Pakistan: Große Sorge um Gesundheit

Diese Urgent Action ist beendet.

Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar wurden am 3. Juni 2021 nach sieben Jahren im Todestrakt endlich freigesprochen. Sie hätten niemals angeklagt und zum Tode verurteilt werden dürfen. Ihr Fall ist ein Beweis dafür, welche Gefahr die drakonischen Blasphemiegesetze des Landes bedeuten können. Die Behörden müssen Shafqat Emmanuel, Shagufta Kausar, ihrer Familie und ihrem Anwalt Saiful Malook sofort angemessenen Schutz gewähren.

Portätfotos von Shagufta Kausar und Shafqat Emmanuel + Schrift "Hinrichtung verhindern!"

Shafqat Emmanuel, der sich gemeinsam mit seiner Ehefrau Shagufta Kausar im Todestrakt befindet, leidet zunehmend unter gesundheitlichen Beschwerden. Sein Unterkörper ist gelähmt und er kann sich nicht ohne Hilfe bewegen. Er hat mehrere Wundliegegeschwüre, die laut Angaben seines Rechtsbeistands nicht angemessen behandelt werden und ihm von Tag zu Tag stärkere Schmerzen bereiten. Laut seiner Familie lag er im März drei Tage lang im Koma, ohne dass man ihn ins Krankenhaus verlegte. Das christliche Paar ist seit 2013 inhaftiert und wurde im April 2014 zum Tode verurteilt, weil es "blasphemische" Textnachrichten an einen muslimischen Kleriker geschickt haben soll. Shagufta Kausar und Shafqat Emmanuel streiten die Vorwürfe ab.

Appell an

Mirza Shahid Saleem Baig

Inspectorate General of Prisons

Punjab


Link Jail Road, Shadman

Lahore

PAKISTAN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Islamischen Republik Pakistan

S. E. Herrn Mohammad Faisal

Schaperstr. 29


10719 Berlin

Fax: 030-2124 4210

E-Mail: mail@pakemb.de

Amnesty fordert:

  • Gewähren Sie Shafqat Emmanuel umgehend regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung.
  • Lassen Sie Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar umgehend und bedingungslos frei, und stellen Sie nach ihrer Freilassung angemessenen Schutz für das Ehepaar und ihren Rechtsbeistand zur Verfügung.

Sachlage

Shafqat Emmanuel, der sich im Zentralgefängnis Faisalabad I im Todestrakt befindet, leidet unter starken gesundheitlichen Beschwerden. Sein gesamter Unterkörper ist gelähmt und er ist daher auf die Hilfe des Gefängnispersonals angewiesen, wenn er sein Bett verlassen und zur Toilette gehen möchte. Ein medizinisches Gutachten aus dem Jahr 2014 stuft ihn als querschnittsgelähmt ein und dokumentiert schwere Wundliegegeschwüre. Laut seinen Rechtsbeiständen sind die Verletzungen von Shafqat Emmanuel nie angemessen medizinisch behandelt worden. Einige dieser Verletzungen gehen auf eine Schusswunde zurück, die nichts mit den Ereignissen zu tun hat, die zu seiner Inhaftierung und Verurteilung führten. Die Gefängnisbehörden müssen eine angemessene Gesundheitsversorgung sicherstellen, ob innerhalb oder außerhalb des Gefängnisses.

Shafqat Emmanuel und seine Ehefrau Shagufta Kausar wurden 2014 zum Tode verurteilt, weil sie "blasphemische" Textnachrichten an einen muslimischen Kleriker geschickt haben sollen. Das Ehepaar hätte niemals verurteilt werden dürfen, da die Blasphemiegesetze Pakistans nicht den internationalen Menschenrechtsnormen und -standards entsprechen. Es fehlt ihnen an wesentlichen Schutzmechanismen, die das Risiko einer missbräuchlichen Anwendung minimieren würden. Sie stehen sinnbildlich für die Gefahren, denen die religiösen Minderheiten des Landes ausgesetzt sind.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften der verurteilten Person, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das Recht auf das Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit ist in internationalen Menschenrechtsnormen und -standards festgeschrieben. Dazu gehört u. a. präventive, medizinische und palliative Gesundheitsversorgung. Pakistan hat den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Jahr 2008 ratifiziert. In Artikel 12 heißt es: "Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit an." Dieses Recht ist zu achten, zu schützen und zu gewährleisten und gilt auch für inhaftierte Personen.

