Hungerstreik

Atena Daemi, Golrokh Ebrahimi Iraee, Arash Sadeghi

Die iranischen Menschenrechtler_innen Atena Daemi, Golrokh Ebrahimi Iraee und Arash Sadeghi

Die beiden inhaftierten iranischen Menschenrechtlerinnen Golrokh Ebrahimi Iraee und Atena Daemi sind am 3. Februar in den Hungerstreik getreten, um gegen ihre Verlegung in ein Gefängnis zu protestieren, in dem verurteilte Gewaltstraftäterinnen unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten werden. Um die Rückverlegung der beiden Frauen in die vorherige Haftanstalt zu erwirken, hatte sich zuvor bereits der Menschenrechtler Arash Sadeghi am 27. Januar in den Hungerstreik begeben. Sein Gesundheitszustand ist kritisch.

Appell an

Hoher Rat für Menschenrechte

Mohammad Javad Larijani

Esfaniar Boulevard, Niayesh Intersection

Vali Asr Avenue, Tehran

IRAN

Sende eine Kopie an

Sonderberaterin für Bürgerrechte des Iranischen Präsidenten

Shahindocht Molaverdi

162 Nejatollahi Street (after Sepand intersection), Tehran


IRAN

Botschaft der Islamischen Republik Iran

S. E. Herrn Ali Majedi


Podbielskiallee 65-67

14195 Berlin


Fax: 030-83 222 91 33

E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie bitte Arash Sadeghi, Golrokh Ebrahimi Iraee und Atena Daemi umgehend und bedingungslos frei, da sie gewaltlose politische Gefangene sind und sich nur auf Grundlage ihrer friedlichen Menschenrechtsarbeit in Haft befinden.
  • Beenden Sie bitte die Verweigerung medizinischer Versorgung als Strafmaßnahme gegen Arash Sadeghi und sorgen Sie dafür, dass er umgehend Zugang zu fachärztlicher Behandlung außerhalb des Gefängnisses erhält.
  • Leiten Sie bitte umgehend Maßnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen im Schahr-e-Rey-Gefängnis ein und sorgen Sie dafür, dass alle Gefangenen Zugang zu medizinischer Versorgung und angemessenen Sanitäreinrichtungen sowie sauberes Wasser, ausreichend gehaltvolles Essen und saubere Schlafstätten erhalten. Stellen Sie darüber hinaus sicher, dass alle Gefangenen menschlich und entsprechend dem Völkerrecht und internationalen Standards, einschließlich der "Nelson-Mandela-Regeln", behandelt werden und ermöglichen Sie internationalen Menschenrechtsbeobachter_innen die Durchführung von Inspektionsbesuchen.

Sachlage

Am 24. Januar wurden die beiden rechtswidrig inhaftierten Menschenrechtlerinnen Golrokh Ebrahimi Iraee und Atena Daemi vom Teheraner Evin-Gefängnis in das Schahr-e-Rey-Gefängnis in der nahe Teheran gelegenen Stadt Waramin verlegt. Laut Angaben der beiden Frauen wurden sie dabei von männlichen Gefängnisangestellten beschimpft, verbal sexuell belästigt und später – als sie friedlich ihren Protest gegen die Verlegung zum Ausdruck brachten – auch getreten und geschlagen. Dabei hatten sie lediglich argumentiert, dass die Verlegung unrechtmäßig sei und gegen die Bestimmungen zur Klassifizierung von Gefangenen auf Grundlage der Schwere der begangenen Straftaten und des Risikos für Gesellschaft und Mitgefangene verstoße. Die Schläge hörten erst auf, so erklärten die beiden Frauen, als zwei Gefängniswärterinnen einschritten. Aus Protest gegen ihre Verlegung traten Golrokh Ebrahimi Iraee und Atena Daemi am 3. Februar in den Hungerstreik.

Golrokh Ebrahimi Iraee und Atena Daemi sind in großer Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Das Schahr-e-Rey-Gefängnis ist in einer ehemaligen Geflügelzuchtanlage untergebracht. Hunderte Gewaltstraftäterinnen werden dort in überfüllten Zellen und unter unhygienischen Bedingungen gefangen gehalten, ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser, angemessener Nahrung, Medizin oder ausreichend frischer Luft. Berichte aus dem Gefängnis deuten auf eine hohe Anzahl gewalttätiger Übergriffe – sowohl durch Mitgefangene als auch durch das Wachpersonal – sowie auf einen ungezügelten Drogenkonsum und Probleme durch Infektionskrankheiten hin. Die iranischen Behörden haben in der Vergangenheit wiederholt weiblichen gewaltlosen politischen Gefangenen, die offene Kritik üben, mit einer Verlegung in das Schahr-e-Rey-Gefängnis gedroht.

