokaev, Talgat Ayan und Zhanat Esentaev hatten entsprechend der nationalen Rechtsvorschriften bei den lokalen Behörden eine Genehmigung für Demonstrationen am 21. Mai beantragt.

Die Verwaltungshaft von Maks Bokaev und Talgat Ayan hätte am 1. Juni auslaufen sollen. Am 31. Mai wurde jedoch unter Paragraf 179 des Strafgesetzbuchs wegen "Propaganda und öffentlichen Aufrufens zur Übernahme oder Erhaltung der Macht, sowie der Übernahme oder Erhaltung der Macht bzw. der gewaltsamen Herbeiführung eines Wechsels in der verfassungsmäßigen Ordnung der Republik Kasachstan" Anklage gegen sie erhoben. Sie wurden für drei Monate in Atyrau in Untersuchungshaft genommen. Bei einer Verurteilung drohen ihnen möglicherweise bis zu 15 Jahre Haft. Das Regionalbüro des Inlandsgeheimdienstes KNB in Atyrau gab an, Maks Bokaev und Talgat Ayan hätten in Bezug auf die Änderungen des Bodengesetzes die öffentliche Meinung negativ beeinflusst, zu Demonstrationen in verschiedenen Städten aufgerufen und "geplant, während einer Demonstration zu Massenunruhen und bewaffnetem Widerstand gegen Ordnungskräfte aufzurufen". Zhanat Esentaev befindet sich nach wie vor in Uralsk in Untersuchungshaft.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seit dem 21. April finden in ganz Kasachstan Demonstrationen gegen die geplanten Änderungen des Bodengesetzes statt. Diese Änderungen sehen vor, dass ungenutzte landwirtschaftliche Flächen privatisiert und an kasachische Staatsangehörige verkauft oder bis zu 25 Jahre lang an ausländische Staatsangehörige verpachtet werden können. Im Mai verhängte der Präsident ein Moratorium über die Gesetzesänderungen, wodurch diese derzeit aufgehoben sind; die Proteste dauern jedoch weiter an.

Am 21. Mai hätten erneut Proteste stattfinden sollen. Überall dort, wo die Organisator_innen im Vorfeld Genehmigungen für die Protestveranstaltungen von den Lokalbehörden einholen wollten, wie es die nationale Gesetzgebung vorschreibt, wurde diese Genehmigung willkürlich verweigert. Dennoch unternahmen Menschen in vielen Städten des Landes den Versuch, am 21. Mai friedlich in den Stadtzentren zu demonstrieren. Hierbei handelte es sich ausnahmslos um relativ kleine Versammlungen von meist einigen Dutzend bis zu mehreren Hundert Personen. In den meisten Fällen wurden die Versammlungen von der Polizei aufgelöst. Berichte über Gewalt gab es keine.

Im Vorfeld des 21. Mai wurden mindestens 34 Aktivist_innen festgenommen und zu Verwaltungshaftstraften von bis zu 15 Tagen verurteilt. Ziel der Behörden war es, auf diese Weise Informationen über die geplanten Proteste zu unterdrücken und die mutmaßlichen "Organisator_innen" hinter Gitter zu bringen. Weitere Informationen (auf Englisch) finden Sie unter https://www.amnesty.org/en/documents/eur57/4141/2016/en/. In den meisten Fällen hatten die zwischen dem 17. und 21. Mai festgenommen Personen nichts weiter getan, als ihre Absicht zur Teilnahme an den geplanten Demonstrationen in sozialen Medien mitzuteilen oder Informationen dazu bereitzustellen. Am 21. Mai wurde über Schwierigkeiten bei der Nutzung von Facebook und Google berichtet, und YouTube sowie auch die Online-Video-Plattform Periscope waren gesperrt, vermutlich um zu verhindern, dass Informationen oder Videoaufzeichnungen der Demonstrationen oder Polizeieinsätze hochgeladen werden. Die meisten inhaftierten Personen wurden nach einiger Zeit wieder freigelassen; einige wurden jedoch mit einer Geldstrafe belegt oder zu Verwaltungshaftstrafen von 10-15 Tagen verurteilt.

Am 27. Mai wurde auf der Internetseite der Generalstaatsanwaltschaft eine Pressemitteilung veröffentlicht. Darin wurden die Proteste als "Ereignisse" beschrieben, mit deren Hilfe "bestimmte Personen" versucht haben sollen, "die sozio-politische Situation zu destabilisieren, Zwietracht zwischen den Ethnien zu säen und die Macht zu ergreifen". In der Mitteilung wurde auch darauf hingewiesen, dass gegen einige Personen Strafverfahren eingeleitet worden seien, Namen wurden jedoch keine genannt.

Das Recht auf friedliche Versammlung ist in Kasachstan stark eingeschränkt. Demonstrationen erfordern eine Genehmigung seitens der lokalen Behörden. Diese wird jedoch häufig verweigert, oder es wird nicht erlaubt, die Veranstaltung an einem zentralen Ort durchzuführen. Verstöße gegen Rechtsvorschriften zu Versammlungen, so z. B. die Organisation einer unerlaubten Demonstration oder die Teilnahme daran (Paragrafen 155 und 400 des Strafgesetzbuchs und Paragraf 488 des Gesetzbuchs über Ordnungswidrigkeiten), werden mit bis zu 75 Tagen Verwaltungshaft bestraft.

Das Recht auf friedliche Versammlung ist in Artikel 19 und 21 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Kasachstan gehört, verankert. In internationalen Standards zum Recht auf friedliche Versammlung ist klar festgelegt, dass die Ausübung des Rechts auf friedliche Versammlung nicht der Genehmigung staatlicher Behörden unterliegen sollte. Staaten können die vorherige Anmeldung – jedoch nicht die Billigung ihrerseits – von Versammlungen erforderlich machen, um die Ausübung des Rechts auf friedliche Versammlung zu gewährleisten bzw. zu vereinfachen und Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder der Rechte anderer zu ergreifen.