Kurde von Hinrichtung bedroht

Szene aus einem Amnesty-Video gegen die Todesstrafe
© private
Der iranisch-kurdische Gefangene Ramin Hossein Panahi protestiert seit dem 27. Januar mit einem Hungerstreik gegen sein Todesurteil. Dieses wurde nach einem Gerichtsverfahren gefällt, das bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprach. Davor war der Oppositionelle vier Monate "verschwunden". Als Vergeltungsmaßnahme für den Hungerstreik wurde er in Einzelhaft verlegt. Sowohl der Schuldspruch als auch das Strafmaß verstoßen gegen das Völkerrecht und müssen aufgehoben werden.
Appell an
Deputy for Human Rights & Internat. Affairs
Ministry of Justice
Mahmoud Abbasi
No. 1638, Below Vali Asr Sq.
Vali Asr Avenue, Tehran, IRAN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-83222 9133
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Heben Sie bitte den Schuldspruch und das Todesurteil gegen Ramin Hossein Panahi auf. Lassen Sie ihn umgehend frei, sofern keine ausreichenden Beweise vorliegen, die nicht unter Folter oder anderen Misshandlungen erlangt wurden und die eine Anklage wegen einer international als Straftat anerkannten Handlung rechtfertigten. In diesem Fall ordnen Sie bitte eine Neuverhandlung an, die den internationalen Standards für faire Verfahren in vollem Umfang entspricht und in der nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.
- Bitte verweigern Sie Ramin Hossein Panahi nicht länger als Strafmaßnahme eine angemessene medizinische Versorgung und gewährleisten Sie, dass er unverzüglich Zugang zu medizinischer Versorgung außerhalb des Gefängnisses erhält.
- Leiten Sie umgehend eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Folter- und Misshandlungsvorwürfe ein, hierzu zählt auch die lange Einzelhaft. Stellen Sie die Verantwortlichen – auch die in höheren Positionen – in einem fairen Verfahren ohne Rückgriff auf die Todesstrafe vor Gericht.
Sachlage
Ramin Hossein Panahi gehört der kurdischen Minderheit im Iran an. Nachdem er erfahren hatte, dass er in Verbindung mit seiner Zugehörigkeit zur bewaffneten kurdischen Oppositionsgruppe Komala zum Tode verurteilt worden war, begann er am 27. Januar einen Hungerstreik. Am 31. Januar bot ihm ein Angehöriger des Geheimdienstministeriums bei einem Besuch im Gefängnis die Umwandlung seines Todesurteils in eine Haftstrafe an – vorausgesetzt, er lege vor laufenden Fernsehkameras ein "Geständnis" ab und denunziere kurdische Oppositionsgruppen als "terroristisch". Als Ramin Hossein Panahi ablehnte, wurde der Geheimdienstangehörige wütend undsagte , dass er seine "Sturheit" mit dem Leben bezahlen würde. Nach diesem Gespräch wurde Ramin Hossein Panahi in Einzelhaft verlegt, wo er sich bis heute befindet. Es bestehen Sorgen über seinen Gesundheitszustand, da er unter anhaltenden Kopfschmerzen und einer Nierenentzündung leidet, möglicherweise eine Folge von Folter. Nach seiner Festnahme am 23. Juni 2017 war Ramin Hossein Panahi vier Monate lang "verschwunden". Er gab an, dass er während dieser Zeit und auch in der daraufhin folgenden zweimonatigen Einzelhaft wiederholt von Angehörigen des Geheimdienstministeriums und der Revolutionsgarden gefoltert wurde. Er sei mit Kabeln verprügelt, getreten und in den Magen geschlagen worden, außerdem habe man ihm seinen Kopf gegen die Wand geschmettert. Bei seiner Festnahme erlitt Ramin Hossein Panahi Schussverletzungen. Eine angemessene medizinische Versorgung dieser Verletzungen wurde ihm vorsätzlich verweigert.
