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Christliches Paar wegen "Blasphemie" im Todestrakt
Diese Urgent Action ist beendet.
Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar wurden am 3. Juni 2021 nach sieben Jahren im Todestrakt endlich freigesprochen. Sie hätten niemals angeklagt und zum Tode verurteilt werden dürfen. Ihr Fall ist ein Beweis dafür, welche Gefahr die drakonischen Blasphemiegesetze des Landes bedeuten können. Die Behörden müssen Shafqat Emmanuel, Shagufta Kausar, ihrer Familie und ihrem Anwalt Saiful Malook sofort angemessenen Schutz gewähren.
© Amnesty International / Foto: private
Shagufta Kausar und Shafqat Emmanuel droht die Hinrichtung. Sie sollen "blasphemische" Textnachrichten an einen muslimischen Kleriker geschickt haben. Das Paar ist seit 2013 inhaftiert und wurde im April 2014 zum Tode verurteilt. Die Anhörung zu den von ihnen eingelegten Rechtsmitteln war auf April 2020 angesetzt – sechs Jahre nach ihrer Verurteilung. Sie wurde aufgrund der Corona-Pandemie verschoben. Im Februar 2021 fanden schließlich zwei Anhörungen statt – doch die Richter verließen den Gerichtssaal noch vor der eigentlichen Verhandlung mit der Begründung, ihre Arbeitszeit sei für diesen Tag beendet.
Appell an
Chief Minister Punjab Usman Buzdar
Chief Minister’s Office
7 Club Road
GOR 1
Lahore
PAKISTAN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Pakistan
S.E. Herr Mohammad Faisal
Schaperstr. 29
10719 Berlin
Fax: 030-2124 4210
E-Mail: mail@pakemb.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar umgehend und bedingungslos freigelassen werden und dass für sie und ihre Rechtsbeistände nach ihrer Freilassung angemessene Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung stehen.
- Ich vertrete die Auffassung, dass die pakistanischen Blasphemiegesetze für Angehörige religiöser Minderheiten lebensgefährlich sind, sie müssen deshalb aufgehoben werden.
Sachlage
Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar sind ein christliches Paar, das 2014 wegen "Blasphemie" zum Tode verurteilt wurde. Sie sollen "blasphemische" Textnachrichten an einen muslimischen Kleriker geschickt haben. Die SIM-Karte des Telefons, von dem die Nachrichten verschickt worden waren, sei auf Shagufta Kausars Namen registriert gewesen. Das Paar bestreitet sämtliche Vorwürfe und geht davon aus, dass deren Personalausweis absichtlich und missbräuchlich für eine solche Registrierung verwendet wurde. Obwohl sie nie hätten inhaftiert werden dürfen, sind die beiden seit fast acht Jahren im Gefängnis und warten auf ihre Berufungsverhandlung vor dem Obersten Gerichtshof von Lahore.
Pakistans Blasphemiegesetze verletzen sowohl in ihrem Inhalt als auch in ihrer Anwendung die Menschenrechtsverpflichtungen des Landes. Dazu gehört, die Rechte auf Leben, auf Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Glaubensfreiheit sowie auf freie Meinungsäußerung zu achten und zu schützen. Außerdem muss die Gleichheit vor dem Gesetz gewährleistet sein und das Diskriminierungsverbot eingehalten werden. Die Gesetze entsprechen nicht den Menschenrechtsnormen und -standards und es fehlen wesentliche Schutzmechanismen, die das Risiko einer missbräuchlichen Anwendung minimieren würden. Sie stehen sinnbildlich für die Gefahren, denen die religiösen Minderheiten des Landes ausgesetzt sind.
Die "Besudelung des Namens des Propheten Mohammed" ist laut Paragraf 295-C des pakistanischen Strafgesetzbuchs mit der Todesstrafe zu ahnden. Das Bundes-Schariagericht, das unter anderem die Aufgabe hat, Gesetze auf ihre Konformität mit der islamischen Lehre zu überprüfen, befand 1991, dass Blasphemie mit dem Tode und nicht mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu bestrafen sei. Im Januar 2014 bestätigte es diese Entscheidung. Der UN-Menschenrechtsausschuss erklärte, dass die automatische und obligatorische Verhängung der Todesstrafe eine willkürliche Entziehung des Lebens darstellt, die gegen Artikel 6(1) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verstößt.
