Medizinische Hilfe verweigert

Evin-Gefängnis Teheran

Evin-Gefängnis Teheran

Der inhaftierte iranische Lehrer und Gewerkschafter Mohammad Habibi befindet sich in schlechter gesundheitlicher Verfassung. Doch ihm wird die fachärztliche Hilfe verweigert, die er dringend benötigt. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener und sitzt derzeit eine Haftstrafe von zehneinhalb Jahren ab, obwohl er lediglich seine Menschenrechte wahrgenommen hat. Mohammad Habibi muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Appell an

Head of the Judiciary

Ayatollah Sadeghi Larijani

c/o Public Relations Office

Number 4, Dead end of 1 Azizi

Above Pasteur Intersection

Vali Asr Street, Tehran, IRAN

Sende eine Kopie an

Beauftragter für Menschenrechte

Deputy for Human Rights and International Affairs, Ministry of Justice

Mahmoud Abbasi         

Number 1638

Below Vali Asr Square Vali Asr Avenue Tehran, IRAN

E-Mail: dr.abbasi@sbmu.ac.ir

Botschaft der Islamischen Republik Iran

S. E. Herrn Ali Majedi


Podbielskiallee 65-67

14195 Berlin

Fax: 030 84 353 133

E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Bitte lassen Sie Mohammad Habibi sofort und bedingungslos frei, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er seine Menschenrechte wahrgenommen und sich für diese im Rahmen seiner Gewerkschaftsarbeit eingesetzt hat.
  • Stellen Sie sicher, dass Mohammad Habibi umgehend die fachärztliche Behandlung erhält, die er dringend benötigt. Sorgen Sie dafür, dass dies in einer medizinischen Einrichtung außerhalb des Gefängnisses und in Übereinstimmung mit der Medizinethik und internationalen Standards geschieht. Dies beinhaltet auch die Prinzipien der Vertraulichkeit, Selbstbestimmung und informierten Zustimmung.
  • Prüfen Sie die Folter- und Misshandlungsvorwürfe von Mohammad Habibi, die sich auf seine Inhaftierung und seine Festnahme im März und im Mai dieses Jahres beziehen. Stellen Sie sicher, dass die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.

Sachlage

Dem Gewerkschafter und Schweißerei-Ausbilder Mohammad Habibi, Vorstandsmitglied der iranischen Lehrkräfte-Gewerkschaft (Iran Teachers Trade Association – Tehran), wird die dringend benötigte fachärztliche Hilfe verweigert. Im August 2018 wurde der Menschenrechtsverteidiger, welcher derzeit in Teherans Evin-Gefängnis inhaftiert ist, kurzzeitig in ein Krankenhaus in Tehran verlegt. Eine dort praktizierende Allgemeinärztin empfahl, dass seine Nieren dringend von einem Facharzt untersucht werden müssten. Ungeachtet dessen wurde Mohammad Habibi zurück ins Gefängnis gebracht, ohne die fachmedizinische Hilfe empfangen zu haben, die er benötigt. Neben dem Nierenproblem gab Mohammad Habibi außerdem an, dass er seit seiner gewaltsamen Festnahme im Mai 2018 starke Schmerzen in der Brust und der Lunge verspüre. Doch das Gefängniskrankenhaus händigte ihm lediglich einen Inhalator aus.