Zusätzlich zu den gesundheitlichen Beschwerden besteht Sorge über das gegen Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar verhängte Todesurteil. Die pakistanischen Blasphemiegesetze sind vage formuliert und es drohen harte Strafen. Angeklagte können auf der Grundlage von Indizien oder Anschuldigungen zum Tode verurteilt werden, die der Beweisanforderung des "zweifelsfreien" Nachweises nicht gerecht werden. Die Blasphemiegesetze verstoßen gegen Pakistans Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte und leisten darüber hinaus anderen Menschenrechtsverstößen Vorschub, darunter Drohungen und Tötungen. Beispielsweise werden Richter_innen unter Druck gesetzt, Angeklagte zu verurteilen – andernfalls könnten sie das nächste Ziel werden. Es kam bereits vor, dass Rechtsbeistände im Gerichtssaal getötet wurden. Auch mussten Zeug_innen und Angehörige von Personen, denen "Blasphemie" vorgeworfen wurde, untertauchen.

Für die meisten dieser Gesetze gilt, dass im Falle einer entsprechenden Anschuldigung die Polizei die Befugnis hat, mutmaßliche Täter_innen ohne Haftbefehl festzunehmen. Außerdem dürfen auch ohne richterliche Anweisung Ermittlungen eingeleitet werden. Häufig beugen sich die Polizeibehörden dem öffentlichen Druck wütender Menschenmassen, einschließlich religiöser Kleriker und ihrer Anhänger_innen, und geben die Fälle an die Staatsanwaltschaft weiter, ohne die Anschuldigungen überhaupt geprüft zu haben. Ist die Anklage erst erhoben, kann den Betroffenen die Freilassung gegen Kaution verweigert werden und sie müssen mit langwierigen und unfairen Prozessen rechnen. Häufig wird den Betroffenen Gewalt angedroht, weil sich bestimmte Gruppen oder Einzelpersonen berechtigt fühlen, Selbstjustiz zu üben und die Beschuldigten und/oder andere ihnen nahestehende Personen, z.B. Rechtsbeistände, Familienangehörige, Gemeindemitglieder, zu bedrohen oder zu töten.

Auch bei denjenigen, die im pakistanischen Strafrechtssystem arbeiten, ist Angst weit verbreitet. Diese hindert Rechtsbeistände, Polizist_innen, Staatsanwält_innen und Richter_innen daran, ihrer Arbeit effektiv und unparteiisch nachzugehen. Im Prozess von Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar zeichnet sich ein besorgniserregendes Muster von Verzögerungstaktiken ab. Bei ihren letzten beiden Anhörungen im Rechtsmittelverfahren – angesetzt für den 15. und 24. Februar – haben sich die Richter mit der Begründung entschuldigt, dass ihr Arbeitstag zu Ende sei. Amnesty International hat dokumentiert, dass auch in mehreren anderen "Blasphemie"-Fällen das Vertagen von Terminen übliche Praxis ist. Richter_innen scheinen sie anzuwenden, da sie keine Urteile fällen wollen, die die Angeklagten entlasten. Im pakistanischen Strafrechtssystem kann es viele Jahre dauern, bis Prozesse gegen Personen abgeschlossen sind, denen schwere Straftaten vorgeworfen werden – wozu auch "Blasphemie" gehört.

In einem 2016 veröffentlichten Bericht zeigte Amnesty International, wie die Blasphemiegesetze im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen Pakistans stehen, Menschenrechte wie die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu schützen. Außerdem machte der Bericht deutlich, wie mithilfe dieser Gesetze einige der am meisten gefährdeten Menschen der pakistanischen Gesellschaft ins Visier genommen werden, darunter Angehörige religiöser Minderheiten. Laut einer Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs Pakistans "basieren die meisten Blasphemiefälle auf falschen Anschuldigungen" und werden aus niederen Beweggründen zur Anzeige gebracht. Solche Beweggründe werden von den Behörden nur selten untersucht. Bei ihnen handelt es sich wahlweise um berufliche Rivalitäten, persönliche Auseinandersetzungen, religiöse Streitigkeiten oder die Hoffnung auf wirtschaftliche Vorteile.