Arash Sadeghi, der mit Golrokh Ebrahimi Iraee verheiratet ist, trat am 27. Januar aus Protest gegen die Verlegung der beiden Frauen in den Hungerstreik. Diese Entscheidung gibt Anlass zu großer Sorge, da Arash Sadeghis Gesundheitszustand aufgrund von ernsten Verdauungsproblemen und Atembeschwerden, einem mit Blutungen und Schmerzen einhergehenden Magengeschwür sowie Herzrhythmusstörungen bereits stark angeschlagen war. Seit Dezember 2016 haben verschiedene Ärzte darauf hingewiesen, dass er sich einer längeren Facharzttherapie in einem Krankenhaus unterziehen muss. Die Behörden verweigerten jedoch Arash Sadeghis Verlegung in ein Krankenhaus, um ihn für einen vorherigen Hungerstreik zu bestrafen. Amnesty International hat mehrfach darauf hingewiesen, dass diese missbräuchliche Praxis eine Form von Folter darstellt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 24. Januar 2018 wurden Golrokh Ebrahimi Iraee und Atena Daemi zusammen in den Trakt 2A des Teheraner Evin-Gefängnisses gebracht, der den Revolutionsgarden untersteht. Nachdem man sie dort vier Stunden lang festgehalten hatte, teilte man den beiden Frauen mit, dass sie an einen anderen Ort verlegt werden würden. Auf wiederholte Nachfragen zu Grund und Zielort der Verlegung wurden ihnen Dokumente vorgelegt, aus denen hervorging, dass die Staatsanwaltschaft des Evin-Gefängnisses ihre Überstellung in das Schahr-e-Rey-Gefängnis (auch bekannt als Gharchak-Gefängnis) angeordnet hatte. Als die Frauen sich weigerten, befahl ein leitender Beamter dem Wachpersonal, die beiden zu schlagen und mit Gewalt in das Fahrzeug zu zwingen. Zwei Wärterinnen schritten ein und beendeten die Gewalt. Anschließend wurden die Frauen in das Schahr-e-Rey-Gefängnis gebracht. Es scheint so, als wäre diese Verlegung angeordnet und ausgeführt worden, um die beiden Menschenrechtlerinnen dafür zu bestrafen, dass sie aus dem Gefängnis heraus mit offenen Briefen und Stellungnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen protestiert hatten.

Ehemalige Gefangene kritisierten gegenüber Amnesty International wiederholt die Haftbedingungen im Schahr-e-Rey-Gefängnis. Die Liste der Missstände ist lang: starke Überfüllung, Mangel an Schlafstätten, unzureichende und unhygienische Sanitäreinrichtungen, salziges Trinkwasser, kleine Portionen qualitativ schlechter Nahrung, Warmwassermangel, Mangel an Reinigungsartikeln, schlechte Belüftung, Verbreitung von Infektionskrankheiten und ungezügelter Drogenkonsum.

Golrokh Ebrahimi Iraee saß seit Oktober 2016 im Evin-Gefängnis ein, um eine sechsjährige Haftstrafe zu verbüßen, die sie hauptsächlich für das Verfassen einer unveröffentlichten Geschichte über die Praxis der Steinigung erhalten hatte. Im März 2017 wurde ihre Haftstrafe im Rahmen einer Begnadigung zum iranischen Neujahrsfest Nowrooz um 30 Monate reduziert. Atena Daemi befindet sich seit November 2016 in Haft, um eine siebenjährige Haftstrafe zu verbüßen. Ihr Vergehen bestand in friedlichen Menschenrechtsaktivitäten, zu denen das Posten von Facebook- und Twitter-Nachrichten gegen die hohe Anzahl von Hinrichtungen und das Verteilen von Flugblättern gegen die Todesstrafe zählten. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht: Caught in a web of state repression: Iran’s human rights defenders under attack.

Arash Sadeghi befindet sich seit Juni 2016 im Gefängnis, wo er zwei Haftstrafen verbüßt, die sich zusammen auf 19 Jahre belaufen. Er wird für seine friedliche Menschenrechtsarbeit bestraft: unter anderem für die Weiterleitung von Informationen zur Menschenrechtslage im Iran an Amnesty International, an den UN-Sonderberichterstatter über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran und an Mitglieder des Europäischen Parlaments. Obwohl Arash Sadeghi sich seit Beendigung eines 71-tägigen Hungerstreiks im Januar 2017, den er aus Protest gegen die Inhaftierung seiner Frau angetreten hatte, in einem kritischen Gesundheitszustand befindet, verweigerten die Behörden ihm als Strafe für seinen Widerstand den Zugang zu notwendiger medizinischer Versorgung außerhalb der Haftanstalt.

Im Oktober 2017 wurde Arash Sadeghi vom Evin-Gefängnis in das Raja'i-Shahr-Gefängnis in der Stadt Karadsch verlegt, in dem ebenfalls sehr schlechte Bedingungen herrschen (siehe Inhumane prison conditions need attention). Obwohl die Temperaturen in der Region momentan zwischen -7 und 4 ºC liegen, hat die Gefängnisleitung vielen Gefangenen untersagt, sich zusätzliche Decken zum Schutz gegen die Kälte zu kaufen. Um Abhilfe zu schaffen, mussten die Inhaftierten zerschlissene Handtücher zu behelfsmäßigen Decken zusammennähen. Laut Angaben von Arash Sadeghi erhält er seit seiner Verlegung in das Raja'i-Shahr-Gefängnis nur noch gelegentlich die Medikamente, die von seinen Familienangehörigen gekauft und in die Haftanstalt gebracht werden. Er muss 15 verschiedene Präparate einnehmen.

Die Nachforschungen von Amnesty International konnten klare Belege dafür liefern, dass Staatsanwaltschaft und Gefängnisbehörden den aus politischen Gründen Inhaftierten, einschließlich den gewaltlosen politischen Gefangenen, den Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung bewusst verweigern. In vielen Fällen scheint dies mit grausamem Kalkül zu geschehen, um diese Gefangenen einzuschüchtern, zu bestrafen, zu erniedrigen oder zu "Geständnissen" zu zwingen. Wenn ein solches Vorenthalten vorsätzlich geschieht und einer Person "große Schmerzen oder Leiden" zugefügt werden, um sie zu bestrafen, zu nötigen oder einzuschüchtern, ein "Geständnis" zu erlangen oder aus einem sonstigen auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, so ist dies mit Folter gleichzusetzen (siehe Amnesty-Bericht: Health care taken hostage: Cruel denial of medical care in Iran’s prisons).