Hintergrundinformation
Im Prozess von Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar zeichnet sich ein besorgniserregendes Muster von Verzögerungstaktiken ab. Bei ihren letzten beiden Anhörungen – eine war für den 15. Februar angesetzt, die zweite für den 24. Februar – haben sich die Richter mit der Begründung entschuldigt, dass ihre Arbeitszeit bereits zu Ende sei. Amnesty International hat dokumentiert, dass auch in mehreren anderen "Blasphemie"-Fällen das Vertagen von Terminen übliche Praxis ist. Richter_innen scheinen sie anzuwenden, da sie keine Urteile fällen wollen, die die Angeklagten entlasten. Im pakistanischen Strafrechtssystem kann es viele Jahre dauern, bis Prozesse gegen Personen abgeschlossen sind, denen schwere Straftaten vorgeworfen werden – wozu auch "Blasphemie" gehört.
Die pakistanischen Blasphemiegesetze sind vage formuliert und es drohen harte Strafen. Auf Grundlage von Beweisen, die dem Glaubwürdigkeitsanspruch "über jeden vernünftigen Zweifel erhaben" nicht erfüllen, droht den Angeklagten die Todesstrafe. Die Blasphemiegesetze verletzen Pakistans Verpflichtungen zur Achtung der Menschenrechte und dienen außerdem zur Einschüchterung. Sie bilden die Grundlage für Todesdrohungen und Tötungen; beispielsweise werden Richter_innen unter Druck gesetzt, damit sie Angeklagte verurteilen – andernfalls könnten sie das nächste Ziel werden. Es kam bereits vor, dass Rechtsbeistände im Gerichtssaal getötet wurden. Außerdem mussten auch Zeug_innen und Angehörige von Personen, denen "Blasphemie" vorgeworfen wurde, untertauchen.
Für den Großteil dieser Gesetze gilt, dass im Falle einer entsprechenden Anschuldigung die Polizei die Befugnis hat, mutmaßliche Täter_innen ohne Haftbefehl festzunehmen. Außerdem dürfen auch ohne richterliche Anweisung Ermittlungen eingeleitet werden. Häufig beugen sich die Polizeibehörden dem öffentlichen Druck wütender Menschenmassen, einschließlich religiöser Kleriker und ihrer Anhänger_innen, und geben die Fälle an die Staatsanwaltschaft weiter, ohne die vorliegenden "Beweise" überhaupt geprüft zu haben. Ist die Anklage erst erhoben, kann den Betroffenen die Freilassung gegen Kaution verweigert werden. Stattdessen müssen sie in der Regel mit langwierigen und unfairen Prozessen rechnen.
Amnesty International wendet sich in allen Fällen weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderer Eigenschaften des Verurteilten oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.
Diejenigen, denen Blasphemie vorgeworfen wird, werden oftmals zur Zielscheibe von Gewalttaten. In der Vergangenheit hat es häufig Fälle gegeben, in denen Personen, die wegen Blasphemievorwürfen inhaftiert waren, im Gefängnis von Mitinsass_innen oder Beamt_innen getötet wurden. Auch Personen, die nicht inhaftiert waren und der Blasphemie beschuldigt wurden, sind wiederholt von Gruppen, die sich der Selbstjustiz verschrieben haben, getötet worden. Das Risiko, bedroht und getötet zu werden, tragen auch andere Personen, die mit den Beschuldigten in Verbindung stehen, einschließlich ihrer Rechtsbeistände, Familienmitglieder und Angehörige ihrer Gemeinschaft.
Auch bei denjenigen, die im pakistanischen Strafrechtssystem arbeiten, ist Angst weit verbreitet. Diese hindert Rechtsbeistände, Polizist_innen, Staatsanwält_innen und Richter_innen daran, ihrer Arbeit effektiv und unparteiisch nachzugehen.
In einem 2016 veröffentlichten Bericht zeigte Amnesty International, wie die Blasphemiegesetze im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen Pakistans stehen, Menschenrechte wie die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu schützen. Außerdem machte der Bericht deutlich, wie mit Hilfe dieser Gesetze einige der am meisten gefährdeten Menschen der pakistanischen Gesellschaft ins Visier genommen werden, darunter Angehörige religiöser Minderheiten. Der Oberste Gerichtshof Pakistans hat eingeräumt, dass "die meisten Blasphemie-Fälle auf falschen Anschuldigungen beruhen" und von niedrigen Beweggründen getrieben sind. Amnesty International hat festgestellt, dass solche Motive von den Behörden selten untersucht werden. Sie reichen von Konkurrenzdenken im Beruf über persönliche oder religiöse Streitigkeiten bis hin zum Streben nach wirtschaftlichem Gewinn.