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Nubier_innen droht Haft
© Amnesty International
Am 15. November hat ein Gericht angeordnet, dass 32 nubische Aktivist_innen bis zu ihrer Gerichtsverhandlung freigelassen werden. Am 13. November war ihr Fall an ein Staatssicherheitsgericht überwiesen worden. Der Prozess ist auf den 12. Dezember verschoben worden: Bei einer Verurteilung drohen den Aktivist_innen bis zu fünf Jahre Haft.
Appell an
Präsident
Abdel Fattah al-Sisi
Office of the President
Al Ittihadia Palace, Cairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Stellvertretende Beauftragte für Menschenrechte im Aussenministerium
Laila Bahaa El Din
Ministry of Foreign Affairs
Corniche el-Nile, Cairo
ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 2574 9713
E-Mail: contact.us@mfa.gov.eg
Twitter: @MfaEgypt
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Lassen Sie die Anklagen gegen die 32 Aktivist_innen der nubischen Gemeinschaft umgehend fallen, da sie lediglich auf der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit beruhen.
- Setzen Sie alle Dekrete außer Kraft, welche bestimmen, dass Staatssicherheitsgerichte für Straftaten unter dem Demonstrationsgesetz zuständig sind. Stellen Sie außerdem sicher, dass alle Verurteilten das Recht haben, Rechtsmittel einzulegen und ihr Urteil von einem höheren Gericht prüfen zu lassen.
- Ich bitte Sie außerdem, umgehend eine unabhängige und zielführende Untersuchung des Todes von Mohamed Saleh Sorour (auch: Gamal Sorour) einzuleiten, damit die Verantwortlichen für seinen Tod ermittelt und ohne Rückgriff auf die Todesstrafe vor Gericht gestellt werden können.
Sachlage
Am 15. November hat das Staatssicherheitsgericht in Assuan die Freilassung aller 32 nubischen Aktivist_innen angeordnet und ihren Prozess auf den 12. Dezember vertagt. Der Fall der Aktivist_innen, darunter Seham Osman und Wafaa Abelqawi, war ursprünglich am 13. November an ein Staatssicherheitsgericht verwiesen worden. Am 12. Dezember müssen die Aktivist_innen vor dem Gericht in Assuan im Süden Ägyptens erscheinen. Man wirft ihnen die "Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen" sowie "das wiederholte Skandieren gegen den Staat, um öffentlichen Interessen zu schaden" vor. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Gegen Urteile, die vom Staatssicherheitsgericht gefällt wurden, können keine Rechtsmittel eingelegt werden, sie müssen lediglich vom Präsidenten bestätigt werden.
Am 3. September wurden 25 nubische Aktivist_innen aufgrund ihrer Teilnahme an friedlichen Protesten festgenommen. Später erweiterte die Staatsanwaltschaft von Assuan den Fall noch um acht weitere Demonstrierende und erließ auch gegen sie Haftbefehle.
Die erste Anhörung war für den 15. November geplant, wurde jedoch auf den 12. Dezember verschoben. Die Überweisung an das Staatssicherheitsgericht erfolgte nach dem Tod in Haft des gewaltlosen politischen Gefangenen Gamal Sorour, der mit den anderen 24 Demonstrierenden festgenommen worden war. Er starb aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung, die zu einem diabetischen Koma führte, und der Weigerung der Gefängnisbehörden im Al-Shalal-Gefängnis in Assuan, ihn schnell in ein Krankenhaus bringen zu lassen. Die ägyptischen Behörden haben bisher keine Untersuchungen zu seinem Tod angestellt.
Hintergrundinformation
Die ägyptischen Sicherheitskräfte haben auch in der Vergangenheit schon friedliche Versammlungen von nubischen Aktivist_innen aufgelöst. So stoppte die Polizei am 19. November 2016 eine friedliche Demonstration für die Menschenrechte der nubischen Gemeinschaft und kesselte die Menschen mehrere Stunden lang ohne Zugang zu Wasser und Nahrung ein. Dann wurde die Kundgebung aufgelöst.
Der nubische Aktivist Mohamed Saleh Sorour (auch: Gamal Sorour) starb am 4. November in einem Gefängnis in Assuan, nachdem er in ein diabetisches Koma gefallen war. Nach Angaben seiner Familie litt Mohamed Saleh Sorour an Diabetes und hatte vor zwei Jahren zwei Herzinfarkte. Wegen seiner gesundheitlichen Probleme hatte er sich regelmäßig in ärztlicher Behandlung befunden, bis er am 3. September wegen seiner Teilnahme an einer friedlichen Demonstration in Haft genommen wurde. Obwohl Mitinsassen immer wieder an die Zellentür geklopft und die Gefängnisbediensteten um Hilfe gebeten hatten, sorgten die Gefängnisbehörden nach Angaben von Rechtsbeiständen und Verwandten erst drei Stunden später dafür, dass Mohamed Saleh Sorour in ein Krankenhaus gebracht wurde.
Am 10. April 2017 ist in Ägypten erneut der Ausnahmezustand ausgerufen und seitdem alle drei Monate verlängert worden. Das ägyptische Notstandsgesetz garantiert dem Präsidenten oder der Präsidentin die Befugnis, während des aktiven Ausnahmezustands Verfahren gegen Zivilpersonen an Staatssicherheitsgerichte überweisen zu lassen. Am 8. und 12. Oktober erließ der ägyptische Ministerpräsident zwei Verfügungen – Nr. 2165/2017 und Nr. 2198/2017, welche die Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet, alle Anklagen, die unter zehn bestimmten Gesetzen erhoben werden, an Staatssicherheitsgerichte überweisen zu lassen. Betroffen sind dabei alle Straftaten, die unter den Demonstrationsgesetzen 107/2013 und 10/1914 geahndet werden.
Das im November 2013 erlassene Demonstrationsgesetz 103/2017 räumt dem Innenministerium freie Verfügungsgewalt über den Umgang mit friedlichen Demonstrationen ein. Außerdem hält es die Organisator_innen von Zusammenkünften von über zehn Personen an, ihre vollständigen Pläne mindestens drei Tage vorher beim Innenministerium einzureichen. Das Gesetz befugt das Ministerium zudem, eine Demonstration abzusagen oder den Routenverlauf abzuändern. Eine solche Änderung der Strecke müsste allerdings vorher wiederum vom Innenministerium selbst genehmigt werden; dies steht im Widerspruch zum Völkerrecht. Daneben ermächtigt das Gesetz Sicherheitskräfte, gegen Demonstrierende Gewalt einzusetzen, wenn angenommen werden kann, "dass sie eine Straftat begangen haben", was zum Gebrauch unnötiger und übermäßiger Gewalt führen kann. Verurteilten Demonstrierenden drohen Haftstrafen bis zu fünf Jahren und Geldstrafen von 100.000 Ägyptischen Pfund (umgerechnet etwa 4.800 Euro).