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Häftling gestorben
© Amnesty International
Der gewaltlose politische Gefangene und nubische Aktivist Mohamed Saleh Sorour (auch: Gamal Sorour) ist am 4. November in der Haft in Assuan gestorben. Er starb, nachdem er in ein diabetisches Koma gefallen und nicht sofort medizinisch versorgt worden war. Am 3. September war er zusammen mit 24 anderen nubischen Aktivisten wegen der Teilnahme an einer friedlichen Demonstration festgenommen worden. Die 24 nubischen Aktivisten sind gewaltlose politische Gefangene, die sofort und bedingungslos freigelassen werden müssen.
Appell an
Präsident
Abdel Fattah al-Sisi
Office of the President
Al Ittihadia Palace, Cairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Stellvertretende Beauftragte für Menschenrechte im Aussenministerium
Laila Bahaa El Din
Ministry of Foreign Affairs
Corniche el-Nile
Cairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 2574 9713
E-Mail: contact.us@mfa.gov.eg
Twitter: @MfaEgypt
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Lassen Sie die 24 Aktivisten der nubischen Gemeinschaft umgehend und bedingungslos frei, da sie lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Haft sind.
- Stellen Sie bitte sicher, dass die 24 Aktivisten bis zu ihrer Freilassung regelmäßigen Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten.
- Ich bitte Sie außerdem, umgehend eine unabhängige und zielführende Untersuchung des Todes von Mohamed Saleh Sorour (auch: Gamal Sorour) einzuleiten, damit die Verantwortlichen für seinen Tod ermittelt und vor Gericht gestellt werden, ohne Rückgriff auf die Todesstrafe.
Sachlage
Der nubische Aktivist Mohamed Saleh Sorour (auch: Gamal Sorour) starb am 4. November in einem Gefängnis in Assuan, nachdem er in ein diabetisches Koma gefallen war. Nach Angaben seiner Familie litt Mohamed Saleh Sorour an Diabetes und hatte vor zwei Jahren zwei Herzinfarkte. Wegen seiner gesundheitlichen Probleme hatte er sich regelmäßig in ärztlicher Behandlung befunden, bis er am 3. September wegen seiner Teilnahme an einer friedlichen Demonstration in Haft genommen wurde. Obwohl Mitinsassen immer wieder an die Zellentür geklopft und die Gefängnisbediensteten um Hilfe gebeten hatten, sorgten die Gefängnisbehörden nach Angaben von Rechtsbeiständen und Verwandten erst drei Stunden später dafür, dass Mohamed Saleh Sorour in ein Krankenhaus gebracht wurde.
Die Sicherheitskräfte nahmen Mohamed Saleh Sorour zusammen mit 24 weiteren nubischen Aktivisten fest, nachdem die Polizei am 3. September eine friedliche Protestveranstaltung aufgelöst hatte. Unter dem Slogan "Versammlungstag der Nubier" sangen Aktivisten der nubischen Gemeinschaft in Assuan während der Demonstration nubische Lieder und forderten ihr Recht auf Rückkehr inihre historischen Siedlungsgebiete ein.
Die Protestteilnehmenden hatten sich gerade versammelt und sich 500 Meter auf dem al-Guzzayra-Platz im Zentrum von Assuan bewegt, als die Sicherheitskräfte sie umstellten und angriffen. Die Polizei nahm 25 Männer fest und brachte sie in die Einrichtung Al-Shalal der Sicherheitskräfte in Assuan. Die Festgenommenen hatten vier Tage lang weder Zugang zu Rechtsbeiständen noch zu ihren Familien. Einen Tag nach der Festnahme wurden die Gefangenen von Angehörigen der Staatsanwaltschaft verhört, ohne dass ihre Rechtsbeistände anwesend waren.
Auf der Grundlage der Anklagen "Teilnahme an einem nicht genehmigten Protest" und "Besitz von Publikationen, die die nationale Einheit und die öffentliche Sicherheit gefährden" ordnete die Staatsanwaltschaft die Inhaftierung der 25 Festgenommenen an. Seitdem ist die Haftanordnung mehrfach verlängert worden.
Hintergrundinformation
Die ägyptischen Sicherheitskräfte haben auch in der Vergangenheit schon friedliche Versammlungen von nubischen Aktivist_innen aufgelöst. So stoppte die Polizei am 19. November 2016 eine friedliche Demonstration zur Unterstützung der Menschenrechte der nubischen Gemeinschaft und kesselte die Menschen mehrere Stunden lang ohne Zugang zu Wasser und Nahrung ein. Dann wurde die Kundgebung aufgelöst.
Die Proteste sind Reaktionen auf die Vertreibung Angehöriger der nubischen Gemeinschaft, einer indigenen Gruppe, aus ihren traditionellen Siedlungsgebieten durch aufeinanderfolgende ägyptische Regierungen, die diese Grundstücke für Entwicklungsprojekte nutzten. Die Vertreibung der nubischen Bevölkerung bedeutet eine Bedrohung für den Erhalt ihrer kulturellen, historischen und sprachlichen Identität, der bereits jetzt gefährdet ist. Zudem hat die Vertreibung sozioökonomische Auswirkungen auf die Gemeinschaft. Die nubischen Gemeinschaften können ihren Lebensunterhalt häufig nicht mehr durch die Arbeit in der Landwirtschaft bestreiten, weil sie aus ihren Dörfern am Ufer des Nils vertrieben wurden und gezwungen waren, in Wüstengebiete umzuziehen, wo es keinen ausreichenden Zugang zu Wasser und fruchtbarem Boden gibt.
Das ägyptische Erziehungsministerium erlaubt den Schulen im äußersten Süden Ägyptens außerdem nicht, die nubische Sprache zu unterrichten, obwohl die nubischen Bewohner_innen dies immer wieder fordern. Fatma Emam, die sich für die Rechte der nubischen Bevölkerung einsetzt, sagte Amnesty International, dass die Zwangsassimilierung von Angehörigen der nubischen Gemeinschaft in arabischsprachige Gemeinschaften verhindert hat, dass die Gemeinschaft ihre Sprache wirksam bewahren konnte.
Nach den Protesten in Ägypten im Zuge des "Arabischen Frühlings" 2011 sind auch die nubischen Aktivisten organisierter und offener mit ihren Forderungen aufgetreten. Ihre Forderungen führten schließlich zu einer neuen Bestimmung in der ägyptischen Verfassung, die das Recht auf Rückkehr der nubischen Bevölkerung anerkennt.
Die Verfassung erkennt das Recht auf Rückkehr der nubischen Gemeinschaft auf ihr angestammtes Land an. Artikel 236 der Verfassung verpflichtet die Regierung, einen Plan für die wirtschaftliche Entwicklung marginalisierter Grenzregionen zu erstellen, darunter Nubien an den äyptischen Südgrenzen. Diese Bestimmung verpflichtet die Regierung zudem, Maßnahmen zu ergreifen, die es den nubischen Gemeinschaften ermöglichen, in ihre angestammten Siedlungsgebiete zurückzukehren und eine wirtschaftliche Entwicklung sicherzustellen. Die ägyptische Regierung hat diese Verpflichtungen aber bislang nicht umgesetzt.
Die Haftbedingungen in ägyptischen Gefängnissen stellen nach wie vor ein ernsthaftes Problem dar. Nach Erhebungen des Zentrums für Folteropfer El Nadeem Centre for the Rehabilitation of Victims of Torture sind zwischen Januar und Oktober 2017 mindestens 105 Gefangene gestorben, darunter 41 an der Verweigerung medizinischer Versorgung.