Am 3. März wurde Mohammad Habibi erstmalig vor der Teheraner Schule festgenommen, an der er unterrichtete – vor den Augen seiner Schüler_innen. Später berichtete er, dass die Revolutionsgarden ihn während der Festnahme mit Pfefferspray besprühten und auf ihn einschlugen. Anschließend brachten sie ihn an einen unbekannten Ort, an dem er bis etwa 19. März in Isolationshaft gehalten wurde. Während diesem Zeitraum wurde Mohammad Habibi mit verbundenen Augen sowie unter Folter und anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen wiederholt vernommen. Unter anderem schlugen ihm die Vernehmungsbeamt_innen ins Gesicht, rasierten ihm den Kopf und beleidigten und bedrohten ihn und seine Familienangehörigen. Dann wurde er ins Evin-Gefängnis verlegt und am 15. April gegen Kaution freigelassen. Am 10. Mai wurde er während einer friedlichen Versammlung von Lehrkräften in Tehran erneut gewaltsam festgenommen. Die Lehrkräfte hatten sich versammelt, um für eine bessere Bezahlung und gegen die mangelnden Mittel für öffentliche Bildung einzutreten. Am 23. Juli wurde ihm vor dem Revolutionsgericht in Tehran der Prozess gemacht, der bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprach. Die Gerichtsverhandlung dauerte lediglich zwei Stunden und berücksichtigte in keinster Weise die Spuren seiner körperlichen Misshandlung. Außerdem wurde ihm ein Treffen mit seinem Rechtsbeistand bis zehn Minuten vor der Gerichtsverhandlung verweigert. Im August wurde er schließlich in verschiedenen falschen Anklagepunkten im Zusammenhang mit der Staatssicherheit für schuldig befunden. Die Anklagen stammen jedoch ausschließlich von Mohammad Habibis Menschenrechts-Aktivitäten als Gewerkschafter. Er wurde zu zehneinhalb Jahren Haft, 74 Peitschenhieben, einem zweijährigen Reiseverbot und einer zweijährigen Sperre für die "Mitgliedschaft in politischen und sozialen Parteien, Gruppen oder Kollektiven" verurteilt. Er hat Rechtsmittel gegen seinen Urteilsspruch und sein Strafmaß eingelegt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Das Strafmaß von zehneinhalb Jahren besteht im Einzelnen aus siebeneinhalb Jahren Gefängnis für "Versammlungen und Absprachen, um Verbrechen gegen die nationale Sicherheit zu begehen", 18 Monate für "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und weitere 18 Monate für "Störung der öffentlichen Ordnung".

Am 3. März wurde Mohammad Habibi erstmalig vor den Augen seiner Schüler und außerhalb der Schule in Teheran, an der er unterrichtete, festgenommen. Mohammad Habibi berichtete, dass er während seiner Festnahme am 3. März von den Angehörigen der Revolutionsgarde mit Pfefferspray besprüht und geschlagen wurde. Die Beamten wiesen sich dabei nicht aus und zwangen ihn, in ein nicht gekennzeichnetes Fahrzeug zu steigen. Aus Angst, verschleppt zu werden, schrie er um Hilfe. Er wurde dann zu seiner Wohnung gefahren, wo sich an der Festnahme Beteiligten zwar als Angehörige des Sicherheitsdienstes auswiesen, jedoch nicht weiter ins Detail gingen. Als Mohammad Habibis Frau eintraf, zeigten ihr die Angehörigen der Revolutionsgarde zwar für einen Moment den sogenannten "Haftbefehl", erlaubten ihr jedoch nicht, ihn zu lesen. Das Dokument soll das Symbol der Geheimdienstabteilung der Revolutionsgarde getragen haben. Anschließend wurde Mohammad Habibi in eine unbekannte, von der Revolutionsgarde geführte Untersuchungshaftanstalt gebracht. Dort blieb er bis zum 19. März in Einzelhaft. Während dieser Zeit wurde ihm der Kontakt zu seinem Rechtsbeistand verweigert und er durfte nur zweimal telefonisch mit seinen Familienangehörigen in Verbindung treten. Später verlegten sie ihn in das Evin-Gefängnis und entließen ihn am 15. April gegen eine Kaution von 2,5 Milliarden Rials (ca. 50.000 EUR).

