Pressemitteilung Aktuell 08. Februar 2024

Myanmar: Militär tötet durch Luftangriffe während eines Gottesdienstes 17 Zivilpersonen

Das Foto zeigt eine Kirche von innen mit einer Reihe Sitzbänke. Die Decke ist beschädigt.

Bei Luftangriffen auf das Dorf Kanan im Westen Myanmars wurden am 7. Januar 2024 mehrere Menschen getötet und unter anderem die Kirche schwer beschädigt.

Amnesty International dokumentiert Luftangriffe durch das Militär, bei denen 17 Zivilpersonen getötet wurden. Die Menschenrechtsorganisation fordert, die Angriffe als Kriegsverbrechen zu untersuchen und die Lieferung von Flugzeugtreibstoff einzustellen, um solche Verbrechen zu verhindern.

Bei Luftangriffen am 7. Januar im Westen von Myanmar tötete die Armee 17 Zivilpersonen, darunter neun Kinder, und verwundete mehr als zwanzig Menschen. Die Angriffe fanden während eines Gottesdienstes im Dorf Kanan in der Region Sagaing statt, das an der Grenze zu Indien liegt. 

Zeug*innenaussagen zufolge töteten die ersten Explosionen zwei Kinder, die vor einer Schule Fußball spielten. Als die Menschen gerade versuchten, sich in Sicherheit zu bringen, erfolgte der zweite Angriff. Mehrere Häuser wurden zerstört, eine Schule und eine Kirche wurden schwer beschädigt.

Matt Wells, Crisis Response Director bei Amnesty International, sagt: "Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Militär in Myanmar plant, seine tödlichen Angriffe auf die Zivilbevölkerung einzustellen. Die Welt kann nicht länger wegschauen, während das Militär in Myanmar unerbittlich Zivilpersonen und zivile Ziele angreift, darunter Kirchen, Schulen und Krankenhäuser. Die Staatengemeinschaft und Unternehmen weltweit müssen die Lieferung von Flugzeugtreibstoff an die Armee einstellen, um die Zivilbevölkerung vor einer weiteren Katastrophe zu schützen. Die Luftangriffe müssen als Kriegsverbrechen untersucht werden und der UN-Sicherheitsrat muss die Situation in Myanmar an den Internationalen Strafgerichtshof verweisen. Die Verantwortlichen für diese völkerrechtlichen Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden."

Amnesty International befragte vier Zeug*innen der Angriffe und analysierte 99 Fotos und Videos. Sämtliche Schäden, die an der Schule, der Kirche und den umliegenden Häusern entstanden sind, sind auf die Luftangriffe zurückzuführen. Die Foto- und Videobeweise deuten auf mindestens drei Einschlagkrater hin, die von Flugzeugbomben mit einem Gewicht von jeweils etwa 250 Kilogramm stammen können. Dies wird durch Satellitenbilder bestätigt, die nach dem Angriff aufgenommen wurden und massive Schäden an der Schule und nahe gelegenen Häusern zeigen.

Das Bild zeigt zerstörte Gebäude. Hinter den Gebäuden stehen Bäume. Das Foto wurde tagsüber aufgenommen.

Diese Gebäude wurden am 7. Januar 2024 bei den Luftangriffen auf das Dorf Kanan im Westen Myanmars schwer beschädigt.

Das myanmarische Militär bestreitet die Verantwortung für den Angriff und behauptet, dass am Morgen des 7. Januar keine Flugzeuge im betroffenen Gebiet unterwegs gewesen seien. Amnesty International hat jedoch ein Video ausgewertet, das während des Angriffs aufgenommen wurde. In diesem ist die charakteristische Silhouette eines A-5-Kampfjets zu sehen, der das Dorf überfliegt. Nur das Militär verfügt in Myanmar über diese aus China importierten Jets. 

Weitere von Amnesty International befragte Quellen hatten gehört, dass später am Tag des Angriffs eine Veranstaltung in der Dorfschule stattfinden sollte, die die Mitglieder einer lokalen Volksverteidigungsgruppe (People's Defence Forces, PDF) organisiert hatten. Die PDF ist eine von vielen lokalen bewaffneten Gruppen, die sich seit dem Militärputsch 2021 gebildet haben, um Widerstand gegen die Militärregierung zu leisten. Den übereinstimmenden Zeug*innenaussagen zufolge waren zum Zeitpunkt der Angriffe jedoch keine Kämpfer*innen vor Ort. Alle Getöteten und Verletzten waren Zivilpersonen.

Selbst wenn das Militär davon ausging, dass die Ziele seines Angriffs rechtmäßig waren, hat es mehrere schwere Bomben auf ein Wohngebiet abgeworfen, als sich die Zivilbevölkerung zum Sonntagsgottesdienst versammelt hatte, und es hat erneut zugeschlagen, während die Menschen in Panik flohen. Somit waren die Angriffe mindestens wahllos und sollten als Kriegsverbrechen untersucht werden. 

Die verursachten Schäden und die Angst vor weiteren Angriffen haben die meisten Dorfbewohner*innen zur Flucht gezwungen. Sie haben in nahegelegenen Dörfern, Bauernhöfen und Wäldern Schutz gesucht oder sind weiter über die Grenze nach Indien geflohen. Viele der Vertriebenen sind zum Überleben auf Unterstützung durch Verwandte oder Hilfsstrukturen angewiesen. 

Seit dem Staatsstreich durch das Militär im Februar 2021 hat Amnesty International in mehreren Berichten schwere Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, darunter einen Luftangriff auf ein Lager für Binnenvertriebene im Bundesstaat Kachin im Oktober 2023.

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