Zum Tode verurteilt

Foto von Mohammad Ali Taheri, auf dem er lächelt und ein Jacket trägt und rechts an der Kamera vorbei schaut.

Mohammad Ali Taheri, spiritueller Lehrer aus dem Iran (Archivaufnahme)

Am 27. August hat das Teheraner Revolutionsgericht den gewaltlosen politischen Gefangenen Mohammad Ali Taheri wegen "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" durch die Gründung der spirituellen Gruppierung Erfan-e-Halgheh zum Tode verurteilt. Er wird seit mehr als sechs Jahren in Einzelhaft gehalten.

Appell an

Mohammad Javad Larijani
Esfaniar Boulevard
Niayesh Intersection

Vali Asr Avenue
Tehran, IRAN

Sende eine Kopie an

Stellvertretender Leiter der Abteilung für Menschenrechte des Justizministeriums
Mahmoud Abbasi
Number 1638
Below Vali Asr Square Vali Asr Avenue

Tehran, IRAN
E-Mail: dr.abbasi@sbmu.ac.ir
 

Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67

14195 Berlin
Fax: 030‑30 83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Heben Sie bitte den Schuldspruch und das Todesurteil gegen Mohammad Ali Taheri auf und lassen Sie ihn umgehend und bedingungslos frei, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der nur wegen der friedlichen Wahrnehmung seiner Rechte auf Glaubens-, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit inhaftiert ist.
  • Ich möchte Sie höflich daran erinnern, dass die Todesstrafe laut Völkerrecht nur für "schwerste Verbrechen" verhängt werden darf, zu denen laut internationaler Standards nur solche Verbrechen gehören, bei denen eine vorsätzliche Tötung vorliegt, was nicht auf die Anklagen gegen Mohammad Ali Taheri zutrifft.
  • Leiten Sie bitte eine unabhängige und unparteiische Untersuchung seiner fortgesetzten Einzelhaft ein, da diese gegen das Verbot von Folter und anderer Misshandlung verstößt. Stellen Sie die Verantwortlichen in einem fairen Verfahren ohne Rückgriff auf die Todesstrafe vor Gericht.
  • Ich möchte zudem meine Sorge darüber ausdrücken, dass Mohammad Ali Taheri bereits drei Mal wegen derselben Anklagen vor Gericht steht, dies verstößt gegen das Verbot der Doppelbestrafung.

Sachlage

Der gewaltlose politische Gefangene Mohammad Ali Taheri wurde am 27. August von der Abteilung 26 des Teheraner Revolutionsgerichts der "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. In der Urteilsschrift heißt es, das Urteil sei wegen der Gründung von Erfan-e-Halgheh ergangen und weil er "die Gedanken und den Glauben von zehntausenden muslimischen Bürger_innen im ganzen Land verdorben" habe. Als "Beweise" werden seine Bücher, Schriften und Lehren angegeben. Seinem Rechtsbeistand bleiben 20 Tage Zeit, um Rechtsmittel gegen Urteil und Strafmaß vor dem Obersten Gerichtshof einzulegen. Das Verfahren von Mohammad Ali Taheri fand in zwei gerichtlichen Anhörungen am 6. März und am 10. Juli statt. Vor der ersten Anhörung zeigte das staatliche iranische Fernsehen eine Sendung mit dem Titel "Satans Ring", in der Mohammad Ali Taheri als Leiter einer "perversen Sekte" proträtiert wurde. In der Sendung hieß es, dass seine Lehre Menschen verleitet habe, ihren islamischen Glauben anzuzweifeln. Am Ende der Sendung wurden Personen gezeigt, die sich selbst als "Überlebende" bezeichneten und seine Hinrichtung forderten. Die Sendung wurde während der Anhörung am 10. Juli zusammen mit Videos von Vorträgen, die Mohammad Ali Taheri vor seiner Festnahme im Jahr 2011 in der Gruppierung Erfan-e-Halgheh gehalten hatte, vor Gericht gezeigt.