Am 10. Mai, während er auf Kaution frei war, nahm Mohammad Habibi an einer friedlichen Veranstaltung von Lehrkräften in Tehran teil. Die Lehrkräfte hatten sich versammelt, um sowohl für eine bessere Bezahlung als auch eine höhere Rente sowie gegen die mangelnden Mittel für öffentliche Bildung einzutreten. Die Lehrkräfte hatten sich versammelt, um sich für eine bessere Wirtschaftslage von Lehrer_innen - Aktiven wie auch Lehrkräfte im Ruhestand- und gegen die mangelnden Mittel für öffentliche Bildung auszusprechen. Diese und weitere Versammlungen fanden anlässlich der "Lehrer-Woche" in zahlreichen Städten im Iran statt. Die veranstaltungsreiche "Lehrer-Woche" schließt sich dem "Lehrer-Tag" am 12. Ordibehesht des iranischen Kalenders (in diesem Jahr der 2. Mai) an. Ein Augenzeuge berichtete Amnesty International, dass Sicherheitskräfte in Zivil auf die in Tehran versammelten Lehrer Lehrkräfte –- Männer als auch Frauen – - einschlugen. Der Augenzeuge berichtete weiter, dass Mohammad Habibi Ziel eines Sicherheitsbeamten in Zivil zu sein schien, welcher wiederholt auf Mohammad Habibis Brustbereich eintrat und ihn anschließend bei den Armen packte und gewaltsam wegzog. Dabei zerrte er ihn über Beton, was Abschürfungen verursachte und seine Rippen verletzte. Mohammad Habibi wurde festgenommen und in die dieselbe geheime Untersuchungshaftanstalt gebracht, in der er bereits im März und April festgehalten worden war. Dort wurde er für einige Tage in Einzelhaft gehalten, während seine Familienangehörigen über seinen Verbleib und sein Wohlergehen im Unklaren blieben. Später wurde er ins Fashafouyeh-Gefängnis im Süden Teherans verlegt. Während der Haft wurde er kurzzeitig in das Büro des Staatsanwalts im Evin-Gefängnis gebracht, wo er offiziell über die Anklagepunkte gegen ihn aufgeklärt wurde. Sein Rechtsbeistand berichtete, Mohammad Habibi sei barfuß, in zerrissener Kleidung und mit sichtbaren Schnittwunden, Blutergüssen und anderen Verletzungen vor den Behörden der Staatsanwaltschaft erschienen. Die Behördenvertreter_innen äußerten jedoch keinerlei Fragen oder Besorgnis über den bedenklichen Zustand des Gefangenen und leiteten keine Untersuchung diesbezüglich ein. Mohammad Habibi wurde keine medizinische Versorgung seiner Verletzungen, welche er während seiner gewaltsamen Festnahme und Inhaftierung erlitten hat, gewährt. Erst im August als er kurz in das Imam-Khomeini-Krankenhaus verlegt wurde, wurde er behandelt. Am 3. September wurde ins Evin-Gefängnis verlegt.

Die iranischen Behörden haben zahlreiche Mitglieder der Lehrkräfte-Gewerkschafter jahrelang belästigt und ihnen nach unfairen Gerichtsverfahren willkürliche Inhaftierungen und lange Strafmaße auferlegt. Neben Mohammad Habibi befinden sich weitere iranische Lehrer_innen in Haft. Unter ihnen die beiden Menschenrechtsverteidiger Esmail Abdi und Mahmoud Beheshti Langroodi. Beide sind gewaltlose politische Gefangene, die einzig aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind. Mindestens sechs weitere Lehrer_innen wurden im September zu neun Monaten Gefängnisstrafe auf Bewährung und einer Körperstrafe von 74 Stockhieben verurteilt, weil sie friedlich an den Versammlungen der Lehrkräfte am 10. Mai teilnahmen.

Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und der Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, beide vom Iran ratifiziert, verpflichten die iranischen Behörden dazu, die Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit zu respektieren. Dazu gehört unter anderem das Recht, Gewerkschaften zu gründen und ihnen nach Belieben als Mitglied beizutreten. Gewerkschafter stehen außerdem unter dem Schirm der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern von 1998. Diese Erklärung hebt die Verpflichtung der Nationen hervor, das Recht auf Verteidigung der Menschenrechte zu respektieren, was das Recht auf Gewerkschaften und den Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen beinhaltet.