Pressemitteilung Russische Föderation 04. März 2025

Russland/Ukraine: Misshandlung von ukrainischen Gefangenen stellt Kriegsverbrechen dar

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Ukrainische Kriegsgefangene und zivile Gefangene werden von russischen Behörden gefoltert, über längere Zeit ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und verschwinden gelassen. Diese Taten stellen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar, so Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht

Der Bericht "A Deafening Silence: Ukrainians held incommunicado, forcibly disappeared and tortured in Russian captivity" dokumentiert, wie ukrainische Kriegsgefangene und Zivilist*innen in russischer Gefangenschaft oft jahrelang bewusst von der Außenwelt abgeschnitten werden. So können Folter sowie andere Misshandlungen in Haft und sogar rechtswidrige Tötungen von Kriegsgefangenen ungestraft fortgesetzt werden.

Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt:

"Die Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt ist ein systematisches Vorgehen der russischen Behörden, das darauf abzielt, die Gefangenen zu entmenschlichen und zum Schweigen zu bringen. Folter findet in völliger Isolation von der Außenwelt statt, und die Opfer sind ihren Peiniger*innen völlig ausgeliefert. Ihre Familien warten währenddessen in quälender Ungewissheit auf Nachrichten von ihren Angehörigen. Es handelt sich ausdrücklich nicht um Einzelfälle, sondern um eine systematische Praxis, die gegen alle Grundsätze des Völkerrechts verstößt.

Die internationale Gemeinschaft muss all ihren Einfluss und sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Mechanismen einsetzen, einschließlich Verfahren nach dem Weltrechtsprinzip, um diese abscheulichen Verbrechen zu stoppen. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden!" 

Der Bericht von Amnesty International basiert auf Interviews, die zwischen Januar und November 2024 mit 104 Personen in der Ukraine geführt wurden. Dazu gehören fünf ehemalige ukrainische Kriegsgefangene, Familienangehörige von 38 Kriegsgefangenen, Familienangehörige von 23 Ukrainer*innen, die "unter besonderen Umständen vermisst werden", 28 ehemals inhaftierte Zivilpersonen und ihre Angehörigen sowie 10 russische Kriegsgefangene, die derzeit in der Ukraine inhaftiert sind. 

Quälendes Nichtwissen

Die genaue Zahl der Gefangenen ist nicht bekannt, aber es ist davon auszugehen, dass Tausende von Ukrainer*innen, sowohl Militärangehörige als auch Zivilpersonen, derzeit in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine und in Russland gefangen gehalten werden. 

Die meisten ukrainischen Kriegsgefangenen werden ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Ihre Familien erhalten nur wenige oder gar keine Informationen über ihr Schicksal oder ihren Aufenthaltsort.

Gleichzeitig haben die russischen Behörden internationalen Organisationen den Zugang zu den Gefangenen verweigert. Dies ist Teil einer bewussten Strategie, die Kriegsgefangene dem Schutz des Völkerrechts entzieht. Eine längere Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt kann eine unmenschliche Behandlung darstellen.

Die Vermissten 

Zehntausende von Ukrainer*innen werden von den ukrainischen Behörden als "unter besonderen Umständen vermisst" eingestuft. Viele von ihnen befinden sich wahrscheinlich in russischer Haft, während andere möglicherweise getötet wurden. In einigen Fällen hat Russland die Gefangenschaft einzelner Kriegsgefangener bestätigt, indem es das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) im Einklang mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen benachrichtigt hat. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Russland das IKRK nicht über den Status von Hunderten oder Tausenden weiteren Kriegsgefangenen informiert hat. 

Auch unter der Zivilbevölkerung gibt es eine beträchtliche Anzahl von Personen, die dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen sein sollen. Russland setzt seit langem willkürliche Festnahmen, Folter und die Praxis des Verschwindenlassens ein, um die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten der Ukraine einzuschüchtern. Solche Handlungen stellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. 

Systematische Folter von Kriegsgefangenen 

Zahlreichen Berichten zufolge ist die Folter von ukrainischen Kriegsgefangen weit verbreitet, erfolgt systematisch und findet in allen Phasen der Gefangenschaft statt. Auch alle von Amnesty International befragten ehemaligen Kriegsgefangenen haben dasselbe berichtet. Folter und unmenschliche Behandlung sind unter allen Umständen nach den internationalen Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht verboten und stellen, wenn sie im Rahmen eines bewaffneten Konflikts begangen werden, ein Kriegsverbrechen dar.

Amnesty International hat ebenfalls dokumentiert, wie Kriegsgefangenen medizinische Behandlung verweigert wird. Diese Handlungen stellen besonders im Falle der Verweigerung von Schmerzmitteln in akuten Notsituationen Folter und somit ebenfalls das Kriegsverbrechen der Folter dar.

Verstoß gegen die Genfer Konventionen 

Das Vorgehen Russlands verstößt in eklatanter Weise gegen die Genfer Konventionen, die Kriegsgefangenen das Recht auf regelmäßigen Schriftverkehr, Zugang zu medizinischer Versorgung und Besuche internationaler Organisationen garantieren. 

Amnesty International fordert die russischen Behörden auf, Folter, Verschwindenlassen und die Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt von ukrainischen Gefangenen zu beenden. Die russischen Behörden müssen die zuständigen Stellen über den Status aller Kriegsgefangenen informieren und internationalen Hilfsorganisationen ungehinderten Zugang gewähren. Russland muss für eine angemessene medizinische Versorgung aller ukrainischen Gefangenen sorgen und schwerkranke und verwundete Kriegsgefangene direkt zurückführen. Unrechtmäßig inhaftierte Zivilpersonen müssen freigelassen werden. 

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