Es ist das dritte Mal, dass Mohammad Ali Taheri wegen derselben Anklage verurteilt wurde. Zum ersten Mal verurteilte 2011 ein Revolutionsgericht in Teheran ihn wegen "Beleidigung islamischer Heiligkeiten" zu fünf Jahren Haft, fügte jedoch an, dass zur Entscheidung über die Anklage "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" weitere Ermittlungen nötig seien. In den folgenden Jahren wurde er in Trakt 2A des Evin-Gefängnisses in Einzelhaft gehalten. Dort ist er bis heute inhaftiert, mit der Begründung der Behörden, weiter ermitteln zu müssen. 2015 wurde er erneut der "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" angeklagt und zum Tode verurteilt, im Juni 2016 jedoch freigesprochen. Ungeachtet dessen ließ man ihn nicht frei, sondern klagte ihn Ende 2016 erneut der "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" an. Als Grundlage für die Anklage wurden dieselben Aktivitäten herangezogen, die schon 2011 zu seiner Verurteilung geführt hatten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Mohammad Ali Taheri war zum ersten Mal im April 2010 festgenommen und nach zwei Monaten aus der Haft entlassen worden. Im Mai 2011 wurde er erneut festgenommen und der "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" sowie der "Beleidigung islamischer Heiligkeiten" angeklagt, weil er die spirituelle Lehre Erfan-e-Halgheh gegründet hatte. Im Oktober 2011 verurteilte die Abteilung 26 des Revolutionsgerichts in Teheran ihn wegen der Anklage "Beleidigung islamischer Heiligkeiten" zu fünf Jahren Haft, fügte jedoch an, dass zur Entscheidung über die Anklage "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" weitere Ermittlungen nötig seien. Diese Ermittlungen wurden in der Folge von den Behörden als Vorwand benutzt, ihn nicht in einen Trakt mit anderen Häftlingen zu verlegen, sondern weiterhin in Einzelhaft im Trakt 2A zu halten, wo er bis heute inhaftiert ist.

Im September 2014 schlossen die iranischen Revolutionsgarden ihre Untersuchungen im Falle der Anklage "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" ab und erklärten unter anderem, dass Mohammad Ali Taheri die "Verdorbenheit auf Erden" gefördert habe, indem er seine "perverse Sekte" bei 50.000 Iraner_innen beworben habe. Sie behaupteten außerdem, er habe Schritte unternommen, um einen "sanften Umsturz der heiligen Institution der islamischen Republik" voranzutreiben, indem er im großen Stil Zweifel unter den Gläubigen gesät habe. Infolgedessen wurde Mohammad Ali Taheri im März und Juli 2015 vor der Abteilung 26 des Revolutionsgerichts der Prozess gemacht, an dessen Ende er für schuldig befunden und im August 2015 zum Tode verurteilt wurde. Im Dezember 2015 hob das Gericht jedoch das Todesurteil wieder auf, nachdem es zu dem Schluss gekommen war, dass Mohammad Ali Taheris Aktivitäten vor seiner Festnahme 2011 nicht unter den Vorwurf der "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" fielen. Sein Fall ging daraufhin zurück an die Abteilung 26 des Revolutionsgerichts, welche nun entscheiden sollte, ob seine weiteren mutmaßlichen Aktivitäten, unabhängig von seiner spirituellen Lehre, die Anklage unterstützten. Im Juni 2016 entschied diese Abteilung endgültig, Mohammad Ali Taheri vom Vorwurf der "Förderung von Verdorbenheit auf Erden" freizusprechen.

Im Februar 2016 hatte Mohammad Ali Taheri seine fünfjährige Haftstrafe, zu der er 2011 verurteilt worden war, abgeleistet. Dennoch weigerten sich die Behörden, ihn freizulassen, leiteten weitere Verhöre ein und klagten ihn Ende 2016 in derselben Sache erneut an. Im Verfahren im Jahr 2017 wurde er erneut schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt.

Die spirituelle Lehre des Erfan-e-Halgheh, auch "Interuniversalismus" genannt, wurde von Mohammad Ali Taheri gegründet, nachdem er eigenen Angaben zufolge "spirituelle Eingebungen" hatte, die es ihm ermöglichten, Teil eines größeren "kosmischen Bewusstseins" zu werden. Die neue spirituelle Lehre praktizierte er gemeinsam mit seinen Anhänger_innen in "Heilsitzungen", die Berichten zufolge alternative, nicht-medizinische Heilmethoden zum Mittelpunkt hatten. Während seiner Zeit im Gefängnis ist Mohammad Ali Taheri bereits 16 Mal in den Hungerstreik getreten und hat vier Mal versucht, sich das Leben zu nehmen. Grund waren seine lange Einzelhaft, der fehlende Zugang zu seiner Familie und seinem Rechtsbeistand, sowie wiederholte Morddrohungen gegen ihn und seine Familie. Seinen jüngsten Hungerstreik begann er am 28. September 2016. Er dauerte 97 Tage an.

Der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) überwacht, erklärte in seinen Allgemeinen Bemerkungen Nr. 20, dass Einzelhaft über lange Zeiträume einen Verstoß gegen das in Artikel 7 des IPbpR enthaltene Verbot von Folter und anderen Formen der Misshandlung darstellen kann. Der Iran ist Vertragsstaat des IPbpR. Die UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) verbieten Einzelhaft über lange Zeiträume hinweg, d. h. länger als 15 aufeinanderfolgende Tage.

Das Verbot der Doppelbestrafung wurde im Fall von Mohammad Ali Taheri ernsthaft verletzt. Es schützt davor, dass derselbe Sachverhalt erneut zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht wird, wenn ein endgültiges Urteil (Freispruch oder Verurteilung) gefallen ist. Der oder die Betroffene darf für dieselbe Straftat also nicht zum wiederholten Male bestraft werden. Artikel 14(7) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte besagt: "Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden."