Saudi-Arabien: Manahel al-Otaibi in Haft gefoltert

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Das Bild zeigt das Selfie einer jungen Frau im Fitnessstudio

Manahel al-Otaibi wurde am 16. November 2022 in Saudi-Arabien festgenommen, weil sie sich auf Social Media gegen die Unterdrückung von Frauen stark machte (undatiertes Foto).

Nach einem Monat Haft ohne Kontakt zur Außenwelt meldete sich Manahel al-Otaibi am 1. September 2024 bei ihrer Familie und berichtete, dass sie erneut in Einzelhaft gehalten und von Mitgefangenen und Gefängniswärterinnen brutal geschlagen werde. Das berüchtigte Sonderstrafgericht SCC hatte die 30-jährige Fitnesstrainerin und Feministin am 9. Januar 2024 in einem Geheimprozess wegen "terroristischer Straftaten" zu elf Jahren Haft verurteilt. Sie stand wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität unter Anklage, weil sie sich in ihren Tweets für Frauenrechte einsetzte und auf Snapchat Fotos ohne Abaya (ein traditionelles, locker sitzendes, langärmeliges Gewand) von sich im Einkaufszentrum postete. Manahel al-Otaibi fiel zwischen dem 5. November 2023 und dem 14. April 2024 dem Verschwindenlassen durch die saudischen Behörden zum Opfer.

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Dein Appell

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Sehr geehrter Herr Minister,

mit großer Sorge habe ich erfahren, dass Manahel al-Otaibi einen Monat lang in Isolationshaft gehalten und von Mitgefangenen und Gefängniswärterinnen brutal geschlagen wurde. Sie sollte gar nicht in Haft sein, da sie allein wegen ihres friedlichen Engagements für die Rechte von Frauen zu elf Jahren Haft verurteilt wurde.

Daher fordere ich Sie höflich auf zu veranlassen, dass Manahel al-Otaibi umgehend und bedingungslos freigelassen wird, da sie nur aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung verurteilt wurde. 

Bis zu ihrer Freilassung muss ihr unverzüglich Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt werden, und ihre Folter- und Misshandlungsvorwürfe müssen unparteiisch untersucht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Your Excellency,

I am distressed to learn that 30-year-old fitness instructor and women’s rights activist Manahel al-Otaibi is being subjected to torture and other ill-treatment in al-Malaz Prison. After a one-month period of renewed incommunicado detention, Manahel al-Otaibi was able to contact her family and she alleged she had been held in solitary confinement for a full month and subject to beatings by prison guards and fellow prisoners. She also told her family that she was forced to clean toilets, and that although she was released from solitary confinement to contact them, prison authorities had threatened that they would be sending her back. 

On 9 January 2024, the Specialized Criminal Court sentenced Manahel al-Otaibi to eleven years in prison for "terrorist offences" after a secret trial where she was found guilty under articles 43 and 44 of the Kingdom’s Law for Combatting Terrorism and its Financing. Manahel al-Otaibi’s family have not had access to her court documents, or the evidence presented against her.

Manahel al-Otaibi was arrested on 16 November 2022 and charged with violating the Anti-Cyber Crime Law for tweeting hashtags in support of women’s rights and posting photos on Snapchat of herself at the mall wearing "immodest" clothing. Her case was first heard by the Criminal Court in Riyadh on 23 January 2023 who referred her to the Specialized Criminal Court. According to court documents reviewed by Amnesty International, Manahel al-Otaibi was charged with "publishing and spreading content that contains committing public sins and inciting individuals and girls in society to renounce religious principles and social values and to violate public order and public morals on her Twitter account", in violation of the Anti-Cybercrime Law. The charges against her are based on her social media posts which were "opposed to regulations and laws that relate to women", including through calling to #EndMaleGuardianship. 

Saudi authorities forcibly disappeared Manahel al-Otaibi between 5 November 2023 and 14 April 2024. On 14 April 2024, after a period more than five months of enforced disappearance, she called her family to inform them that she was being held in solitary confinement in al-Malaz Prison with a broken leg after being brutally beaten, and without access to medical care.

Her sister Fawzia al-Otaibi told Amnesty International that she believes the only reason Manahel al-Otaibi was finally permitted a phone call was in order to convey a message to her family to stop being publicly outspoken about her imprisonment.

I urge you to order the immediate and unconditional release of Manahel al-Otaibi, as she has been convicted solely for peacefully exercising her right to freedom of expression. Pending her release, she must be granted immediate access to medical care, and her allegations of torture and other ill-treatment must be impartially investigated.

Yours sincerely,

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Bitte abschicken bis: 06.11.2024

Appell an

Waleed Mohammed Al Smani
Minister of Justice
Postal Code 11472, P.O. Box 7775
Riad
SAUDI-ARABIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien
S. E. H. R. H. Prinz Abdullah Bin Khaled
Bin Sultan Al Saud
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-889 251 79
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf zu veranlassen, dass Manahel al-Otaibi umgehend und bedingungslos freigelassen wird, da sie nur aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung verurteilt wurde. 
  • Bis zu ihrer Freilassung muss ihr unverzüglich Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt werden, und ihre Folter- und Misshandlungsvorwürfe müssen unparteiisch untersucht werden.

Sachlage

Die 30-jährige Fitnesstrainerin und Frauenrechtsaktivistin Manahel al-Otaibi ist im al-Malaz-Gefängnis Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Nach einem Monat in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt konnte Manahel al-Otaibi endlich Kontakt zu ihrer Familie aufnehmen. Sie berichtete, einen ganzen Monat lang in Isolationshaft gehalten worden und Schlägen durch Gefängniswärterinnen und Mitgefangene ausgesetzt gewesen zu sein. Sie erzählte ihrer Familie, dass sie gezwungen werde, Toiletten zu putzen, und die Gefängnisbehörden sie zwar aus der Einzelhaft entlassen hätten, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen, doch auch damit gedroht hätten, sie dahin zurückschicken. 

Am 9. Januar 2024 verurteilte das Sonderstrafgericht SCC Manahel al-Otaibi wegen "terroristischer Straftaten" zu elf Jahren Gefängnis, nachdem sie in einem Geheimverfahren gemäß der Paragrafen 43 und 44 des Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus und seiner Finanzierung für schuldig befunden worden war. Die Familie von Manahel al-Otaibi hat keinen Zugang zu ihren Gerichtsunterlagen oder den gegen sie vorgelegten Beweisen. 

Manahel al-Otaibi war am 16. November 2022 festgenommen und wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität angeklagt worden, weil sie Hashtags zur Unterstützung der Frauenrechte getwittert und Fotos von sich selbst in "unanständiger" Kleidung in einem Einkaufszentrum gepostet hatte. Die erste Anhörung in ihrem Fall fand am 23. Januar 2023 vor dem Strafgericht in Riad statt, das den Fall dann an das SCC verwies. Laut den von Amnesty International eingesehenen Gerichtsdokumenten wurde Manahel al-Otaibi angeklagt, auf ihrem Twitter-Account "Inhalte zu veröffentlichen und zu verbreiten, die das Begehen öffentlicher Sünden beinhalten und Einzelpersonen und Mädchen in der Gesellschaft dazu anstiften, religiöse Grundsätze und soziale Werte zu verleugnen und gegen die öffentliche Ordnung und die öffentliche Moral zu verstoßen". Diese Anklagepunkte stellen einen Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität dar. Die Anschuldigungen gegen sie beruhen auf ihren Posts in den Sozialen Medien, die sich "gegen Vorschriften und Gesetze, die Frauen betreffen" richteten, unter anderem durch den Hashtag #EndMaleGuardianship. 

Zwischen dem 5. November 2023 und dem 14. April 2024 war Manahel al-Otaibi "verschwunden". Dann konnte sie ihre Familie kontaktieren und ihr mitteilen, dass sie mit einem gebrochenen Bein in Isolationshaft im al-Malaz-Gefängnis festgehalten wird. Sie sei brutal geschlagen worden und habe keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. 

Ihre Schwester Fawzia al-Otaibi sagte gegenüber Amnesty International, dass sie glaubt, dass der einzige Grund, warum Manahel al-Otaibi schließlich ein Telefonat erlaubt wurde, der war, ihrer Familie die Botschaft zu übermitteln, sich nicht mehr öffentlich über ihre Inhaftierung zu äußern.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der Fall von Manahel al-Otaibi wurde zunächst vor dem Strafgericht in Riad verhandelt. Am 23. Januar 2023 entschied der Strafgerichtshof, dass er für diesen Fall nicht zuständig sei, und verwies den Fall an das Sonderstrafgericht in der Hauptstadt Riad. Das SCC ist dafür bekannt, vage Bestimmungen aus den Gesetzen zur Bekämpfung von Internetkriminalität und Terrorismus anzuwenden, in denen friedliche Äußerungen mit "Terrorismus" gleichgesetzt werden. Amnesty International hat dokumentiert, dass alle Phasen eines Gerichtsverfahrens vor dem SCC durch Menschenrechtsverletzungen gekennzeichnet sind. Seit 2018 haben die saudischen Behörden immer wieder willkürlich Frauenrechtsaktivistinnen inhaftiert, die sich für die Abschaffung des männlichen Vormundschaftssystems und das Recht auf Autofahren einsetzen. Die inhaftierten Feministinnen sollen während der Verhöre sexuell belästigt, gefoltert und in anderer Weise misshandelt worden sein. Gegen die freigelassenen Personen wurde ein Reiseverbot verhängt, und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ist eingeschränkt.

Die beiden Schwestern von Manahel al-Otaibi wurden ebenfalls wegen ihres Einsatzes für die Rechte von Frauen angeklagt. In dem Verfahren gegen Manahel al-Otaibi, das die Staatsanwaltschaft vor dem Strafgerichtshof in Riad eingeleitet hatte, beschuldigt sie auch ihre Schwester Fawzia, "eine Propagandakampagne zu führen, die saudische Mädchen dazu anstiftet, religiöse Grundsätze zu verleugnen und gegen die Sitten und Gebräuche der saudischen Kultur zu rebellieren" und einen Hashtag zu verwenden, "der für die Befreiung und den Fall der männlichen Vormundschaft wirbt". In dem von Amnesty International eingesehenen Gerichtsdokument heißt es, dass für Fawzia al-Obaidi ein gesonderter Haftbefehl ergehen würde. Ihre andere Schwester Mariam, eine prominente Kämpferin gegen die männliche Vormundschaft im Königreich, wurde wegen ihres Engagements für Frauenrechte bereits früher angeklagt und inhaftiert und unterliegt derzeit einem Reiseverbot.

In einem ähnlichen Fall wie dem von Manahel al-Otaibi verurteilte das SCC am 25. Januar 2023 Salma al-Shehab, eine Doktorandin der Universität Leeds und Mutter von zwei Kindern, im Rechtsmittelverfahren erneut zu 27 Jahren Haft, gefolgt von einem 27-jährigen Reiseverbot. Das SCC sprach Salma al-Shehab in einem grob unfairen Gerichtsverfahren wegen terrorismusbezogener Vorwürfe schuldig, weil sie auf Twitter Beiträge zur Unterstützung von Frauenrechten veröffentlicht hatte.

Fast alle Menschenrechtsverteidiger*innen, Frauenrechtler*innen, unabhängige Journalist*innen, Schriftsteller*innen und Aktivist*innen im Land waren schon einmal oder sind willkürlich inhaftiert, haben langwierige und unfaire Gerichtsverfahren – meist vor dem SCC – durchlaufen oder sind unter Bedingungen freigelassen worden, die Reiseverbote und andere willkürliche Einschränkungen ihrer Grundrechte, wie z. B. des Rechts auf friedlichen Aktivismus, beinhalteten.

Bis Januar 2024 hat Amnesty International die Fälle von 69 Personen dokumentiert, die wegen der Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung strafrechtlich verfolgt wurden, darunter Menschenrechtsverteidiger*innen, friedliche politische Aktivist*innen, Journalist*innen, Dichter*innen und Geistliche. Unter ihnen waren 32 Personen, die wegen ihrer friedlichen Meinungsäußerung in den Sozialen Medien strafrechtlich verfolgt wurden. Amnesty International ist bewusst, dass die tatsächliche Zahl derartiger Strafverfolgungen vermutlich wesentlich höher ist.