Das Gerichtsverfahren gegen Ramin Hossein Panahi fand am 16. Januar statt und dauerte nicht einmal eine Stunde. Es entsprach bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Verfahren. Seine Angehörigen berichteten Amnesty International, dass er mit offensichtlichen Folterspuren vor dem Revolutionsgericht in Sanandaj erschienen war, das Gericht jedoch trotzdem keine Untersuchung deswegen eingeleitet habe. Laut seinem Rechtsbeistand sprach ihn das Gericht schuldig und verurteilte ihn zum Tode, weil er "die Waffen gegen den Staat erhoben" habe (baqi). Das Urteil gründe sich allein auf seine Mitgliedschaft in der Oppositionsgruppe Komala, es wurden jedoch keine spezifischen Beweise vorgelegt, die ihn mit Taten in Verbindung bringen, bei denen es um vorsätzliche Tötung geht – die nach dem Völkerrecht erforderliche Voraussetzung zur Verhängung der Todesstrafe. Seit seiner Festnahme durfte Ramin Hossein Panahi seinen Rechtsbeistand nur einmal sehen. Dieses kurze Treffen fand im Beisein von Geheimdienstangehörigen statt. Dies verstößt gegen das Recht auf ein vertrauliches Gespräch mit einem Rechtsbeistand. Darüber hinaus teilten die Justizbehörden weder ihm noch seinem Rechtsbeistand vor der Anhörung mit, welche Beweise gegen ihn vorlägen. Sein Rechtsbeistand wird Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.
Hintergrundinformation
Iran ist Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, welcher allen Angeklagten das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren garantiert. Angesichts des irreversiblen Charakters der Todesstrafe legen internationale Menschenrechtsnormen explizit fest, dass die Verfahrensabläufe in Mordprozessen alle relevanten internationalen Standards zum Schutz des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren genau einhalten – unabhängig von der Schwere der Tat. Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN – Fortsetzung (Auf Englisch)
Ramin Hossein Panahi was held in solitary confinement in detention centres run by the Revolutionary Guards and Ministry of Intelligence from his arrest on 23 June 2017 until 9 January 2018 when he was transferred to Sanandaj’s Central Prison. The circumstances around his arrest are unclear to Amnesty International. Komala initially issued a statement noting that he and three other Komala members had engaged in an armed clash with the Revolutionary Guards in the neighbourhood of Shalman in Sanandaj. Komala is an armed Kurdish opposition group which has been engaged in armed activities against the Islamic Republic of Iran since the 1980s. The exchange of gunfire apparently started at a Revolutionary Guards checkpoint after the men were identified while travelling in a car and did not heed a call to stop. During the clash, Ramin Hossein Palanhi was severely injured and the other three men, Sabah Hossein Panahi, Hamed Seyf Panahi and Behzad Nouri, were shot dead. However, Ramin Hossein Panahi and his lawyer have since claimed that the shots were only fired by the Revolutionary Guards. This claim is supported by a report on a domestic media outlet affiliated with the Ministry of Intelligence, Akam News, on 17 July 2017, which stated that the Revolutionary Guards ambushed the men and opened fire on them and the men were not able to fire any shots back. An official statement that the Revolutionary Guards issued on 23 June 2017 also referred to no casualties.
During the four months in which he was forcibly disappeared following his arrest, Ramin Hossein Panahi’s elderly parents reported making strenuous efforts to locate him by visiting various government offices in Sanandaj and Qorveh, and the village of Dehgolan, all in Kurdistan Province, but said that officials refused to disclose his fate or whereabouts. Instead, officials directed threats and insults at them, describing their loved one as a "terrorist". After tormenting his family for more than four months, the Ministry of Intelligence in Sanandaj contacted Ramin Hossein Panahi’s mother on 31 October 2017 and instructed her to go to Sanandaj’s bus terminal, which she did immediately. From there, she was picked up by Ministry of Intelligence officials and taken to an undisclosed location to meet with her son. His mother said that the intelligence officials initially wanted to take photos and videos of the family visit but they removed the cameras after Ramin Hossein Panahi objected.
Hours after Ramin Hossein Panahi’s arrest on 23 June 2017, the Revolutionary Guards stormed his parents’ house in the village of Qeruchay, near Sanandaj, and arrested his brother, Afshin Hossein Panahi. They raided the house again on 24 June and arrested three other members of his family: Ahmad Hossein Panahi (his brother-in-law); Zobeyr Hossein Panahi (a distant relative); and Anvar Hossein Panahi (a cousin). Information received by Amnesty International suggests that none of these men had any involvement with the armed clashes and were instead arrested by the Revolutionary Guards in an apparent effort to exact retribution and create a climate of fear. In October 2017, Afshin Hossein Panahi was sentenced to eight and a half years in prison, which he is currently serving in Sanandaj’s Central Prison. Ahmad Hossein Panahi and Zobeyr Hossein Panahi were sentenced, respectively, to five and six years in prison. They were all convicted of national security charges connected to their involvement with Komala.
International law restricts the application of the death penalty to the "most serious crimes", interpreted by international bodies as being limited to "intentional killing".