Pressemitteilung Aktuell Deutschland 23. September 2024

Deutschland: Geplantes "Sicherheitspaket" untergräbt Menschenrechte

Das Foto zeigt mehre Videoüberwachungskameras.

Videoüberwachung in Berlin

Amnesty International warnt vor einem weiteren Abbau des Rechts auf Asyl sowie massiven Grundrechtseinschränkungen für Millionen Menschen in Deutschland durch das aktuell debattierte "Sicherheitspaket". Zur öffentlichen Anhörung im Innenausschuss des Bundestags an diesem Montag sagt Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland:

"Die Menschenrechte müssen gerade in schwierigen Zeiten wie diesen der Kompass für politisches Handeln sein. Es braucht ein besonnenes Vorgehen statt Grundrechtseinschränkungen im Eiltempo, wie sie durch das sogenannte Sicherheitspaket in seiner aktuellen Fassung drohen.

Eine Vielzahl an neuen Befugnissen für Ermittlungsbehörden würden zum Einfallstor für Racial Profiling, statt dieses seit Jahren bekannte und von der Ampel-Koalition einst als solches benannte Problem zu lösen.

All unsere im Internet veröffentlichten Fotos, Videos oder Tonaufnahmen sollen BKA, Bundespolizei und das Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF) künftig mit Stimm- und Gesichtserkennungstechnologie analysieren dürfen. Das ist ein massiver Eingriff in unser aller Privatsphäre der mit den Menschenrechten unvereinbar und außerdem europarechtswidrig ist: Die neue KI-Verordnung der EU verbietet explizit das sogenannte Scraping von Fotos aus dem Netz. Gerade in Zeiten sich rasant entwickelnder neuer Technologien durch Künstliche Intelligenz muss die Bevölkerung vor Missbrauch und Einschüchterung geschützt werden. So droht eine Massenüberwachung mittels Gesichtserkennung auch zur Einschränkung des Rechts auf Protest zu führen, wenn Menschen sich bei ihrer friedlichen Meinungsäußerung durchleuchtet fühlen.

Das Recht, in Deutschland und Europa Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu suchen, darf durch das 'Sicherheitspaket' nicht weiter geschleift werden. Asylsuchenden, für deren Asylantrag ein anderer EU-Mitgliedstaat zuständig ist, sollen zukünftig nach zwei Wochen alle Sozialleistungen gestrichen werden. Die Bundesregierung darf Asylsuchende nicht einfach aushungern, damit sie sich in einen anderen EU-Staat begeben – das untergräbt die Menschenwürde und ist ganz klar europa- und völkerrechtswidrig.

Die Bundesregierung ist heute mehr denn je in der Pflicht, für ein Europa der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte einzustehen, anstatt sich zu immer neuen Grundrechtseinschränkungen treiben zu lassen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für den Schutz aller Menschen einzusetzen."

Hintergrund

Amnesty International gehört zu den Unterzeichner*innen des offenen Briefs "Haltung zeigen – Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit verteidigen, biometrische Gesichtserkennung stoppen", der am 23. September 2024 veröffentlicht wird. Zur Anhörung im Innenausschuss des Bundestags hat das zivilgesellschaftliche Bündnis "Gesichtserkennung Stoppen", dem Amnesty International angehört, außerdem eine inhaltliche Stellungnahme veröffentlicht.

Eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen haben am 11. September 2024 zur ersten Lesung des Gesetzespakets im Bundestag in einer Erklärung ihre Kritik veröffentlicht.

Bereits am 9. September 2024 hat Amnesty International gemeinsam mit 26 Nichtregierungsorganisationen und Verbänden den Appell "Flüchtlingsschutz ist Teil unserer demokratischen Werte" an die Bundesregierung gerichtet. Dazu hat Campact eine Petition gestartet.

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